Das Erste an was ich dachte war: Schwarz. Alles. Jeder Fleck. Die Bäume, die Büsche, selbst die unscheinbare Hütte dazwischen. Tote Blätter lagen auf dem Boden, so als wären sie dort festgeklebt worden. Es war kalt und der Wind zerrte an mir. Frierend legte ich meine Arme um mich. Nichts bewegte sich. Es war komplett still. Der Himmel war blau und die Sonne schien. Fröstelnd schob ich mich in ihre Strahlen um ein bisschen Wärme abzubekommen. Aber irgendetwas war anders. Es passierte nichts. Mir war genauso kalt wie davor, obwohl ich nun zwischen den leblosen Bäumen hervorgetreten war.
Zitternd blickte ich nach oben. Milchig weiß schien die Sonne auf mich herunter. Wobei man es nicht als "scheinen" bezeichnen sollte, denn darunter verstand man, dass es warm ist, man sich ins Gras legt und sich vielleicht ausruht. Dem war hier nicht so. Tropfend, wie ein Zitroneneis, hing dieser grelle Punkt am Himmel, so als würde er im Sterben liegen. Und in das ölige, schwarz glänzende Gras würde man sich auch ungerne legen.
In meinen Ohren klingelte es immer noch. Mitten in einer Explosion zu stehen hatte definitiv keine Vorteile. Probehalber hielt ich mir mein linkes Ohr zu um zu sehen ob ich nicht vielleicht doch taub war und hier in Wirklichkeit die reinste Lärmkulisse war, ich aber davon nichts mitbekam. Eine Weile stand ich so da, hielt mir abwechselnd die Ohren zu und versuchte zu akzeptieren, dass ich von nun an nichts mehr hören konnte. Als ich dann aber beide Hände auf die Ohren legte, hörte ich doch etwas gedämpft. Es quietschte. Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen und drehte mich suchend im Kreis. Was sollte hier bitteschön quietschen?
Die Tür der Hütte stand offen. Niemand war dort, der sie aufgemacht haben könnte. Keiner ging raus oder rein. Sie war einfach nur offen und zeigte das Innere eines Gartenhauses. Eine Schubkarre stand da, daneben ein Sack voll Erde und jede Menge Blumentöpfe und Gartengeräte. Fast schon normal. Fast. Denn da hörte man ein Knarzen. Es wurde immer lauter, so als würde irgendetwas näher kommen. Ich hatte keine Ahnung woher. Kam es von den Bäumen oder doch aus der Hütte? Langsam wich ich zurück. Es klang bedrohlich und mit jedem Schritt krachte es mehr und mehr. Und da endlich erkannte ich etwas. Es tauchte aus dem Boden der Hütte auf. Durchbrach ihn wie die Oberfläche des tiefen Ozeans.
Es war braun und wuchs. Man konnte immer mehr erkennen. Erst hatte es die Form eines Igels, aber jetzt war ich mir nicht mehr so sicher. Es wurde immer größer und wuchs weiter an. Breite Schultern mit Armen wurden erkennbar und Beine traten hinaus auf den dicken Bretterboden der Hütte. Ein Mensch. Ich huschte hinter einen knorrigen, alten Baum, der etwas dicker war als die anderen und so mehr Schutz bot. Auf einmal war mir nicht mehr kalt, ganz im Gegenteil. Meine Finger wurden warm und Schweiß bildete sich zwischen ihnen. Wer war das? Kannte ich ihn? War er gefährlich? Eine weitere wichtige Frage kam mir in den Sinn, die ich mir vielleicht früher hätte stellen sollen: Wo war ich überhaupt?
Ich versuchte so flach wie nur möglich zu atmen. Dann fasste ich mir ein Herz und lugte vorsichtig um den Stamm der toten Eiche herum. Die graue Rinde war brökelig und zerbröselte in meinen Fingern in feine Staubkörnchen. Leise fluchend wischte ich mir zum wiederholten Mal die Hände an der Hose ab und beugte mich mit klopfendem Herzen weiter vor um mehr von der Person zu sehen. Zuerst sah ich nichts, aber dann kam immer mehr zum Vorschein.
Mittlerweile waren es zwei Gestalten die dort standen, mit wehenden Mänteln und einer Kapuze über den Kopf. Hatte ich nicht vorhin noch eine Igelfrisur bei dem Einen gesehen? Sie unterhielten sich flüsternd, so als wüssten sie, dass sie beobachtet wurden. Beide hatten breite Schultern und Lackschuhe an, weswegen ich stark davon ausging, dass es sich hier um zwei Männer handelte. Den Einen hatte ich perfekt im Blick, er stand mit dem Gesicht zu mir, sodass ich ihn hätte erkennen können. Tat ich aber nicht. Der Mann war mir völlig unbekannt.
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Dead Days
Fantasy》Mein Atem wurde immer weniger. Meine Augenlider wogen Tonnen. Nein Seraphina! Du schläfst jetzt nicht ein! Bleib wach!, ermahnte ich mich selbst. Aber es war so schwer... Mit verschleiertem Blick beobachtete ich meine Eltern und meine Schwester. Im...