Eingeständnisse

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„Jen, komm. Die Show fängt an", rief meine Mitbewohnerin Melissa. Ich griff nach den Chips und der Schale mit Popcorn und ging damit ins Wohnzimmer. „Los, das Intro läuft schon", meinte auch Nina aufgeregt und so setzte ich mich zu ihnen aufs Sofa. Es war Sonntag und ich war gestern spät abends aus Berlin zurückgekommen und dementsprechend ziemlich müde. Trotzdem hatte die beiden mich überredet, mit ihnen The Voice zu gucken. War ja nicht so, dass ich schon wusste, wer in welches Team kam. Vielleicht erhofften sie sich, dass ich ihnen schon die nächsten Entwicklungen der Talente verriet, was ich allerdings nicht durfte. Außerdem wollte ich ihnen nicht den Spaß an der Show nehmen. Heute lief die zweite Folge der Blind Auditions. Ich hatte selbst nicht mehr im Kopf, wer in dieser Folge alles auf der Bühne stehen würde, von daher war es zumindest zum Teil spannend. Ich tippte auf meinem Handy herum, während ich die Show nebenbei verfolgte. Nico hatte mir schon ein paar Dinge für die Sing Offs geschickt, um die ich mich kümmern sollte. Und auch Michael schickte mir ein paar Songs für seine Comeback-Stage-Talente, zu denen ich ihm meine Meinung sagen sollte. Es war bei genauerem Überlegen eine komplett surreale Situation. Ich saß hier mit meinen beiden Freundinnen, die ich seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen hatte, im Wohnzimmer unserer WG und guckte eine TV-Show, bei der ich mitgewirkt hatte, während ich nebenbei mit zwei bekannten deutschen Sängern schrieb. Ich hob den Kopf, als aus dem Fernseher das Pfeifen von Joris' Lied „Nur die Musik" kam, und legte mein Handy zur Seite. „Oh, Jen legt ihr Handy weg. Jetzt kommt bestimmt was Gutes", meinte Melissa zu Nina. Ich sagte nichts dazu. Ich wusste natürlich, wessen Intro das war, schließlich hatte ich mit diesen Auftritt auch schon einmal angucken dürfen. Zuerst stellte sich Jonas, dann Maël vor. Ich musste grinsen. Das Video erinnerte mich an den Abend im Waschsalon und bei ihrem Auftritt wurde mein Grinsen noch breiter. „Oha, die sind echt gut", stellte Nina fest, „zu wem sind die gegangen?" „Wart's ab", meinte ich und sah dabei weiter auf den Bildschirm, wo das Duo gerade das Feedback der Coaches bekam. Als Maël verkündete, dass sie sich für Nico entschieden, jubelten auch meine Mitbewohner. „Hey. Das heißt ja, du kennst die beiden. Sind die echt so drauf?", wollte Melissa wissen. Ich kratzte mich am Hinterkopf und sagte dann zögernd: „Ich würde behaupten, die sind sogar noch eine ganze Ecke bescheuerter. Aber auf eine sehr witzige Art und Weise. Ich hab mich neulich mal ein bisschen länger mit ihnen unterhalten und naja, die sind echt total cool." „Jen, warum wirst du denn so rot?" „Werde ich gar nicht", protestierte ich mehr oder weniger überzeugend. Nina beugte sich zu mir, sah mich eindringlich an und fragte: „Kann es sein, dass du einen von den Beiden mehr als nur cool findest?" „Wie zum Beispiel Jonas?" Melissa wippte vielsagend mit den Augenbrauen, während sie in einen Kartoffelchip biss. Ich schüttelte lachend den Kopf und gab nach. „Ja, gut. Da ist irgendwas zwischen Jonas und mir. Er macht mir mega viele Komplimente und hat mich bei den Proben für die Battles die ganze Zeit angesehen. Und irgendwie ist das ja auch ganz süß, aber..." „Ich wusste es", unterbrach Nina mich, „du hast mega den Crush auf ihn." „So würde ich das nicht nennen. Vielmehr hat er wohl einen ziemlichen Crush auf mich, was total das Problem ist. Ich bin mir da aber auch nicht zu 100% sicher." Meine beiden Freundinnen runzelten die Stirn. „Wieso ist das ein Problem?" „Das...darf ich euch leider nicht sagen, sonst würde ich euch was vorwegnehmen", sagte ich zögernd. Nina lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Dann ist das Problem noch nicht groß genug." „Weißt du was? Wir probieren jetzt was aus." Melissa stand auf und griff nach meinem Handy. Sie tippte meinen Code ein und scrollte und tippte dann eine ganz Weile darauf rum. „Mel, was hast du vor?" Sie gab mir das Handy zurück und meinte dabei: „Wenn er wirklich auf dich steht, wird er darauf kommentieren." Sie hatte zwei Bilder vom heutigen Fotoshooting an den Landungsbrücken rausgesucht und auf Instagram fürs Posten bereit gemacht. Man musste dazu sagen, dass Melissa gerade eine Ausbildung zur Fotografin machte und Nina und mich gerne als ihre Models missbrauchte. Es war für Mitte September ein sehr warmer Tag gewesen, deswegen trug ich auf den Bildern ein trägerloses, knielanges weißes Kleid mit einer schwarzen Schleife, die um meine Taille gebunden war und dazu schwarze Sandalen. Auf dem ersten Bild sprang ich lachend in die Höhe, die Arme weit ausgebreitet und meine Haare flatterten durch den warmen Wind. Auf dem zweiten Bild sah ich direkt in die Kamera und lächelte dabei nur ganz, ganz leicht, während ich mir mit der linken Hand durch die Haare fuhr. Meine grünen Augen strahlten jedoch noch grüner als sonst. „Das zweite Bild hast du aber noch bearbeitet", meinte ich zu ihr. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bearbeite alle meine Bilder. Das erste ist auch bearbeitet. Was glaubst du wohl, was ich heute den ganzen Nachmittag gemacht habe? Ich hab mir außerdem erlaubt, mich als deine Haus- und Hoffotografin zu verlinken." Sie legte den Kopf schief. „Also, postest du es, um herauszufinden, was dein Jonas dazu sagt?" „Er ist nicht mein Jonas", konterte ich und drückte zeitgleich auf den Button zum Posten, „Außerdem bezweifle ich, dass er das überhaupt sehen wird." „Wieso? Folgt er dir nicht?" „Doch, aber..." „Dann warte es doch einfach ab, Jen", lachte Melissa und auch Nina kicherte über meine Ungeduld. In diesem Moment war die Werbepause bei der Sendung beendet und das nächste Talent wurde vorgestellt. Ich schenkte der Show aber kaum noch Aufmerksamkeit. Stattdessen dachte ich über Jonas und über Ninas „Du hast mega den Crush auf ihn." nach. Hatte sie damit recht? Ich musste zugeben, dass ich in den vergangenen Tagen oft an ihn gedacht hatte und einige Zeit lang mit ihm geschrieben hatte, wobei ich aber versucht hatte, nicht zu viel von mir preiszugeben. Es würde schwierig werden, wenn ich ihn noch besser kennen lernen würde, da ich so vielleicht meine neutrale Sicht auf alle Talente verlieren würde, die ich aber unbedingt behalten musste. Trotzdem konnte ich nicht abstreiten, dass ich immer grinsen musste, wenn eine Nachricht von ihm eintrudelte und ich neulich schon geträumt hatte, ich wäre mit ihm zusammen, was wirklich total schräg war. „Jen, ich glaube, ich hatte wirklich recht", sagte Melissa plötzlich, „schau mal in die Kommentare." Ich entsperrte mein Handy und las die ersten Kommentare. Nico hatte geschrieben: „Alter Schwede, was für eine hübsche beste Freundin ich habe. Wirst du jetzt doch Model?" Ich grinste und antwortete: „Wer weiß?" Ich scrollte weiter und fand dann den Kommentar, auf den Melissa eben angespielt hatte. „Woah, ich sehe was, was du nicht siehst und das ist wunderschön." Hinter diesem Satz waren noch zwei Emojis, einer mit explodierendem Kopf, der andere mit Herzchenaugen. „Was denn? JK, vielen Dank :-)", kommentierte ich zurück. Ich bemerkte, dass Nina mich strafend ansah. „Was Besseres ist dir nicht eingefallen?" „Nein, was soll ich dazu noch sagen?", erwiderte ich. „Scheinbar habt ihr recht, aber das war mir auch schon vorher klar." Die beiden sahen mich unverwandt an und schließlich sagte Melissa: „Gib zu, du freust dich, dass es ihm gefällt." Ich zog eine Grimasse und nickte dann. „Vielleicht bin ich ja wirklich ein kleines Bisschen verknallt in ihn."

Don't leave me, Johnny || Maël und Jonas FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt