Ich hörte wie Thea neben mir scharf die Luft einsog und einen erstaunten Laut ausstieß. Ich achtete nicht auf sie. Stattdessen sah ich mich mit klopfendem Herzen um. Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte. Sollte ich Mira suchen? Den Ausgang? Oder sollte ich doch nach dem Phönix Ausschau halten, der vermutlich gleich die Einreiseerlaubnis und den Schlüssel für Thea fallen lassen würde? Sie flogen überall herum. Kreuz und quer, oben und unten, links und rechts. Von ein paar Leuten rechts von uns hörte man erschrockenes Kreischen, weil einer der Phönixe zu nah an ihnen vorbeiflog, es gab aber auch Menschen, die die Hände nach den mystischen Vögeln ausstreckten um sie zu berühren. Wie beim letzten Mal zischten sie schnell wie der Wind durch die Luft, bevor sie kleine Flaschen direkt auf die Köpfe der Menschen fallen ließen. Manche fingen sie rechtzeitig auf, bevor sie zerbarsten, andere verpassten die Chance und durften aus den Scherben den Zettel, die Karte und den Schlüssel fischen.
Ein Klonk ertönte neben mir und meine Schwester quiekte erschrocken. Anscheinend war sie einer der Menschen mit schnellen Reflexen, denn in ihrer Hand hielt sie die Flasche, allerdings nicht ohne sich den Kopf zu reiben. Der Phönix hatte sie voll erwischt. Belustigt schnaubend riss ich den Stöpsel aus dem Flaschenhals und schüttete den Inhalt auf meine Hand. Karte, Schlüssel, Pass. Alles da. Und nachdem ich einen Blick auf ihre Einreiseerlaubnis geworfen hatte, konnte ich auch endlich aufatmen. Wir lebten im selben Haus. Bei dem Gedanken fiel mir auch wieder ein, was bisher dort passiert war. Bis jetzt war alles, was ich dort erlebt hatte, eher traumatisch statt traumhaft ausgegangen und ich hatte noch nicht eine einzige Nacht dort verbracht. Wenn ich es mir recht überlegte, wäre sie doch eher in einem anderen Haus besser aufgehoben.
"Phina? Wo sind wir hier?" Die Frage kam zwar etwas verspätet, hatte aber trotzdem die selbe Wirkung. Thea schien ernsthaft überfordert mit den Ereignissen zu sein, denn sie stand verloren mitten in der Halle und wusste anscheinend nicht so wirklich, was sie mit den Papieren oder der Situation anfangen sollte. Wäre Mira nicht sofort auf mich zugekommen, stände ich jetzt wahrscheinlich immer noch hier, weswegen ich versuchte, eine halbwegs logische Zusammenfassung an meine Schwester zu vermitteln. Danach sah sie zwar nicht sehr viel schlauer aus, im Gegenteil, sie war eher noch verwirrter, aber darum kümmerte ich mich schon gar nicht mehr, denn im nächsten Moment öffneten sich unter lautem Getöse die Tore und die Leute strömten auf die Brücken. Hastig zog ich meine Schwester mit auf die nach Stormbrooke.
Sie hatte gar nicht genug Zeit alles zu bestaunen, da standen wir auch schon in der Schlange vor dem Tor. Ich war überrascht, dass ich den Weg noch wusste. Normalerweise war mein Kurzzeitgedächtnis zu klein für solche Informationen, sodass ich sie schon nach ein paar Minuten wieder vergaß, aber diese hier fand mein Hirn anscheinend wichtig. Leicht außer Atem erklärte ich Thea den weiteren Ablauf: "Du musst ihnen das da", Ich deutete auf die Papiere "geben, dann kontrollieren sie dich und sollten dich in aller Regel durchlassen, also gibt es keinen Grund zur Panik." Ich wusste nicht genau, ob letzteres nicht eher als Beruhigung für mich und nicht für sie galt, denn trotz dass ich das schon mal durchgemacht hatte, hatte ich immer noch den größten Respekt vor den Geiern. Diesmal standen beide da und die Schlange rückte wesentlich schneller als beim letzten Mal voran.
Nervös trat ich von einem Bein auf's andere und beachtete meine Schwester nicht, die sich neugierig umsah. "Der Traum ist so komisch.", flüsterte sie. Sofort drehte ich meinen Kopf weg, damit sie das schlechte Gewissen in meinen Augen nicht erblickte. Ich wusste es würde schwer werden, aber doch nicht so. "Phina?" Ihre Stimme klang verwirrt, hatte aber auch etwas alamierendes an sich. "Mhm?" Es hatte mich schon die ganze Zeit gewundert, dass sie keine einzige Frage zu der ganzen Situation stellte. Jetzt war es soweit. Dachte ich. Denn was sie fragte, brachte mich tatsächlich sofort aus dem Konzept und mein Herz begann zu rasen: "Wo ist eigentlich deine Einreiseerlaubnis?"
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Dead Days
Fantasy》Mein Atem wurde immer weniger. Meine Augenlider wogen Tonnen. Nein Seraphina! Du schläfst jetzt nicht ein! Bleib wach!, ermahnte ich mich selbst. Aber es war so schwer... Mit verschleiertem Blick beobachtete ich meine Eltern und meine Schwester. Im...