(2) Eine Zehn

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Wir saßen natürlich immer noch nebeneinander und obwohl bei uns längst nicht alles im Lot war, konnten wir jetzt zumindest wieder miteinander im Unterricht arbeiten: Während den Gruppen- oder Partneraufgaben sprachen wir ruhig und respektvoll, beschränkten uns dabei aber auf das Nötigste. Sowohl von ihrer als auch von meiner Seite.

Ich beging nicht noch einmal den Fehler, mich in ihre Angelegenheiten einzumischen oder ungefragt meine Mei-nung kundzutun. Zumal, wenn N/N mit Miyaka redete, die Mädchen ihre Gespräche nach draußen auf den Flur verlegten. Erst dachte ich mir nichts dabei, aber es wurde auffällig, da sie es immer taten, sobald ich mich in der Nähe befand. Vor allem als Miyaka einmal etwas lauter ge-sprochen und daraufhin von meiner Sitznachbarin ange-mahnt wurde, den Klassenraum zu verlassen. N/Ns strenger Blick galt dabei mir, nicht ihr. Doch auch das nahm ich hin.

Klar, fand ich es schade und ermüdend, aber wer war ich für sie, dass ich mir darum einen Kopf machen müsste?

Richtig. Niemand.

Wir waren beide verdammt vorsichtig, dass es nicht noch einmal zu solch einer peinlichen Auseinandersetzung käme. Für sie mochte es vielleicht nur die Situation gewesen sein, wie wir uns angefaucht hatten und respektlos behandelten. Oder dass sie sich überhaupt aufgeregt hatte, wo sie in der Klasse immer gelassen wirkte.

Für mich blieb es allerdings ein Rätsel, was in sie gefahren war, dass sie erst ausrastete, auf stumm schaltete und dann plötzlich vor meinen Augen fast zu weinen anfing. Dieses letzte Bild ging mir nicht aus dem Kopf...

Beim Training hingegen drehte N/N richtig auf, als wäre nichts gewesen: Man hörte ihr lautes, freudiges Jubeln, wenn ihre Mannschaft punktete und ihre motivierenden Rufe, wenn es danebenging. Das breite Lächeln bei einem „Don't mind". So ausgelassen lachend, so viel Freude zei-gend. Voller Elan. Nicht klein zu kriegen.

Sie schien regelrecht über das Feld zu fliegen und schmetterte dem gegnerischen Team einen Ball nach dem anderen um die Ohren. Und ja, sie war wirklich ins A-Team aufgenommen, in dessen Konstellation das Zusammenspiel für die kommenden Turniere geübt wurde!

N/N war die einzige Erstklässlerin unter ihnen, und das fiel natürlich auf: Das junge Vogelbaby, welches gerade erst lernte, die Flügel auszubreiten, und jetzt bereits unter den Großen akzeptiert wurde, solange sie sich anstrengte und Mühe gab. Das tat sie natürlich.

Ein bisschen zog es meine Laune runter, diese Gegen-sätzlichkeit in ihrer Person mitansehen zu müssen. Dass sie bei mir am liebsten schweigen wollte und eine Miene wie sieben Tage Regenwetter zog, während sie bei ihrer Mann-schaft lachte und rote Wangen bekam.

Es nagte an mir, dass sie mir nur die kalte Schulter zeigte.

Es nagte an mir, dass ich nicht auch die fröhliche Seite kennenlernen durfte. Dass ich's vergeigt hatte.

Ich wollte sie nicht als potenzielle Freundin kennenlernen oder so... aber N/N war mir sympathisch erschienen. Und deswegen ärgerte es mich! Dass ich mit einem einzigen Satz bei ihr verschissen hatte... oder auch mit mehreren Sätzen. Aber das tat nichts mehr zur Sache.

„N/N-san ist echt süß", bemerkte Yakkun neben mir, als wir die Bälle aufpumpten und ich eine weitere Runde in meinem Gedankenkarussell gefahren bin.

Ich sah zu ihm auf, wurde Zeuge von seinem breiten Grinsen, als er in Richtung der Mädchen schaute, die gerade das abschließende Stretching absolvierten. Sie saßen auf dem Boden im Grätschsitz und zogen sich zu zweit an den Händen abwechselnd nach vorne. Die Innenseite der Oberschenkel dehnend. Drei... zwei... eins...

„Aber eigentlich mag ich Mädchen mit kurzen Haaren."

Na bitte. Steilvorlage, um drauf einzusteigen. „Weil du keinen Geschmack hast", murrte ich und starrte meine Sitznachbarin jetzt ebenso an, wie sie ein bisschen das Gesicht verzog, weil das Dehnen natürlich schmerzte.

Katze & Schwalbe - (B-Side: Kuroo Tetsurou)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt