Vögelchen

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Gefühlt saß der Joker nun schon den halben Tag in diesem kleinen Raum und wartete, und wartete, und wartete...worauf auch immer. Gott und die Welt. Hänsel und Gretel. Sodom und Gomorra.
Höchstwahrscheinlich würde jeden Moment einer der Wachleute hereinkommen, um ihm voller Bedauern zu erzählen, dass er ihn nun windelweich prügeln müsste und danach in seine eigene Gummizelle sperren würde.
Sollten sie nur kommen, dachte er sich, ihm stand schon lange der Sinn nach ein wenig Abwechslung. Denn langsam aber sicher wurde es ein wenig öde. Die Angestellten hier in Arkham, schienen auch nicht mehr das zu sein, was sie einmal gewesen waren. Kaum einer der Wärter, geschweige denn der Therapeuten, wagte es ihn anzusehen. Sobald sie mit ihm in einem Raum waren, senkten sie nervös die Blicke.
Alle keinen Mumm mehr in den Knochen, dachte der Joker grinsend, als seine Gedanken zu der einzigen Person schweiften, die ihren Blick nicht abgewandt hatte. Doch der grandiose Witz an der Sache? Sie konnte ihn nicht einmal sehen. Er lachte leise vor sich hin, das Geräusch schlängelte sich wie ein hungriges Reptil durch den Raum.

Als sich die Tür schließlich öffnete, trat weder einer der Wachmänner, noch Dr. Arkham persönlich ein, sondern überraschenderweise die kleine blinde Therapeutin.
,,Tut mir Leid, dass Sie solange warten mussten, aber Dr. Arkham wollte mich nicht in ihre Nähe lassen. Es hat ein wenig gedauert, ihn vom Gegenteil zu überzeugen'', erklärte sie ein wenig verlegen, als wäre der Umstand dass er hier saß allein ihre Schuld. ,,Naja, wie dem auch sei, jetzt bin ich ja hier und gehe davon aus, dass ihre Wunde noch nicht vollkommen versorgt wurde, oder?'' Der Joker rollte seine linke Schulter, ließ den Schmerz auf sich wirken, der in seinem Fleisch brannte. Sie hatte recht, die Kugel war zwar bereits entfernt worden, aber das Einschussloch nur notdürftig geflickt. ,,Darf ich?'', fragte sie und hielt kurz den kleinen Verbandskasten, den sie in der Hand hielt, in die Höhe.
Die Handschellen, die der Joker anstelle einer Zwangsjacke trug, gaben ein klingendes Geräusch von sich, als er sich lässiger in seinem Stuhl zurecht setzte.
,,Kannst du denn damit umgehen, Schätzchen?'', stellte er voller Hohn in Frage. ,,Bei deiner, sagen wir mal Einschränkung wäre ich mir da nicht so sicher. Ich an deiner Stelle wäre lieber ein wenig vorsichtig damit, nicht das du dir noch ganz. Aus.Versehen. weh tust.''

Voller Entzückung konnte er feststellen, dass ihre blassen Wangen erröteten.

Sie war so leicht aus der Fassung zu bringen, man musste nur die richtigen Knöpfe finden und dem Clown. machte es einen Heidenspaß sie zu drücken.

Es kostete sie einiges an Überwindung nicht schon wieder auf seine Provokation einzugehen. Stattdessen atmetet sie tief durch und entgegnete:
,,Ich möchte nicht streiten. Wenn Sie nicht möchten, dann werde ich es natürlich nicht tun, aber Ich versichere Ihnen, dass ich es kann...Also?''
Der Joker musterte sie von Kopf bis Fuß.

Sie ist wirklich winzig, schoss es ihm durch den Kopf. Klein wie ein Vögelchen.
,,Na dann'', säuselte er. ,,Tu' dir keinen Zwang an.''
Komm, kleine Alice, hinab und durch den Hasenbau, hinein ins Wunderland.
Die Angesprochene nickte kurz, platziert den Verbandskasten auf den Tisch und den Stuhl, der ihm gegenüber gestanden hatte, direkt neben ihm, bevor sie Platz nahm. Sie strich ihr Haar hinters Ohr, bevor sie durch ertasten die Utensilien zusammen suchte, die sie benötigte. Sie kräuselte die Nase, als sie an dem Desinfektionsmittel roch.
,,Ich denke, dass wird gleich ziemlich brennen'', warnte sie ihn vor, beträufelte ein großes Wattepad mit der beißenden Lösung und betupfte die Wunde behutsam.
Der Joker verzog keine Miene, auch dann nicht, als sie die Nadel ansetzte und durch sein Fleisch stach. Sie arbeitete langsam und sorgfältig, äußerst bedacht darauf ihm keine unnötigen Schmerzen zuzufügen. Die Stille, die zwischen ihnen beiden herrschte, störte den Joker nicht. Er war vollends damit beschäftigt, Alice zu beobachten.

,,Ich wollte mich bei Ihnen bedanken'', wisperte e nach einigen Minuten, als sie den Faden ein letzten Mal lang zog. ,,Auch wenn ich die Brutalität ihres Handelns nicht gut heißen kann, wollte ich Ihnen dennoch dafür danken, dass Sie mich schützten und vielleicht vor schlimmerem bewahrt haben. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Sie nicht eingegriffen hätten.''
,,Woher willst du wissen, dass ich es war?''
,,Ihr Geruch'', erklärte sie umgehend. ,,Jeder Mensch hat einen eigenen ganz individuellen Geruch. Bei Ihnen sind es verschiedene. Talkum wie es bei Theaterschminke zu finden ist. Haarfärbemittel. Aber der hervorstechendste ist Kerosin. Sie duften nach Benzin.''
Der ungeschminkte Mann kicherte leise vor sich hin.

DämmerungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt