K A P I T E L 2

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Linea P.O.V


Das erste was ich unbedingt brauchte waren Vorhänge, irgendwann konnte ich die Sonne in meinem Zimmer nicht mehr ignorieren. Ein kurzer Blick auf den Wecker, welchen ich gestern noch notdürftig auf einem Karton platziert hatte ließ mich stöhnen. 11:43 Uhr schon fast Mittagszeit. Das Bett war bequemer als es aussah, ich hätte noch ewig liegen bleiben können, doch mich den ganzen Tag in meinem Zimmer zu verstecken schien nicht richtig .Ich richtete mich also langsam auf und streckte meine Gliedmaßen, immer noch leicht verschlafen begab ich mich zu meinem Koffer. Ich sollte zumindest diesen nachher in die Kommode räumen, damit ich nicht immer alles durcheinander bringen musste.
Zehn Minuten später saß ich auf dem Boden und hatte mir wieder etwas zusammen gebaut. Eine meiner Lidschattenpaletten stand auf einem der vielen Kartons und gab mir so die Möglichkeit mich in dem Spiegel fertig zu machen. Das Badezimmer hatte ich lediglich für eine schnelle Dusche, die Toilette und zum Zähne putzen genutzt. Ich wusste nicht ob die anderen bereits wach waren und wollte das Bad nicht unnötig blockieren, es war leicht chaotisch und spiegelte die drei Hausbewohner perfekt wieder. Mit meinem Eyeliner, Kajal und Wimperntusche beschäftigte ich mich nicht lange bevor sie wieder in meiner Kulturtasche verschwanden. Es dauerte länger meine Haare zu locken, doch etwas Zeit schinden schadete nicht. Im Haus herrschte immer noch Stille, doch ich traute dem ganzen nicht. Nachdem ich dann ein paar Klamotten aus meinem Koffer gefischt hatte, schmiss ich meinen Schlafanzug wieder auf Bett und verließ mein Zimmer. Der Flur war leer und die beiden Türen welche vermeidlich Leon und Marlon gehörten waren geschlossen, vielleicht schliefen sie noch.


Erzähler P.O.V

Sie schliefen nicht noch, sondern standen mit Joachim in der Küche als Linea diese betrat. "Morgen.", murmelte sie dann leise und bekam sofort die Aufmerksamkeit der Männer. "Eher Mittag, du bist schlimmer als diese Langschläfer.", grinsend klopfte Joachim seinen Söhnen auf die Schulter, welche sich die Pizza vom Vortag in den Mund schoben. "Wenn du willst ist noch was im Kühlschrank...", sein Satz lief ins leere als sie sich einen Apfel schnappte und ihn diesen biss. "Habs nicht so mit frühstücken, gibts Kaffee?", antworte sie dann zögern und nahm am Tisch platz, schon stand eine dampfende Tasse vor ihr. "Milch oder Zucker? Ok wir haben einen schwarz Trinker.", er stellte die Behälter wieder auf dem Tresen ab als sie den Kopf schüttelte. "Ich wollte nachher noch einkaufen fahren, wenn du mit fährst könntest du dir ein paar Sachen aussuchen. ", warf Joachim dann in die Runde und Linea stellte ihr Getränk wieder auf der Tischplatte ab. "Ähm, natürlich. Wann wolltest du los?" Doch er wunk ab "Irgendwann nachher, ich sag dir bescheid." und schon war er aus der Küche verschwunden.
Sofort wanderte ihre Augen wieder zu ihrem Kaffee. "Du isst wirklich nicht mehr als das?", Marlons Stimme ließ sie aufsehen, er stand neben der Mikrowelle und erwärmte sich ein weiteres Stück Pizza sie schüttelte erneut den Kopf. "Wie gesagt ich bin niemand der groß frühstückt. Außerdem schmeckt Pizza nicht aufgewärmt, sondern kalt." Leon welcher gegenüber von ihr saß machte ein spöttisches Geräusch. "Sag ich doch, wenn du den Scheiß aufwärmst schmeckt es wie Pappe." - "Gut, dass niemand nach deiner Meinung fragt Brüderchen.", konterte der Ältere sofort. "Zwei gegen einen.", schoss Leon direkt zurück. "Ich bezweifle, dass Prinzessin da drüber überhaupt oft genug Pizza isst um es zu beurteilen."
"Prinzessin? Ich wäre eher für Püppchen." - "Ihr wisst, dass ich hier sitze?"
Es war beiden sofort aufgefallen. Sie saßen in ihrer Küche mit zerrissenen Jeans und abgetragenen Shirts. Linea sah aus wie eine perfekte Puppe. Die enge Jeans betonte ihre Beine, das weiße Shirt legte ihre Schultern und die hervortretenden Schlüsselbeine frei. Ihre Haare flossen in Wellen ihren Rücken hinunter und das dunklere Makeup betonte ihre Augen. [Bild oben]
Die Blicke der Brüder wanderten über Linea bevor sie nickten. "Ich bin mir sicher allein dein Shirt kostet mehr als mein ganzes Outfit.", Marlon verdrehte die Augen als sein Bruder wieder damit anfing. "Deine Klamotten fallen auch fast auseinander.", schoss Linea zurück und Leon grinste. "Normale Leute tragen ihre Klamotten auch mehr als einmal.", er lehnte sich nach vorne als Marlon wieder am Tisch platz nahm. "Hört doch auf mit dem Mist-" - "Du musst es ja wissen, ich bin mir sicher das Shirt hattest du auch schon mit neun an." Und da war es wieder, Lineas Ähnlichkeit mit Leon. "Das kann gar nicht sein, den im Gegensatz zu dir bin ich noch gewachsen seitdem ich neun war.", provozierend lehnte er sich nach vorne und hielt den Blickkontakt stand. "Vielleicht bist du größer geworden, dass scheint aber nur dein Ego und nicht dein Gehirn mitbekommen zu haben." Marlon verschluckte sich prompt an seinem Essen und konnte sich nicht zwischen husten und lachen entscheiden, tat beides.
"Die anderen kommen nachher.", wechselte Leon dann das Thema, lehnte sich wieder zurück, sah von Linea weg und fuhr sich durch die Haare. Kurz huschte ein Grinsen über das Gesicht der jüngsten, bevor sie sich aufrichtete, den Apfelrest entsorgte und das Geschirr in die Spüle stellte. "Sagt mir bescheid wann, dann störe ich nicht." und sie verschwand.
"Halt ja die Klappe.", brummte Leon direkt. "Sie hat dich auseinander genommen.", prustete Marlon sofort. "Woher soll ich den erahnen, dass hinter all dem noch sowas steckt." - "Du solltest dich endlich davon losreißen sie in so eine Schublade zustecken. Außer du willst nochmal den Arsch aufgerissen bekommen. Wer weiß, vielleicht macht sie es nächstes Mal vor den anderen und wir wissen alle wie schnell dien Ego angekratzt ist.", Marlon klopfte ihm auf die Schulter und ließ ihn allein in der Küche zurück.

-

Selbst Marlon konnte es nicht lassen Linea zu mustern, sie war ein Rätsel. In der Küche hatte sie bewiesen was er vermutet hatte, unter all dem war ein kleine Teil immer noch ihre Linea. Er musste sie nur noch zum Vorschein bringen. Und wenn Leon nicht immer so verdammt misstrauisch und launisch wäre, würde sie es sicher schneller tun.
Er stand seit einigen Minuten im Türrahmen ihres Zimmers, während sie ihre Klamotten in die Kommode einräumte. Sie drehte sich nicht wieder zu ihrem Koffer, sondern griff in Richtung des Bettes und zuckte zusammen. "Verdammt Marlon! Wieso sagst du nichts wenn du da stehst?", hektisch atmete sie ein und aus. "Machs dir ruhig gemütlich.", murrte sie dann als er sich auf ihre Bett fallen ließ und die Arme hinter dem Kopf verschränkte. "Danke, hätte ich sowieso.", ohne zu Antworten wand sie sich wieder ihrem Koffer zu.

"Wann kommen eure Freunde nachher?", brach sie dann nach einigen Minuten die Stille. "Keine Ahnung, keiner von denen hält sich an vorgeschrieben Uhrzeiten.", zuckte Marlon dann mit den Schultern. "Du musst dich nicht verstecken wenn sie hier sind, du wirst sie früher oder später sowieso kennen lernen." - "Dann eher später.", murrte sie, doch es war so still im Raum, dass ihr Cousin sie genau hörte, sein Blick wanderte aus dem Fenster. "Weißt du noch was wir früher versucht haben aufs Dach zu klettern?", ein zustimmendes Brummen folgte von der Brünetten. "Oder wie wir uns versteckt haben wenn du gehen musstest, damit du noch länger bleiben konntest." - "Du kommst also extra zu mir um mir von Sachen zu erzählen, die wahrscheinlich alle Kinder früher gemacht haben? Sowas weckt keine großen Erinnerungen, wir haben das dauernd gemacht. Es ist ja nicht so als wäre es ein Abenteuer gewesen von der Schaukel zu springen.", sie hörte nicht auf sich mit ihren Klamotten zu beschäftigen und so sah sie ebenfalls nicht seinen irritierten Gesichtsausdruck.
"Was wir in den letzten Jahren erlebt haben waren Abenteuer, sie hätten dir gefallen.", wieder reagierte sie nicht. Als er ihr damals von ihren Aktivitäten erzählt hatte, war sie Feuer und Flamme gewesen und schon fast beleidigt nicht dabei gewesen zu sein. "Wir haben so viel erlebt. Leon und die anderen sogar noch mehr in der schwarzen Wüste.", diesmal sah sie auf. "Du meinst diese ganze Vampir Geschichte? Hört sich für mich immer noch etwas zu sehr nach Twilight an.", seine Mundwinkel zuckten. "Da müsstest du die anderen fragen, Leon hat davon nicht ganz so viel mitbekommen." - "Und du warst nicht da weil...?", es war eine ehrliche Frage, kein Sarkasmus oder Spot schwang in ihr mit. Da für sie die Geschichte mit den Vampiren nicht ganz glaubhaft wirkte, hatte sie sich diese nicht wirklich eingeprägt und so machten sich die Lücken ihres Wissens bemerkbar. "Ich war nicht da...", schon war sein Redefluss gestoppt, unruhig wanderten seine Augen hin und her. "... ich war mit Horizon unterwegs und hab von all dem nichts mitbekommen."
Ihr Blick wanderte zu ihm und am liebsten hätte sie sich entschuldigt als ihr klar wurde woran sie ihn gerade erinnerte. Er hatte sich einige Zeit lang nicht mehr so regelmäßig gemeldet wie sie es gewohnt war. Sie machte sich Sorgen bis sie erfuhr, dass Marlon Hals über Kopf verliebt war und eine gewissen Horizon alles für ihn geworden war. Nie hatte sie ihn so erlebt, als könnte er alles meistern solange er sie an seiner Seite hatte. "Sie gehörte zu den Silberlichten richtig?" Ihr Gesichtsausdruck blieb neutral, ihr war der Moment nichts andere als unangenehm. "Ja, gehörte sie und ich denke sie ist wieder zu ihnen zurück gekehrt als wir uns getrennt haben. Sie hat mir gezeigt wie wichtig Familie ist, egal was passiert."
Sie erinnerte sich, Marlon und Horizon hatten sich getrennt nur wenige Tage bevor die anderen zurück gekommen waren. Es war sein Traum gewesen mit ihr die Welt zu sehen, nur um dann wieder nach Hause zurück zu kehren, alleine. Er war umringt von Pärchen die dachten die wahre Liebe gefunden zu haben. Doch auch sie lagen falsch. Nach und nach zerbrach jede Beziehung der wilden Kerle, ausgenommen Vanessas und Leons. Und so endeten sie wie zuvor, hatten sich, ihre Freundschaft die alles überstand.
"Wie kann man diesen angeblichen Fluch mit der wahren Liebe brechen, wenn sie jetzt weg sind?", sie nahm auf einem der Kartons platz und sah Marlon direkt an. "Die erste Liebe kann sich schnell so anfühlen als wäre es die wahre, wenn man jung und unerfahren ist.", er grinste doch es erreichte seine Augen nicht. "Wieso bist du zurück gekommen? Wieso nicht einfach allein weiterreisen?", sie legte ihren Kopf leicht schief und einige Haarsträhnen fielen vor ihre Augen. "Es fühlte sich nicht mehr richtig an. Ich wollte nach Hause zu meiner Familie."
"Und so dachtet ihr alle? Niemand hatte das Bedürfnisse von hier zu verschwinden?", unruhig trommelten ihre Finger gegen die Pappe. "Wir sind eine Familie, dass ist jedem von uns klar geworden. Egal wie sehr wir sie brauchten, brauchten wir uns mehr. Das solltest du wissen Ocean." 
Ihr ganzer Körper verkrampfte sich, jahrelang hatte sie niemand mehr so genannt. Fast hätte sie den Spitznamen überhört so fremd war er ihr. Ihr Kopf schoss hoch und ihre Augen trafen seine welche sie bereits beobachteten. Er wartet auf ihre Antwort, war sich sicher endlich zu ihr vorgedrungen zu sein.
"Linea! Komm runter, wir wollen los.", Joachims Stimme unterbrach die angespannte Atmosphäre. Sie blinzelte einige Male bevor sie aufstand. Hoffnung keimte in Marlon auf als sie ihn ansah. "Wie gesagt, sag mir bescheid wann eure Freunde kommen. Dann bleib ich in meinem Zimmer." Und zerbrach als sie mit diesen Worten durch die Tür trat. 
Frustriert ließ er sich auf ihr Bett fallen, verweilte dort einen kurzen Moment und verschwand dann in seinem eigene Zimmer.

-

"Alles in Ordnung bei dir? Du wirkst etwas neben dir.", Joachim studierte seine Einkaufsliste erneut, sie war nicht wirklich sortiert. Es hatte die Folge, dass sie immer wieder hin und her liefen. Linea sah darin kein Problem. Doch dieser Kerl eine Meter entfernt schon. "Ich frage mich wieso dieser Kerl dort drüber bei den Getränke die ganze Zeit zu uns rüber starrt." Joachim folgte ihrem Blick und schmunzelte. "Das ist Simon Weber oder Sense wie ihn Marlon und Co nennen.", Linea warf ihm einen deutlichen Blick zu, die Aussage brachte sie kein Stück weiter. "Er gehört zu Michaels Mannschaft, der dicke Michi oder die unbesiegbaren Sieger wenn dies dir weiterhilft." - "Nicht ernsthaft. Sag mir nicht, dass sie ihn immer noch so nennen oder sie sich selbst.", er war deutlich amüsiert von der Reaktion seiner Nichte. "Oh doch, sie haben ihr Kriegsbeil nie beiseite gelegt, du weißt doch wie nachtragen Marlon und Leon sein können. Außerdem geraten sie immer noch gefühlt jede Woche aneinander, die Stadt ist klein. Da würde es dir sicher auch schwerfallen alles zu ignorieren.", natürlich nahm er sie in Schutz, es lies Linea mit den Augen rollen.
"Das erklärt aber nicht wieso diese Sense hier so rüber starrt.", der Name irritierte sie und fast hätte Joachim laut gelacht wegen ihrem Gesichtsausdruck. "Ich wiederhole: die Stadt ist klein, du bist neu, den Rest kannst du dir denken.", angewidert verzog sie erneut ihr Gesicht. Egal wo im Laden sie sich befand, sie spürte seinen Blick. Es dauerte nicht lange bis sie sich entnervt umdrehte und ihn genauso anstarrte wie er es tat. Grinsend begab sie sich wieder zu Joachim, als dieser Sense unter ihrem Blick einknickte und verschwand.
"Was würdest du nehmen?", irritiert sah sie erst Joachim, dann auf das Regal voller Alkohol vor ihr an. "Was?" - "Was würdest du nehmen? Leon hat mich gebeten etwas für Vanessa mitzubringen, sie ist kein Fan vom dem Geschmack der Jungs." - "Und nur weil ich ebenfalls weiblich bin heißt es, dass wir das gleiche trinken würden?", sie zog ihre Augenbraue hoch und musterte ihren Onkel. "Oh du weißt was ich meine! Du trifft vielleicht eher ihren Geschmack als ich.", erwiderte er in genau dem gleichen Ton, entlockte ihr ein schmunzeln. Joachim hatte ihr während der Autofahrt lang und breit erzählt, was er und die Jungs heute Abend vorhatten. Er würde sich mit einigen Freunden auf ein Bier treffen, doch sie war nicht dumm. Das war mit Sicherheit das Codewort für ein Saufgelage.  Genau das gleiche was die Gang vorhatte, nur nicht ganz so extrem. Es überraschte sie nicht, dass Joachim kein Problem mit etwas Alkohol hatte, oder Partys. Solange sie kein all zu großes Chaos verursachten und auf die jüngeren achteten. Oder mit der Tatsache, dass seine Söhne und ihre Freunde teilweise lange verschwanden.
"Ich garantiere für nichts.", murmelte Linea als sie nach zwei Flaschen griff und dieses in den Wagen gelegt hatte. Neben den üblichen Lebensmitteln für den täglichen Gebrauch, hatten auch unzählige Packungen Chips, Bier und einigen Softgetränken dort Platz gefunden. Sie hatte diese bereits auf dem Einkaufs Zettel ausmachen können, die Worte waren auf den unteren Bereich gekrizelt worden. Wusste nicht ob es Leon oder Marlons Handschrift war, aber sie war fast genauso schwer lesbar wie die ihres Vaters. Irgendwann würde sie diese wahrscheinlich besser lesen können als jetzt.
Und das Vanessa ohne Probleme genau das gleiche trank wie die Jungs, würde sie auch noch früh genug erfahren.



Linea. | die wilden Kerle ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt