Amnesie

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Eine Woche später…

Charlottes Sicht:
Heute ist Frederiks Unfall schon drei Monate her. Es kommt mir vor, als wäre ich schon seit drei Jahren alleine. Ich vermisse meinen Freddy sehr. Mittlerweile atmet er komplett selbstständig und wenn ich ihn im Krankenhausbett so liegen sehe, sieht es so aus, als hätte er sich nach einer anstrengenden Schicht zum Schlafen hingelegt. Dem ist aber leider nicht so. Wir alle warten gespannt darauf, dass er endlich aufwacht, was jeden Tag der Fall sein kann. Darum möchte ich so wenig wie möglich Zeit verlieren, um ihn in der Klinik zu besuchen. Erst muss ich Levi aber abholen. Aktuell bleibt er nur bis ca. 12 Uhr in der Krippe und ich muss sagen, dass es wirklich Wirkung zeigt und Levi gut tut, nicht so lange von mir getrennt zu sein. Er ist wieder ein wenig fröhlicher. Zusammen fahren wir dann in die Klinik und dort passt dann Birgit auf Levi und Lola auf. Das funktioniert echt gut.
Wenn ich bei Frederik bin, spreche ich mit ihm und erzähle ihm so was alles passiert. Man kann ja nicht wissen, ob er das nicht doch mitbekommt. Vielleicht tut es ihm ja gut.
Ich halte die ganze Zeit seine Hand und merke auf einmal, dass meine Hand leicht gedrückt wird. Ich schaue zu Frederik und sehe, dass er die Augen öffnet.

„Frederik, Schatz? Schau mich mal an!“, sage ich und kann mein Glück kaum fassen.

Ich gehe kurz zur Türe und rufe einen Kollegen. Heute ist das zufälligerweise Oliver.

„Olli, Frederik ist wach.“
„Ne, echt?“
„Ja, er hat eben meine Hand gedrückt und die Augen auf gemacht“, sage ich und Oliver guckt ganz verwundert.

Dann untersucht er Frederik kurz und spricht mit ihm.

„Frederik, kannst du mir sagen, wo du hier bist?“, fragt Oliver
„Sieht nach Krankenhaus aus.“, antwortet Frederik leise. Es tut so gut seine Stimme zu hören.
„Weißt du auch, was passiert ist?“
Frederik schüttelt den Kopf.
„Was ist denn das letzte woran du dich erinnerst?“
„Ich habe doch gestern Kartons gepackt, weil ich in eine größere Wohnung ziehen will.“
„Kannst du mir vielleicht auch sagen, welches Jahr wir haben?“
„20xy, antwortet Frederik.

„Charlotte, komm mal bitte mit nach draußen.“, sagt Oliver zu mir.

Dass Frederik gesagt hat, dass wir 20xy haben macht mit Angst. Ihm scheinen quasi die letzten sechs Jahre zu fehlen.

„Charlotte, denkst du was ich denke?“, fragt mich Oliver
„Meinst du auch, dass er eine Amnesie hat?“
„Ja.“
„Und was machen wir jetzt?“, frage ich und bin total verzweifelt. Ich bin gerade echt angespannt.
„Wir müssen abwarten. Die Amnesie wird sich sicherlich wieder zurückbilden. Mach dir nicht so viele Sorgen.“

Das sagt der so einfach. Wenn Frederik wirklich die letzten sechs Jahre fehlen sollten, wird er sich weder an unsere Beziehung, noch an unsere Kinder erinnern können. Wie soll ich es ihnen denn beibringen.
„Joa, der Papa hat uns vergessen.“, oder wie? Ich merke, wie sich so langsam Panik breit macht. Dann gehe ich wieder zurück in sein Zimmer.

„Wer sind Sie eigentlich?“, fragt er mich schließlich und meine Befürchtungen scheinen wahr zu werden.
„Ich bin es doch. Charlotte, deine Frau.“
„Meine Frau? Ich bin doch gar nicht verheiratet.“
„Doch, mit mir.“
„Warte mal, bist du nicht die Charlotte von der Party damals? Die „I want it that way“ mitgesungen hat?“
„Doch.“
„Und wir sind verheiratet?“
„Ja, seit über fünf Jahren.“

Dann beginnt er auf einmal zu hyperventilieren und Oliver kommt wieder rein und schickt mich nach draußen.
Hat mich mein eigener Ehemann wirklich vergessen? Ist das gerade wirklich passiert? Hatte er gerade echt eine Panikattacke, weil ich ihm erzählt habe, dass wir verheiratet sind?“

Olivers Sicht:
Nachdem ich Frederik stabilisiert hatte gehe ich zu Charlotte auf den Flur. Ich sehe, dass es für sie wohl eine sehr schlimme Situation ist. Ich kann es verstehen, würde meine Frau so reagieren wäre ich auch überfordert.

„Hey, Charlotte. Versuch ein wenig die Ruhe zu bewahren, ich weiß, das ist jetzt sehr schwer.“, sage ich.
„Wie soll ich denn jetzt Ruhe bewahren?“
„Ja okay, leichter gesagt, als getan. Aber bald wird er sich erinnern können und dann wird alles wieder gut. Ich verspreche es dir!“
„Ich hoffe es. Ich kann doch nicht mehr ohne ihn.“, sagt sie und kann gar nicht mehr aufhören zu weinen.

Birgits Sicht:
Ich spiele gerade ein bisschen mit Levi und ein paar anderen Kindern als Charlotte zu mir kommt. Sie weint aber. Ich ahne nichts gutes.

„Charlotte, was ist passiert?“, frage ich.
„Frederik ist wach.“, sagt sie. Sie stottert ein bisschen, weil sie nicht gleichzeitig weinen und reden kann.
„Aber das ist doch gut.“
„Ihm fehlen die letzten sechs Jahre. Dann habe ich ihm erzählt, dass wir verheiratet sind und er hatte eine Panikattacke.“
„Oh je, das ist gar nicht gut.“
Sie nickt.
„Und jetzt?“, frage ich.
Charlotte zuckt mit den Schultern.

Die Arme, jetzt dachte sie, es würde endlich alles wieder gut werden und dann das.

Charlottes Sicht:
Ich kann heute nicht mehr zu Frederik rein, ich glaube , das ist keine gute Idee. Deswegen fahre ich mit Levi und Lola erst Malia abholen und dann nach Hause. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, denn davon sollen die Kinder echt nichts merken. Nach dem Abendessen bringe ich die Kinder ins Bett und setzte mich mit einem Fotoalbum ins Bett. Ich schaue mir die Fotos an von dem Betriebsausflug, auf dem wir unsere Beziehung öffentlich gemacht haben, die Bilder von unserer Hochzeit und auch von den Geburten der Kinder. Nie hatten wir einen großen Streit oder so, wirklich gar nichts. Und jetzt? Er kann sich an keines dieser schönen Ereignisse erinnern. Was ist, wenn er nie wieder an uns erinnern kann und sich dann in eine andere Frau verliebt? Ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Ich will meinen Frederik zurück…

Die Geschichte von Team EngelhauserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt