Senna Quince 2 | Kapitel 10

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Ich war erschöpfter, als ich geglaubt hätte, als ich nach oben, in mein Zimmer ging. 
Annie war als ersten in ihrem verschwunden und würde sicherlich schon tief und fest schlafen. Auch mein Vater war in sein Zimmer gegangen, ehe ich die Treppe erklommen hatte, jedoch lag sein Zimmer im Erdgeschoss, weil sein Schlafplatz auch bei unserem Haus immer unten gewesen war. Seine eigenen Eltern waren gestorben, als ihr Haus abbrannte. Da ihr Zimmer oben gewesen war, hatten sie es nicht herausgeschafft. Seitdem wollte auch mein Vater nicht mehr in oberen Geschossen schlafen wollen, auch wenn meine Mutter dies lächerlich fand und darauf bestand, dass zumindest ich oben bleiben durfte. 
Gleichzeitig hatte hier jedoch so jeder seinen eigenen Freiraum, weswegen es mir sogar weniger ausmachte, das er da war, als ich gedacht hätte. 
Wir hatten noch eine ganze Weile, nachdem die Interviews vorbei waren, geredet, auch wenn wir die Spiele, und alles was danach kam, weggelassen hatten. Eher hatten wir über die Zeit geredet, in der meine Mutter noch gelebt hatte und keiner von uns irgendwie belastet war. Damals waren wir wirklich glücklich gewesen. 
Vielleicht waren es die Erinnerungen daran, die mich nun doch so erschöpft hatten, als ich mich seufzend auf das Bett setzte und die Augen schloss. 
In meinem Kopf herrschte nie wirklich Ruhe und ich hatte nur mit purer Willenskraft Maze ignorieren können, der während dem Gespräch mit meinem Vater fast vorwurfsvoll zu mir geschaut hatte. 
Eigentlich sollte er hier sitzen und daran zurück denken, als sein Leben noch glücklich gewesen war. Er sollte mit Finnick im Pool schwimmen oder auf das Meer blicken. 
Ich spürte mein Hirngespinst neben mir und wusste, ohne hinzusehen, dass es Tway war, weswegen ich die Augen geschlossen hielt. Seinen Blick konnte ich noch weniger ertragen, besonders, da er mittlerweile irgendwo zwischen Wut und Enttäuschung lag, besonders wenn Tarek bei mir war. Gleichzeitig zeigte mir jedoch genau dies, dass ich mir die Jungs nur einbildete. 
Vielleicht hatte ich Tway nicht gut gekannt aber er wäre froh, wenn ich trotzdem weiterleben würde und nicht nur in der Vergangenheit lebte. 
...Oder? 
Würde Maze damit zufrieden sein, dass ich irgendwann über ihn reden könnte, ohne den Schmerz der Schuldgefühle oder wäre er wirklich entrüstet darüber, wie mein Hirngespinst? 
Tways nicht reale Hand legte sich auf meine Schulter und ich bereitete mich auf irgendwelche Vorwürfe von ihm vor aber er sagte etwas anderes, fast noch verstörenderes.
„Jemand kommt.“ 
Diese zwei Worte waren alles und doch reichten sie aus, um das Adrenalin in meine Adern zu jagen. 
Als ich ein unglaublich leises, aber verdächtiges knacken am offenen Fenster hörte, zögerte ich keine Sekunde. 
Wie von alleine schlossen sich meine Finger um den Dolch, der immer neben meinem Bett lag und ohne dem ich nicht schlafen ging, ehe ich schnell und doch leise aufsprang. 
Mit vier Schritten, die ich so schnell wie möglich hinter mich brachte, war ich beim Fenster und zog den Eindringling kraftvoll nach oben, wobei er aus Schock und Reflex, sich mehr selber in mein Zimmer wuchtete, als das ich ihn hochzog. Trotzdem reichte sein Schwung, dass er der Länge nach aufschlug und ich über ihn zum stehen kam. 
Der Dolch war nur Millimeter von seiner Kehle entfernt, als er mich mit erschrockenen Blick ansah. 
„Tarek?“, keuchte ich ebenfalls nervös, zog den Dolch aber sofort ein wenig von seinem Hals weg. 
Jedoch ließ ich nicht von ihm ab, da ich einfach zu verwirrt war. 
„Senna.“, stellte er fest und schien sich ein Grinsen unterdrücken zu müssen. 
„Was soll das?“
„Ich wollte sehen, ob bei dir alles okay ist.“, gestand er, wobei sein Blick immer wieder zum Dolch glitt, „Die Morde schienen dich ziemlich mit zu nehmen.“ 
„Und deswegen kletterst du an meiner Hauswand nach oben, um in mein Schlafzimmer zu kommen?“, verstand ich immer noch nicht wirklich, warum er das getan hatte. 
Kannte er keine Haustür? 
„Dein Vater schien mich nicht wirklich zu mögen.“, antwortete er brav und nun konnte ich mir nur gerade so ein Lachen verkneifen.
„Du brichst also in das Haus eines Siegers, der bekannt dafür ist, dass er andere Jugendliche umgebracht hat, ohne zu zögern, ein, weil du Angst vor ihrem Vater hast?“ , fasste ich schmunzelnd zusammen. 
„Wenn du es so sagst, klingt es wirklich ein wenig dämlich.“, stimmte Tarek zu und ich schüttelte den Kopf. 
Jedoch nutze Tarek dies aus. 
Mit einer Geschwindigkeit, die ich ihm immer noch nicht zutraute, umfasste er mein Handgelenk fest aber nicht schmerzhaft, eher er mich im nächsten Moment auch schon aus dem Gleichgewicht brach. 
Ehe ich mich versah, war ich diejenige, die am Boden lag, und er über mir, meine Hand mit dem Dolch nutzlos an den Boden gepinnt. 
„Aber ich kann mich auch verteidigen.“, erinnerte Tarek mich grinsend. 
„Schön“, stellte ich nervös fest, da es mir unangenehm war, so gefangen zu sein. 
Nicht weil es Tarek war, einfach weil es mich an meine Verwundbarkeit erinnerte. An die Verwundbarkeit, die mich fast mein Leben gekostet hatte. 
Tarek schien es zu merken, da er mich los ließ. Ich versuchte dagegen anzukämpfen, aber ich rutschte sofort von ihm ab, auch wenn sein Blick kurz einen Moment traurig wurde. 
„Tut mir Leid.“, brachte ich deswegen schnell hervor, was ihn nicken ließ. 
Ich konnte sehen, dass er mir nicht glaubte und ich konnte es ihm nicht verübeln. 
„Schon gut. War dumm von mir.“, brachte er hervor und lachte bitter auf, „Darin schein ich gut zu sein.“ 
„Das ist nicht deine Schuld Tarek.“, versuchte ich es ihm zu erklären, auch wenn ich noch nie mit jemanden wirklich darüber geredet hatte. Doch ich hatte das Gefühl, es ihm schuldig zu sein, „Die Arena... es ist anders als man denkt... Es im Fernsehen zu sehen und es zu erleben, ist etwas ganz anderes. Die Dinge... die man dort sieht, tut und fühlt... sie verändern einen.“
Fast schien es, als wenn Tarek mich kurz dankbar anlächelte, ehe seine Gesichtzüge wieder leicht angespannt wurden. 
„Ich lass dich dann wohl lieber wieder allein.“, meinte er und stand auf. 
Er war schon fast beim Fenster angekommen, als ich so etwas wie Angst darüber verspürte, dass er wegging. 
„Tarek.“, hielt ich ihn deswegen auf, wodurch er wieder zu mir blickte, „Ich … also ehrlich gesagt...“, ich seufzte. Das war schwieriger, als ich gedacht hätte, „Ich bin wohl ziemlich kaputt aber ja, die Morde machen mir Angst. Besonders weil ich befürchte, dass jemanden etwas passiert, den ich mag.“
„Finnick ist nicht hier und Annie, wie dein Vater, liegen in ihren Betten.“, kommentierte er sofort beruhigend. 
„Du aber nicht.“, gestand ich und sein Blick wurde eher der eines Hundewelpen, der zum ersten mal ins einem Leben einen Knochen sah. 
„Ich … also...“, stammelte er los, weswegen ich ihm zur Hilfe eilte, auch wenn ich nicht wusste, woher es wirklich kam. 
„Kannst du hier bleiben?“
Ich ignorierte Tways Schnauben und schaute nur Tarek an, der mich kurz verwirrt anblickte, ehe ein Lächeln seine Lippen umspielte. 
„Sicher.“, meinte er, ehe er sich räusperte, „Ich meine, sehr gerne. Wenn dir das hilft.“
Lächelnd ging ich wieder zum Bett und legte den Dolch an seinen Platz, ehe ich mich zudeckte. 
Ich blickte zu Tarek, der immer noch etwas unentschlossen beim Fenster stand. 
Ehe er sich jedoch noch einfach auf dem Boden zusammen rollte, setzte ich mich wieder auf. 
„Jetzt komm schon her!“, bestimmte ich, „Das Bett ist groß genug für wahrscheinlich vier Leute.“
Einen Moment zögerte er noch, doch dann trottete er um das Bett herum, ehe er sich neben mich legte und aufseufzte. 
„Gott ist das weich.“, stellte er fest und erneut musste ich darüber schmunzeln, ehe ich mich fragte, in wessen Umständen er normalerweise lebte. 
Ich konnte jedoch nicht darüber nachdenken, da er in dem Moment lächelnd zu mir blickte und ich in seinen blauen Augen versank. 
„Danke.“, meinte er und ich lächelte ihn an. 
„Ich danke dir.“, gestand ich und rückte noch ein wenig näher zu ihm, wobei ich darauf achtete, ihn nicht zu berühren. 
Ihm schien es ähnlich zu gehen, da er sich ebenfalls zu mir drehte, ehe ich meine Augen schloss, ohne Tway noch einmal zu sehen. Fast schon friedlich schlief ich ein. 
Das letzte, was ich spürte war, wie sich seine Hand sanft auf meine legte.

Senna Quince 2 | Leben danach...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt