Kapitel 1

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Schweigend und erschöpft kehrten Joey und Chandler in ihre Wohnung zurück. Eine schwere Stille lastete über ihnen, und obwohl Joey Phoebes Glauben an Auras eher skeptisch gegenüber stand, glaubte er nun zu wissen, was sie meinte. Er konnte Chandler fühlen, alles an Chandler und um ihn herum wirkte traurig, einsam. Kaputt. Er drehte sich um, seine Augen begegneten Joeys und Joey verlor den Boden unter den Füßen. Er hatte Chandler noch nie so gesehen. Seine Augen wirkten geradezu leer, als er eine Schachtel Marlboro aus seiner Hemdtasche zog, langsam eine Zigarette daraus nahm und eine vage und ziellose Handbewegung in Richtung Balkon machte, bevor er die Packung wieder wegsteckte. „ich, äh..." Chandler rieb sich müde den Nacken und hoffte, dss Joey ihn verstehen würde, wenn er nichts mehr weiter sagte. Seine Stimme schien nicht nur zu versagen, es war, als hätte er nie etwas vorher gesagt. Vielleicht auch, als hätte er nie etwas zu sagen gehabt. Chandler drehte sich um und sah seinen Mitbewohner nicht nochmal an, während er schnell Richtung Balkon ging. Etwas rauchen würde nicht helfen, nichts lösen, nichts auch nur im Ansatz besser machen und doch war es das richtige, musste er es tun. Nicht auf eine freiwillige Weise, auch nicht auf eine zwanghafte, eher auf eine selbstverständliche. Fast bei der Balkontür angekommen, rief Joey vorsichtig nach ihm und Chandler drehte sich hastig um. 

Joey rannte fast zu Chandler, als würde dieser gleich zusammenbrechen, seine Schritte viel zu laut (wie Pistolenschüsse, dachte Chandler) in der stummen Wohnung, bevor Joey ihn in eine feste Umarmung zog, seine Arme um Chandler geschlungen und eine Hand schützend in seinen Nacken gelegt. Chandler klammerte sich an Joey. Als würde sein Leben davon abhängen, hielt er den Schwarzhaarigen fest, drückte sein Gesicht in seine warme und geborgene Schulter, während die Stille beide wie eine Decke einhüllte. Erste von vielen Tränen krochen Chandlers Wangen herunter, bis Joeys Schulter sie auffingen. Dieser trennte sich langsam von ihm und hielt nur noch Chandlers Arme, die nun kraftlos herunterhingen fest, bevor er ihm in die Augen sah und die Ehrlichkeit und Schutzlosigkeit in Chandlers Blick Joeys Herz brach. „Erzähl mir. Von deinen Eltern, von der Scheidung. Und heute Abend.", brach Joey die Stille und blickte Chandler auffordernd in die braunen Augen. Chandler schnaubte und senkte den Blick, doch Joey konnte die Funken von Misstrauen und Ablehnung in seinen Augen noch kurz erkennen. „Ich glaube es gibt bessere Gute-Nacht-Geschichten als das für dich Joe, nichts für ungut.", antwortete Chandler spöttisch, schenkte Joey ein falsches, kühles Grinsen und klopfte ihm etwas zu grob auf die Schulter, bevor er sein Feuerzeug aus der Tasche kramte und hinter vorgehaltener Hand seine Zigarette anzündete, ohne Joey noch eines Blickes zu würdigen. „Nein, ich-", sagte Joey nun hastiger, „-ich mein's ernst. Rede mit mir. Bitte, Chandler." „Du würdest es doch eh nicht verstehen. Gerade du nicht.", murmelte Chandler und blickte hinaus in die Stadt, während er tief in Gedanken versunken an seiner Zigarette zog. Joey unterdrückte den starken Drang, aufgrund des Rauches in der kleinen Wohnung zu husten, und versuchte auch die Bestätigung seiner schlimmsten Vermutung herunterzuschlucken, er wusste, dass er oft (immer) als der naivste (dümmste) aus der Gruppe gesehen und wahrscheinlich hinter seinem Rücken verspottet wurde, Menschen sind unvorsichtig (grausam), wenn sie sich unbeobachtet fühlen, aber nun auch noch Chandler? Sein bester Freund? Joey fasste sich ein Herz und ergriff vorsichtig Chandlers Hand. „Dann erklär's mir." Als hätte Joey ihm einen elektrischen Schlag gegeben, zog Chandler seine Hand ruckartig weg und entfernte sich einen Schritt von Joey, bevor er ihm einen feindseligen Blick zuwarf, der Joey das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Ich sagte Nein okay?", sagte Chandler viel zu ruhig und beherrscht (so kenne ich ihn nicht, dachte Joey). Chandler und er hatten schon viel zusammen durchgemacht, viel erlebt, viel gesehn, beide waren sich näher gekommen als nur Freunde das vielleicht sonst tun, und beide hatten sich mehr gestritten als Freunde das vielleicht sonst tun sollten, aber wenn es drauf ankam hatte Chandler immer als erstes zu Joey gehalten und dieser war sich ebenfalls absolut bewusst, dass er für Chandler über Leichen gehen würde. Wahrscheinlich würde er sogar für ihn sterben. Aber in allen Streitereien, Diskussionen, stichelnden Bemerkungen oder sarkastisch verpackten Beleidigungen hatte Chandler Joey sich noch nie so wertlos und dumm fühlen lassen. Und als Chandler jetzt seine fast aufgerauchte Zigarette vor Joeys Füße auf den Boden warf und sie mit einem festen Tritt austrat, bevor er schnell in sein Zimmer ging, ohne Joey noch einen Blick zuzuwerfen, rief dieser ihm nicht mehr nach.

Aus Angst, sein Mitbewohner könnte aus seinem geschlossenen Zimmer wieder herauskommen, ging Joey auch direkt in sein Zimmer, machte so wenig Geräusche wie möglich und lauschte nur in die Dunkelheit hinein, ob aus Chandlers Zimmer irgendwelche Geräusche kamen. Joey wusste selbst nicht, welche das sein könnten, aber er wollte für ihn da sein, wenn er es bräuchte. Auch wenn es Joey nicht so vorkam, saß er mehrere Stunden still auf seinem Bett, ohne sich groß zu bewegen, und lauschte. Etwas sagte ihm, dass Chandler nicht schlafen konnte und so blieb er weiter sitzen und wartete auf ein Zeichen während er über den Abend nachdachte. Chandler war, als Rachel und Ross sich and der Raststätte gestritten hatten, wie ausgewechselt gewesen. Ihn so tanzend und zappelnd vor dem Taxi zu sehen, während er fast beschwörend rief und fragte, was er denn sei, hatte Joey erschrocken und Angst gemacht, riesige Angst.

Plötzlich hörte er ein seltsames Geräusch aus dem Zimmer neben ihm, es klang durch die dünne Wand wie ein unterdrücktes Schreien, gefolgt von hastigem Keuchen. 

Hey, vielen Dank fürs Lesen! Mir würde es wirklich viel bedeuten, wenn du mir einen Kommentar mit deinem Feedback schreibst. Ansonsten, bleibt gespannt wie es weitergeht :/

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 27, 2021 ⏰

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Als Chandler einfach nicht mehr kann.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt