Kapitel 7

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Emma

Erschöpft ließ ich mich zusammen mit Linda auf die letzten gepackten Kartons fallen und starrte auf das Chaos in meiner Wohnung. Den ganzen Tag waren wir damit beschäftigt meinen Kram zusammenzupacken, dabei dachte ich immer ich hätte gar nicht so viel davon. „Dein ganzes Leben in diesen paar Kisten", meinte Linda und legte ihren Arm um meine Schulter. Seufzend sah ich zu ihr rüber. Wollte ich tatsächlich die Wohnung hinter mir lassen, in der ich so viele Jahre verbracht hatte? Aber du kannst ja jederzeit zurückkommen, sie ist nur vermietet, sprach mir Linda gedanklich gut zu. Stundenlang hatten wir in den letzten Wochen seit Weihnachten darüber beratschlagt, ob ich für diesen Schritt wirklich bereit war. Ob ich bereit war für ein Leben mit Felix. Aber ich hatte hier keine Zukunft, ich befand mich in einer Sackgasse und nur er war mein Weg da raus. Dachte ich jedenfalls. „Na komm, lass uns fertig werden", meinte Linda und klatschte in die Hände. Sie ging zu meiner Dachbodentür und ließ die Treppe herunter. „Wie viel Kram hast du hier oben noch versteckt?", fragte sie lachend und reichte mir einen Karton nach dem anderen herunter. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal hier oben gewesen bin. Wobei...so lange war das gar nicht her. Ich stapelte die Kisten im Flur, während Linda die letzte in die Hand nahm und auf den Boden stellte. Als ich zurück zu ihr kam, hatte sie gerade den Deckel geöffnet und Merch von Wincent heraus gezaubert. Ich starrte sie nur an, während sie das Tourshirt und Wincents Hoodie herauslegte und all unsere Fotos dazu. Scheinbar dachte sie, ich würde sie nicht sehen, sonst hätte sie nie so in meinem Kram rumgewühlt. Ich räusperte mich, dass sie zusammenzuckte. „Mensch, hast du mich erschreckt. Ich wollte nicht, dass du das so siehst. Ich schmeiß das einfach weg, okay?", sprach sie und nahm den Karton in die Hand. Alles in mir sträubte sich dagegen. Jeder Moment mit Wincent zog nochmal an mir vorbei. Ich kann das nicht.

„Warte", rief ich lauter als erwartet und Linda sah mich perplex an. „Ich kann das nicht", murmelte ich und nahm ihr die Sachen aus der Hand. „Ich kann das nicht", sagte ich immer und immer wieder und ich spürte wie ich panisch wurde. Linda kam auf mich zu und versuchte mich zu beruhigen. „Hey...was is los? Was kannst du nicht?", fragte sie und nahm mich in den Arm. Sie drückte mich fest an sich und dann überkamen mich auf einmal meine Gefühle wieder. Meine Tränen rannten in Sturzbächen über meine Wangen und ich brach in ihren Armen zusammen wie damals nach der Trennung von Simon. Ich vergrub mich in Lindas Armen und sie wartete einfach nur geduldig, bis ich mich beruhigt hatte. Sie strich mir über den Rücken und hielt mir ein Taschentuch nach dem anderen hin. Als ich mich beruhigt hatte und mich in der Lage fühlte sie anzusehen, lächelte sie nur. Ich war mir nicht sicher, was mir das sagen sollte, und so musste ich wohl auch geschaut haben. „Guck nicht so, Schatz. Du weißt genauso gut wie ich, dass wir uns das alles hätten sparen können", sagte sie und strich mir über die Wange. So ganz verstand ich nicht, was sie meinte. Aber ich verstand, dass ich auf keinen Fall hier ausziehen, geschweige denn bei Felix einziehen konnte. Urplötzlich sträubte sich alles in mir gegen dieses Gedanken. „Bin ich sehr kompliziert?", fragte ich meine beste Freundin und kauert mich wieder neben ihr zusammen. Sie legte ihren Kopf an meinen und nahm meine Hand. „Ein bisschen vielleicht...", murmelte sie, „ein bisschen".

Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir so dort zusammen saßen, aber irgendwann hielt es Linda wohl nicht mehr aus. Sie holte eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank und hielt sie mir vor die Nase. „Eigentlich wollte ich damit auf deinen neuen Lebensabschnitt anstoßen, aber jetzt nehmen wir halt die Erkenntnis, dass Felix nicht der Richtige für dich ist, als Anlass", sagte sie und prostete mir zu. Sie hatte so Recht. Felix war nicht der Richtige, war er nie und wird er auch nie sein. Ich wusste, dass ich absolut nicht fair gehandelt hatte und ich fühlte mich wirklich schlecht, dass ich solange brauchte um das einzusehen. Wie ich ihm das nun beibringen sollte, wusste ich aber noch gar nicht so genau. „Ich muss mit ihm reden", brachte ich irgendwann raus. Linda war schon dabei, meine Kisten wieder auszuräumen. Sie sah zu mir auf und nickte. „Korrekt, das musst du. Bald sogar. Er wird in nächster Zeit mit dem LKW hier ankommen", meinte sie. Ich sah auf die Uhr. Tatsächlich. „Was sag ich ihm?", fragte ich und sah meine beste Freundin bittend an. Ich hasste diese Situation gerade. Seufzend sah Linda mich an. „Die Wahrheit. Kurz und schmerzlos, alles andere hat er nicht verdient", erwiderte sie und widmete sich dann wieder meinen Kisten. Ich überlegte hin und her, ob ich unten vor dem Haus auf ihn warten sollte, oder ob ich ihn hoch bitten sollte. Aber noch bevor ich mich für eine Variante entscheiden konnte, klingelte es schon an der Tür. Ich betätigte den Summer und hörte wie Felix schnellen Schrittes die Treppe hoch kam. Mir war kotzübel. Aber ich musste das durchziehen. Ich musste da durch.

Freudestrahlend kam er auf mich zu, als ich ihm die Tür öffnete. Er schob sich an mir vorbei in meine Wohnung und blieb abrupt stehen, als er Linda entdeckte. „Was machst du denn? Du musst einpacken, nicht auspacken", lachte er und wollte sich schon einen der Kartons schnappen, als ich ihn aufhielt. Fragend sah er mich an und ich hasste mich noch mehr in diesem Augenblick. „Was ist los?", fragte er unsicher. Ihm war sofort klargeworden, dass hier irgendwas nicht stimmte. Gedanklich legte ich mir meine Worte zurecht, aber egal, wie ich es sagte, es fühlte sich furchtbar an. „Hör zu", begann ich und nahm seine Hand. „Es tut mir leid, aber ich kann nicht mit dir mitkommen", brach es fast schon aus mir raus und ein riesiger Stein fiel von meinem Herzen. Es war raus. Und es war gar nicht so schlimm. Dachte ich zumindest so lange, bis ich Felix in die Augen sah. „Was meinst du damit, du kannst nicht mitkommen?", fragte er. Mach es mir doch nicht noch schwerer, als es eh schon ist, dachte ich. Aber das hatte ich wohl verdient. Er hatte absolut keine Ahnung. Suchend blickte ich an ihm vorbei zu Linda, die sich schnell auf meinen Balkon verkrümelte- na danke auch. Aber ja, mir war schon klar, dass ich da alleine durch musste. Ich atmete tief durch und versuchte mich an einer Entschuldigung. „Es tut mir leid, Felix. Ich kann das nicht. Ich kann nicht mit dir nach Hamburg kommen", murmelte ich. Er sah mich immer noch an und hatte keinen Plan, was hier vor sich ging. Er überlegte wohl noch, ob das ein Scherz sein könnte. Pure Unsicherheit stand in seinem Blick. „Ist dir Hamburg doch zu groß? Warum hast du denn nichts gesagt? Ich wäre doch auch bereit gewesen mit dir hier zu bleiben", redete er auf mich ein und kam auf mich zu.

Herrgott, war er so schwer von Begriff? Ich schob ihn von mir weg, in der Hoffnung er würde besser verstehen. „Es liegt nicht an Hamburg...", begann ich nochmal. „Es liegt an mir." So langsam schien es bei Felix anzukommen, was ich versuchte ihm hier mitzuteilen. „Was meinst du damit?", fragte er nach und mich machte diese Fragerei wahnsinnig. Scheinbar würde er es erst verstehen, wenn ich es knallhart ausgesprochen hatte. Ich seufzte laut auf. 

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