XX. Schmollen

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Eingepackt in Schal und Mütze, um dem frischen Herbstwind zu trotzen, spazierten wir in kleinen Gruppen durch die belebte Innenstadt Tokios. Es sollte den Teams die Zeit schenken, die Beziehungen zueinander zu vertiefen – und den Rausch von gestern Abend ausklingen zu lassen.

Nachdem sich Kenma unserer kleinen Gruppe, die bis zu diesem Zeitpunkt nur aus Kageyama, Hinata und mir bestand, angeschlossen hatte, folgte auch Kuroo seinem Beispiel und daraus resultierend Bokuto.

Nun waren wir zu sechst auf dem Weg zum Nakano Broadway. Dicht an dicht drängten wir uns in den überfüllten Zug. Tobio hatte seinen Arm um mich gelegt und versuchte, mich so gut es eben ging, von den Menschen abzuschirmen. Shoyo presste sich Rücken an Rücken an mich, verringerte den Abstand zwischen Tobio und mir noch zusätzlich.

„Zwei Haltestellen noch", ließ uns Bokuto wissen, der irgendwo schräg hinter mir stehen musste.

Kenma stand neben mir und brachte es zustande, trotz des geringen Platzes ein Spiel auf seinem Smartphone zu spielen.

Es piepste laut, die Türen öffneten sich. Ein- und aussteigende Menschen rissen im Vorübergehen an unseren Kleidern. Meine Fingernägel krallten sich in Kageyamas schwarzen Mantel. Ich versteckte mein Gesicht in seinem grauen Schal. Beruhigend strich er mit seiner Hand auf und ab.

„Hör auf mich zu betatschen!", schimpfte Shoyo daraufhin lautstark.

„Spinnst du? Als ob ich dich freiwillig berühren würde!", giftete Kageyama zurück.

„Sei froh, dass Mikachen zwischen uns steht!"

„Sonst was?"

„Jungs! Haltet die Klappe!", wies ich die beiden zurecht, die Blicke der anderen Fahrgäste ignorierend. Hinter uns konnte ich Kuroo und Bokuto Lachen hören.

Die Türen öffneten sich erneut, es wurden noch mehr Menschen hineingezwängt. Der Druck nahm zu, die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst. Gierig schnappte ich nach Sauerstoff. Hinter mir zappelte Shoyo. Er schaffte es, sich umzudrehen, uns etwas mehr Platz zu verschaffen, und lehnte seinen Kopf gegen meinen Hinterkopf.

„Sorry, Mikachen, geht nicht anders."

„Schon ok", beruhigte ich ihn, immerhin war er mein bester Freund.

„Ist es nicht", unterbrach uns Tobio und sorgte dafür, dass wir beide lachen mussten.

Als die Türen das nächste Mal geöffnet wurden, waren wir dankbar, zu den Personen zu gehören, die aussteigen durften.

Wir genossen den Wind, der uns um die Beine strich und den ersten Geruch nach Schnee mit sich brachte. Kuroo und Bokuto blödelten hinter uns herum. Kenma unterhielt sich mit Shoyo. Tobio und ich liefen stillschweigend nebeneinander her. Meine Hand tief in Tobios Mantel vergraben, unsere Finger ineinander verschränkt. Das Kribbeln in meinem Bauch schenkte mir Wärme.

Die Einkaufspassage lag direkt vor uns. Als ich jünger war, war ich mit meinen Eltern häufiger hier gewesen. Die Geschäfte im Inneren versprachen Freude und lockten mit ihren bunten Schaufenstern.

Shoyos Augen glänzten vor Aufregung. Sogar in Kenmas sonst so klarem Blick erwachte ein Strahlen.

„Schau mal!", brüllte Shoyo und zerrte Kenma bereits am Ärmel hinter sich her ins erste Geschäft. Die Wände waren überhäuft mit Computerspielen, Handyhüllen, Stofftieren, Konsolen und unzähligen anderen Dingen.

Unentschlossen blieben Tobio und ich vor dem Fenster stehen und beobachteten die beiden, wie sie aufgeregt durch die Regale hindurchwuselten.

„Möchtest du rein?", wollte Tobio von mir wissen.

Ich zuckte mit den Schultern. Fragend sah ich meinen Freund an.

„Ihr Turteltäubchen versperrt den Eingang", neckte uns Kuroo bereits, ehe er sich an uns vorbeischob.

Bokuto lehnte sich direkt neben uns an die Wand, gespannt, was wir als Nächstes tun würden.

Verunsichert zog ich an Tobios Hand, Hauptsache raus aus Bokutos Blickfeld.

Wir gingen an einigen Regalen vorbei und blieben schließlich vor Tassen, Müslischüsseln und anderen, mit Manga- und Animefiguren bedrucktem Geschirr stehen.

„Warum musste er mitkommen?", beschwerte sich Tobio kaum hörbar.

„Ach komm schon, so schlimm ist er nicht", versuchte ich, ihn zu beruhigen und es mir gleichzeitig ebenfalls einzureden.

Seine Miene war finster. Er hielt Ausschau nach dem Unruhestifter. Ich legte beide Hände an seine warmen Wangen und forderte seine Aufmerksamkeit. Bereitwillig kam er mir entgegen, doch bevor ich ihm einen Kuss stehlen konnte, rannten zwei Kinder kreischend an uns vorbei. Sie bekämpften sich mit Plastik-Laserschwertern. Gefährlich knapp sausten ihre Waffen an den Gläsern vorbei. Wir ergriffen die Flucht und entschieden uns, außerhalb der Schlacht auf unsere Gruppenmitglieder zu warten.

Wenig später kamen sie, mit Tüten in den Händen, aus dem Laden.

„Habt ihr Hunger?", fragte Bokuto in die Runde. Er hatte bereits einen Imbiss ins Auge gefasst.

Zustimmendes Nicken.

Geduldig warteten wir an der Schlange, um unsere Bestellung aufzugeben, bevor wir uns zwischen den anderen Schülern Plätze suchten. An einem Tisch im hinteren Eck stand jemand auf und wank uns zu. Es war Tanaka. Er saß mit Yamamoto, Nishinoya und Yaku, dem Libero der Nekoma, zusammen.

„Setzt euch doch zu uns, wir rutschen noch etwas zusammen, dann geht das schon." Er zog mich mit auf die volle Bank, während er die Jacken und Einkaufstüten neben mich stellte.

Tobio schmollte kurz, als er feststellen musste, dass der Platz neben mir somit besetzt war. Er wollte nach der nächstgelegenen Stuhllehne greifen, doch Shoyo ließ sich bereits darauf fallen.

Ein wütendes Flackern entfachte in seinen Augen, missmutig ging er um den Tisch herum.

Das Essen wurde an unseren Tisch gebracht. Nach den winterlichen Temperaturen und der Aufregung schenkte es uns die wohltuende Stärke, um uns die nächsten Stunden auf Trab zu halten.

Immer wieder wurde mein Blick zu meinem Freund gezogen und jedes Mal musste ich lächeln. Kaum zu glauben, dass ein so finster dreinblickender Kerl in meinen Augen so schön war.

„Du bist doch dabei, oder?" Tanaka hatte plötzlich nach meinen Händen gegriffen und starrte mich erwartungsvoll an.

„Wo dabei?" Unauffällig versuchte ich, meine Finger aus seinem Klammergriff zu entziehen. Versunken in meine Schwärmerei für unseren Zuspieler hatte ich nicht mitbekommen, dass sie mich in ihr Gespräch mit einbezogen hatten.

„Tanzen!"

Und schon wurde ich auf die Füße gerissen, es gab keinEntkommen aus Ryus Halt und wenn ich ehrlich war, freute ich mich auf denZeitvertreib. Ein letzter Blick über die Schulter zeigte mir, dass dierestlichen Jungs unsere Taschen packten und uns folgten. Tobios Lippen zu einergrimmigen Linie verzogen.

Nicht genug (Kageyama x OC) | Haikyuu Fanfiction | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt