Primrue Mellark 2 | Kapitel 36

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Auch wenn ich es nicht gedacht hätte, aber ich war eindeutig in Nexs Armen eingeschlafen.
Zumindest schreckte ich desorientiert nach oben, als ein Geräusch mich weckte. 
Nexs Arm hielt mich jedoch am Boden, wodurch ich wieder hart auf den Boden aufschlug. 
„Langsam.“, flüsterte er leise hinter mir. „Alles gut.“
„Was war das?“, fragte ich, wobei ich nicht einmal sagen konnte, was „was“ gewesen war. 
Ich war durch etwas geweckt wurden. Die Frage war was.
„Das Geräusch?“, erkundigte sich Nex, „Der Alarm. Ich hab doch gesagt, selbst wenn jemand durch die Fallen kommt, wissen wir bescheid.“
„Ist schon mal jemand durch die Fallen gekommen?“
„Nein.“, gab Nex zurück und er konnte nicht ganz die Besorgnis unterdrücken. „Aber der Alarm geht erst nach den Fallen.“
Ich verstand.
Jemand hatte die Fallen überwunden und war auf den Weg hier her. 
Nex stand geschmeidig hinter mir auf. Endlich von seinem Arm befreit, tat ich es ihm nach, auch wenn ich mir sicher war, dass es bei weitem uneleganter aussah.
„Ihr seit schon wach, gut.“
Nex Stimme ließ mich aufschauen, da mir in der ersten Sekunde nicht klar war, mit wem er redete. 
Cato starrte zu mir zurück. 
Ich konnte seinen Blick nicht deuten aber eins war klar. Er hatte gesehen wie Nex und ich uns einen Schlafsack geteilt hatten. Der andere Mann einen Arm über mich und... mein Blick huschte zu meinen Verbündeten aus dem Kapitol und seinen unbekleideten Rücken... halb nackt. 
Na wunderbar. 
„Cato ich...“, versuchte ich zu beginnen, doch er wand seinen Blick zu Nex.
„Jemand kommt?“, fragte er ruhig und gelassen. Ganz der Soldat, der er eigentlich nie war.
Nex nickte nur.
„Hast du vielleicht was größeres, als dieses Brotmesser?“ 
Cato hielt das Messer, mit den er den anderen Jungen getötet hatte hoch, um zu zeigen, was er meinte.
Wieder nickte Nex nur und kramte in einer versteckten Truhe. Es dauerte nicht lange, ehe er ein Schwert herauszog, was schon eher zu Catos Statur passte und dem anderen Mann zuwarf. 
Cato hingegen fing es einfach aus und testete geübt, wie gut die Waffe ausbalanciert war.
Nach ein paar Schwüngen schien er zufrieden und wand sich an Karlic, der ebenfalls wach und bereit da stand, im Gegensatz zu Cato, mich aber nicht direkt bei Nex gesehen hatte.
Seinen Blick zu urteilen reichte es aber aus, dass ich aus der gleichen Ecke kam und ich konnte mir nur ein frustriertes stöhnen gerade so verkneifen. 
Irgendjemand kam. Jemand, der sogar Nexs Fallen überwunden hatte und diese Männer hatten nichts besseres zu tun, als darüber zu schmollen, weil ich nicht bei ihnen geschlafen hatte?
Nex fragte auch Karlic, der jedoch nur mit den Schultern zuckte.
„Stab.“, erklärte deswegen ich, „Hast du eine Stabwaffe für ihn? Er ist unglaublich damit.“
Während Nex nur nickte und auf die Suche ging, grinste Karlic mich an.
Anscheinend reichte bei ihm ein kleines Kompliment, damit er nicht mehr wütend war.
Ein Blick zu Cato sagte mir jedoch, dass es da nicht so einfach war, aber dafür hatte ich keine Zeit. 
Ich zog selber meine beiden Dolche, ehe ich wieder zu Nex schaute, der gerade Karlic mit einen Stab bewaffnete, der an beiden Seiten in fies aussehende Klingen endete.
Wo hatte er die nur wieder her?
„Und jetzt?“, fragte ich unschlüssig.
„Jetzt“, begann Nex, ehe er Henna zu sich winkte, „warten wir auf den Idioten, der es wagt, hier rein zukommen.“
Das Mädchen folgte sofort seiner Aufforderung, als hätten die beiden es bereits abgesprochen.
Ohne Mühe hob er das Mädchen auf einen höheren Balken, von wo aus sie flink weiter nach oben in die Dunkelheit kletterte.
Perfekt. Dort war sie sicher und niemand würde sie vermuten. Dadurch mussten wir uns keine Sorgen um sie machen.
Auch Nex zog seinen Körper schwungvoll auf einen höheren Balken und positionierte sich dort mit seinem Bogen, was mich ein wenig beruhigte.
Wenn sie nicht gerade alle anderen Tribute mit einander verbündet hatten, hätten sie keine Chance, wenn sie durch den Gang kamen, der hier herein führte.
Trotzdem spürte ich die Anspannung tief in meinen Knochen.
Ein Teil von mir wollte nicht töten und ein anderer, vor dem ich Angst hatte, lechzte gerade zu danach.
Mein Puls wollte sich ängstlich verschnellern, doch da legte Cato seine Hand auf meine Schulter. 
Ich hatte nicht gemerkt wie er näher getreten war, aber seine Nähe tat gut, wie immer. 
Egal was zwischen uns war oder eben nicht, er war jetzt da, wusste was ich brauchte. 
Automatisch beruhigte sich meine Atmung. Das leichte zittern in meinen Händen hörte auf. 
Dankbar sah ich ihn an und er nickte kurz, ehe er die Hand wieder weg nahm und neben mir in Position ging.
Die Sekunden, in denen wir warteten, zogen sich in die Unendlichkeit. Selbst die Klingen in meiner Hand fühlten sich schwer an und ich fragte mich langsam, ob es nicht vielleicht ein Fehlalarm war.
Doch da sah ich Bewegungen im Schatten. 
Eindeutig mehr als einer. 
In der Stille hörte ich regelrecht, wie Nex seinen Bogen spannte, jedoch nicht voreilig schoss, sondern wartete, bis die Gestalten ins Licht kommen würden.
Und in der nächsten Sekunde war ich dafür auch dankbar.
„Nicht schießen!“, rief ich Nex zu und hoffte, dass er mir vertraute. 
„Das wäre wirklich zu freundlich.“, keuchte Shade, der irgendjemanden mit sich schleifte. 
Ich hatte jedoch nur ihn erkannt. Die Art wie er lief, auch wenn es nicht mehr so geschmeidig wie im Kapitol war. 
Er trat mit seiner Last ins Licht und grinste müde.
„Hi. Habt ihr mich vermisst?“, spaßte er, „Kann mir mal jemand mit meinen Freund hier helfen?“
Karlic war der Erste, der reagierte und seine Waffe auf den Boden warf, ehe er zu Shade lief. 
Ich folgte ihn sofort und während der Junge aus Distrikt 9 den anderen Mann übernahm, sackte Shade geschafft in sich zusammen, sodass ich ihn gerade noch auffangen konnte. 
„Was ist passiert? Bist du okay?“, fragte ich besorgt.
„Alles bestens kleine Primrue. Keine Sorge.“, brachte er schwer atmend hervor. „Aaron hatte bloß irgendwie keine Lust mehr zu laufen.“
Erst jetzt schaute ich zu dem anderen Mann der schmerzhaft aufstöhnte. 
„Aaron?“
Der Mann aus Distrikt Drei versuchte mich anzulächeln, als er meine Stimme hörte.
„Primrue...dachte nicht, dass ich dich nochmal sehen.“, brachte er leise hervor.
Auch Cato und die Anderen kamen näher und ich sah, was anscheinend Hennas Spezialität war.
Flink flitze sie in die Dunkelheit, um wenig später mit Verbandssachen zurück zu kommen. 
Ohne Angst oder Abscheu begann sie sich um Aaron zu kümmern. 
„Das sind keine Kampfverletzungen.“, flüsterte sie leise und schaute zu Nex. 
„Nein. Folter.“, brachte dieser als Antwort hervor.
Sein Blick änderte sich und ich fragte mich wieder einmal, was der junge Mann schon alles in seinem Leben durchgemacht hatte. 
Anderes war jedoch wichtiger.
„Was ist passiert?“, wand ich mich wieder an Shade. 
Er wirkte schon wieder fitter. Anscheinend war er wirklich nur erschöpft davon, sich und Aaron durch die Fallen zu bringen. 
„Der Kerl aus Distrikt Eins. Er hatte ihn.“
„War der Meinung ich wüsste wie man hier raus kommt.“, erklärte Aaron und begann zu kichern, wodurch ich ihn verwirrt ansah.
„Schmerzmittel.“, murmelte Henna, ohne aufzusehen, wodurch ich wieder zu Shade schaute.
„Er hat das gemacht?“
„Ja. Bin durch Zufall vorbei gekommen. Dachte mir ich nehm ihn mit.“, versuchte Shade zu spaßen, doch es gelang ihm nicht wirklich.
„Warum?“, bohrte ich nach und Shade zuckte mit den Schultern.
„Er ist wie ein Bruder für Bryony. Konnte ihn doch nicht bei dem Kerl lassen.“
„Ist er tot?“, fragte nun Cato an Shade gewannt. 
Der Mann aus Distrikt Zwei schüttelte den Kopf.
„Keine Ahnung was der ist, aber auf jeden Fall ist er gut. Ich hab ihn nur ein wenig angekratzt und dann Aaron geschnappt. Er ist uns gefolgt, aber nachdem er die Fallen hier unten bemerkt hat, hatte er aufgegeben.“
„Und wie bist du, mit ihm, durchgekommen.“, kam es von Nex, auch wenn sein Blick immer noch wo anders war, dass ich mir langsam begann sorgen zu machen.
„Er ist Ausbilder. Spezialisiert auf Fallen.“, gab Cato als Antwort, worauf Shade nur noch nicken musste. 
Es schien Nex als Antwort zu reichen, da er sich daraufhin wieder in seine Schatten verkroch.
Mit Aaron und Shade, war unsere Mannschaft weiter gewachsen aber eine Frage brannte mir dennoch auf den Lippen.
„Wo sind Bryony und Finn?“
Für einen kurzen Moment flackerte Angst in Shades Augen auf, ehe er flüsterte: „Ich weiß es nicht.“

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt