Primrue Mellark 2 | Kapitel 34

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Nex führte uns zurück zu unserem Unterschlupf. 
Karlic schlürfte ihn eher hinter her, als dass er ging. Cato und ich bildeten das Schlusslicht.
Schweigend gingen wir neben einander her, unsere Finger lose in einander verschränkt. 
Immer wieder hörte ich die Stimme von Geier in meinem Kopf, wie er von den Nebenwirkungen sprach. 
War es wahr? Cato schien mich zu mögen, sonst hätte er mich nicht geküsst, aber waren seine Gefühle wirklich so stark wie in der Nacht, bevor wir hier her gebracht wurden, oder war es nur das Betäubungsgas gewesen, welches durch die Belüftungsanlage gekommen war.
In meinen Kopf stritten sich pro und contra regelrecht mit einander, konnten aber genau so wenig einig werden wie wir.
Schlimmer war jedoch meine innere Stimme, die der Meinung war, dass ich meinen Kopf klar bekommen sollte, um über andere Dinge nachzudenken. 
Dummerweise hatte sie Recht. 
Ich konnte hier nicht darüber nach denken, ob Cato etwas für mich empfand und wenn ja, wie viel das war, wenn in dieser Arena tödliche Fallen lauerten. Mit jeder Sekunde, , die verging, konnte sonst noch etwas hier passieren. Wir hatten immer noch nicht die Anderen gefunden. Keiner konnte sagen, ob sie nicht schon bald sterben würde oder tot waren. Aber mein Hirn konnte nur über meinen Distriktpartner nachdenken.
Am liebsten hätte ich mich selber geschlagen. Vielleicht würde es ein wenig helfen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
„Alles okay?“
Catos leise Stimme riss mich aus den Gedanken und ich schaute verwirrt hoch zu ihm.
„Mmh?“ , brachte ich nur hervor, was ihn ein schmunzeln entlockte.
„Du scheinst etwas abwesend. Das kenne ich nicht von dir, besonders nicht in so einer Situation.“
Er hatte Recht. Selbst in der ersten Arena hatte ich es geschafft, meine Gedanken beisammen zu halten. Warum wollte es mir jetzt nicht gelingen?
„Tut mir Leid. Wahrscheinlich nur etwas viel auf einmal.“, gestand ich leise. 
Sein Arm legte sich um mich und auch wenn ich nicht schwach wirken wollte, lehnte sich mein Körper wie selbst gegen ihn und genoss den leichten Schutz. 
„Wir sind gleich da.“
Ich schaute auf, als ich Nex Stimme hörte.
Dachte er etwa, ich würde nicht durchhalten? Wollte er mich aufmuntern?
Doch ich machte mir um sonst Sorgen.
Seine Aufmerksamkeit galt nicht mir und Cato, sondern Karlic, der sichtlich geschafft aus sah. 
Schweigend brachten wir die letzten Meter hinter uns, und kletterten wieder in unser Versteck.
Henna kam uns sofort entgegen gelaufen und warf sich in Nexs Arme, der das Mädchen auffing. 
„Ich hab mir Sorgen gemacht.“, gestand sie.
„Solange waren wir nun auch wieder nicht weg.“, schmunzelte Nex, doch er ließ das Mädchen nicht los.
Erst als sie sich von selber löste, gab auch er nach und setzte wieder seine emotionslose Maske auf. 
Henna schien aber eher interessiert an Karlic und Cato. Ihr Blick huschte nervös zwischen beiden hin und her.
„Freunde von dir?“, fragte sie nun an mich gewandt.
„Ja.“, gab ich leise zurück.
„Das ist Karlic.“, ich deutete auf den jungen Mann aus Distrikt Neun, der dem Mädchen freundlich zurück winkte. „Und das ist Cato.“ Selbst er lächelte Henna kurz zu, was sie sichtlich entspannte. 
„Okay.“, brachte sie hervor, bevor sie sich streckte. „Dann geh ich weiter schlafen.“
Wir schauten ihr alle verdutzt hinter her, doch sie bemerkte es nicht einmal und kuschelte sich wieder in die Decken, in denen vor kurzen noch ich gelegen hatte.
„Gute Idee.“, stimmte Nex zu. „Wir brauchen Ruhe, ehe wir erneut da rauf gehen und die restlichen Leute suchen, die du haben willst.“
Cato schaute mich verwirrt an, doch ich ignorierte es, da ich gerade andere Sorgen hatte.
„Sollten wir nicht lieber auch so etwas wie eine Wache aufstellen?“
Nex grinste mich bei meinen Worten Schadenfroh an. 
„Brauchen wir nicht. Glaub mir, wenn hier jemand rein will, muss er erst mal durch meine Fallen. Selbst wenn er es bis hier rein schafft, sind wir schon wach und kampfbereit, wenn er eintrifft.“
Damit wand auch er sich ab und verschwand irgendwo im hinteren Teil der Halle, in denen die Schatten hausten. 
„Vertraust du ihm?“, frage Cato leise neben mir und ich schaute in seine blauen Augen. 
„Es bleibt uns wohl kaum was anderes übrig oder?“



Stunden später lag ich immer noch wach. 
Nachdem Nex und Henna sich verteilt hatten, suchten wir als erstes einen geeigneten Ort für Karlic. 
Er schien das Betäubungsgas genau wie ich, nicht wirklich gut vertragen zu haben, hatte sich aber im Gegenteil zu mir, noch nicht ausruhen können. Dazu hatte er gegen die Mutationen kämpfen müssen, was ihn sichtlich geschafft hatte. 
Wir fanden drei Decken, gaben aber zwei davon an den Jungen aus Distrikt Neun hab, da er dadurch zumindest etwas weicher lag und sich hoffentlich erholte. Jeder musste bei vollen Kräften sein, da wir nur so stark waren, wie unser Schwächstes Glied.
Somit war für mich und Cato nur eine Decke gemeinsam geblieben.
Wir hatten immer noch nicht über die Nacht gesprochen, was eine unangenehme Schlucht zwischen uns bildete, als wir uns neben einander legten. 
Verspannt lag ich da und erinnerte mich daran, wie sich seine Lippen auf meiner Haut angefühlt hatten.
Fühlte er das selbe oder hatte er es schon vergessen?
„Entspann dich Primrue. Dir passiert nichts. Ich pass auf.“, murmelte Cato hinter mir und legte einen Arm über mich, um mich näher an sich zu ziehen.
Ich biss mir auf die Lippen, damit ich nicht einfach aufstöhnte. Als wäre die ganze Situation nicht schon komisch genug. 
Nach einer Weile, war seine Hand lockerer geworden, was mir zeigte, dass er, im Gegensatz zu mir, eingeschlafen war.
Es war jedoch nicht nur Cato, der mir den Schlaf raubte. 
Meine Gedanken huschten immer wieder zu Geier und Nex. 
Ich musste immer noch heraus finden, wer der ehemalige Hauptspielmacher wirklich war. 
Mein Gefühl sagte mir, dass Nex so wenig schlief, wie ich gerade. Also befreite ich mich vorsichtig aus Catos Armen. 
Ich blickte noch einmal auf meinen schlafenden Distriktpartner, biss ich Nex in die Dunkelheit der Halle folgte. 
Mit vorsichtigen Schritten ging ich vorwärts, da ich kaum etwas sehen konnte. Wer wusste schon, ob hier irgendwo ein Loch im Boden war. 
Aber ich war mir sicher, dass wenn Nex noch wach war, er mich sowieso beobachten und finden würde.
„Solltest du nicht schlafen?“
Bingo. 
„Kann nicht.“, gestand ich ehrlich, „Und ich wollte mit dir reden.“
„Eigentlich bin ich nicht der Gesprächige Typ.“, erklärte seine Stimme, die mittlerweile Näher trat. 
Endlich trat er aus der Dunkelheit, in das Dämmerlicht in dem ich stand. 
Ich versuchte zu ignorieren, dass er kein Oberteil trug, aber das war schwer.
Nicht nur, dass er, wie ich schon vermutet hatte, unglaublich gut trainiert war, aber sein ganzer Oberkörper war von Narben übersät. Sie waren unterschiedlich alt aber die meisten definitiv von vor der Arena. 
„Wenn wir zusammen arbeiten sollen, müssen wir das wohl aber.“
Seufzend kam er noch einen Schritt näher, wodurch ich wieder nach oben schauen musste.
„Was willst du wissen?“
„Hartes Leben gehabt?“, fragte ich und deutete nur kurz auf seine Narben.
„Mein Vater und ich waren wohl nicht immer einer Meinung.“, gab er nur wage zurück aber immerhin etwas.
„Wer ist er?“
„Sagte ich doch. Zur Zeit nennt er sich Asu.“
Seufzend rieb ich mir den Kopf, der schon wieder begann zu schmerzen.
„Nex bitte. Wir haben dafür keine Zeit. Wer ist er wirklich? Warum hat er einen Groll gegen mich?“
Am Anfang dachte ich, dass er mir nicht antworten wollte, doch dann flüsterte er halb.
„Wegen deinem Vater.“
„Meinem Vater? Was hat Peeta ihm getan?“
„Weißt du von den einmaligen Kaptiolsspielen, in denen dein Vater Mentor war?“
„Flüchtig, ja. Seine Tribute schienen sich verliebt zu haben. Sie waren sogar unter den letzten Drei und wären sie die letzten Zwei gewesen, hatte er sogar raus geschlagen, dass sie beide überleben dürften. Aber sie taten es nicht. Ihr Verbündeter verriet sie und tötete sie beide, wodurch er gewann. Danach ist er jedoch an seinen Schuldgefühlen zu Grunde gegangen und hat sich ein paar Jahre später das Leben genommen.“, zählte ich auf, was ich von Effie wusste.
„Richtig, zumindest fast.“, erklärte Nex mystisch und ich zog meine Augenbraue fragend hoch. „Nio Sevetch, der Verbündete von den beiden Tributen, war schon immer verrückt gewesen. Bis zu den Spielen konnte er es jedoch verbergen. Danach wusste jeder bescheid, und seine Pläne, die er sich in seinen kranken Hirn zusammen gebraut hatte, konnten nicht mehr umgesetzt werden. Eine kurze Zeit versuchte er normal zu leben, aber das ging nicht. Also hat seinen Tod nur vorgetäuscht, damit er seinen Plänen nach gehen konnte. Selber hat er sich komplett um operieren lassen, damit man ihn nicht mehr erkannte. Jeden, der davon wusste, ließ er umbringen, darunter auch meine Mutter. Nur ein Mann konnte entkommen, mit einem kleinen Jungen.“
„Warte mal. Willst du damit sagen...?“, brach es aus mir heraus, als mir seine Worte bewusst wurden. Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken als Nex mich anschaute. 
„Asu Reala ist eigentlich Nio. Mein voller Name ist Nex Sevetch.“

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