|6|

19 3 0
                                    

Einen Moment schossen Blitze durch seinen Körper. Sein Herz begann zu rasen und sein Körper wurde von plötzlicher Hitze geflutet. Als er nach seinem Pelz griff, streifte er sanft Freyas Hand. Sie war warm. So warm, dass er das Gefühl hatte, sie hätte ihn mit dieser einfachen Berührung verbrannt. Aber er konnte spüren wie ihre rauen Hände gelitten hatten, unter dem jahrelangen Training. Sie waren seinen eigenen Händen so ähnlich.
Zuckend zog sie ihre Hand weg. Freya griff nach ihren Fingern und versuchte ihren rasenden Puls zu beruhigen. Sie hatte sich erschrocken, über seine plötzliche Berührung. Im Kampf war es eine Sache, sich berühren zu lassen. Und auch Eltern und Freunde berührten anders, doch sie hatte es niemandem gestattet sie zu berühren. Es war so oberflächlich. Doch auch seltsam intim.
Es war die Harmloseste Berührung, doch sie hatte eine verschreckende Wirkung auf sie. Sie war regelrecht erleichtert über den Abstand den er ihr gab, als er in die Höhle zurückging.
Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen und atmete tief durch. Sie hätte sich nie darauf einlassen sollen ihn mitzunehmen. Er hatte ihr nur ein paar Münzen angeboten. Sie würden ihr eine Weile helfen über die Runden zu kommen. Doch jetzt bereute sie es, sich darauf eingelassen zu haben. Sie hatte auch ohne Geld überlebt.
Schnell hatten sie ihre Waffen zusammengesammelt und waren aufbruchsbereit. Er warf ihr einen Blick zu. Sören kannte sich schließlich nicht aus. Sie nickte ihm zu und ging voraus. Irgendwie musste Freya ihre Mauer wieder aufbauen. Sie konnte eh nicht verstehen, wie er sie eingerissen hatte. Noch weniger aber verstand sie, warum sie nichts dagegen getan hatte. Dieser Fremde war gefährlich. Er war tödlich und Freya konnte ihm nicht einen Millimeter trauen.
Sie liefen Stunde um Stunde und Freya wusste, dass sie einen Umweg gegangen war, doch die übliche Strecke würde sie nicht so gut schützen, wie es diese tat. Sie hätte über einige Lichtungen geführt. 
Nichts war wirklich aufregend. Der Schnee fiel immer noch, wurde aber weniger. Der Himmel hatte dieses ausgewaschene grau und drückte nur auf Freyas Stimmung. Als sie sich bewusst wurde, wie nah sie Borun war hielt sie an und blickte auf. Sie kannte dieses Ort wie ihre Westentasche. Die Jahre hatten ihren Tribut gefordert. Die jungen Bäume waren groß und dick geworden.
Sören blieb hinter ihr stehen. Sie konnte hören, wie er sein Schwert zog, doch Freya schüttelte nur den Kopf. Dann wandte sie sich nach links und ging ein paar Schritte. Da waren sie. Die Hütten, in denen sie und ihre Familie, ihre Freunde aufgewachsen waren. Jedenfalls bis zu dieser Nacht. Man erkannte die alten Behausungen kaum noch. Sie waren verwildert, versuchten aber eisern dem Wetter zu trotzen. Früher waren es zwei Dutzend Hütten gewesen und heute standen nur noch ein paar kleine Teile. Sie war seit damals nicht mehr zurückgekehrt und hatte auch nicht erwartet, dass es so schlimm aussehen würde. Denn immerhin, war es ihr Zuhause.
Wie in Trance betrat sie die Lichtung und betrat das Dorf. Sören beobachtete sie nur. Er wusste kaum etwas über sie, nur ihren Namen und ihre Sturheit. Doch er konnte ihren Schmerz sehen. Dieses Dorf hatte ihr sehr viel bedeutet und es schmerzte sie, dass es nun so aussah. Schweigend folgte Sören ihr und versuchte sich ein Bild zu machen, doch er kannte zu viele Variablen nicht. Sören drehte den Kopf und lauschte. Waren das Rufe?
Ruckartig griff nach ihr und zerrte sie hinter einen umgestürzten Baum. Er wusste nicht wie gut man sie sehen konnte, doch er hoffte darauf das man es nicht tat. Er war nicht gerade klein. Oder unauffällig. Und auch Freya mit ihrem roten Haar stach aus dem Mischmasch aus Braun und Weiß hervor. 
Mit seiner Hand verdeckte er ihren Mund. Sie hätte geschrien und wäre bestimmt gerne aufgesprungen. Er spürte wie sich ihre Muskeln verkrampften. "Sch!" Presste er hervor und zu seiner Überraschung gehorchte sie.
Sie wollte immer kämpfen und brachte dadurch auch ihn in Gefahr. Es würde ihn nicht wundern, wenn sie, sobald er sie losließ, davonrennen würde um in den nächsten Kampf zu ziehen.
Er lag über ihr, versuchte sich mit ihr in die kleine Lücke zwischen den beiden Baumstämmen zu drücken. Doch er erdrückte sie nicht.
Sein Herz hämmerte wie das Galoppierende donnern der Pferde. Doch die Hufen der Pferde, die auf sie zukamen übertönten seinen Herzschlag. Rufe erklangen und lautes Gelächter schallte durch den Wald.
Wahrscheinlich hatten sie wieder ein Dorf überfallen und dabei Beute gemacht. Sören fand das widerwärtig. Natürlich gab es Zeiten in denen auch Sörens Volk geraubt hatten, doch nicht in diesem Maße. Es waren Barbaren, aus den dunkelsten aller Ebenen.
Sören vermutete, dass es nicht nur Männer aus einem Stamm waren, sondern sich aus mehreren zusammengetan hatten. Man konnte es sehen. Sie trugen Felle wie Sören, doch war er nicht mit Dreck beschmiert. Sie hatten Tätowierungen im Gesicht, verschiedene Farben, verschiedene Rüstungen. Sie trugen Ketten und sie trugen Schwerter die groß und äußerst tödlich waren.
Freya spähte durch ein paar Äste, musterte die Männer, die durch die Ruinen ihres alten Dorfes schritten, als wäre es nichts. Freya kannte diese Männer nicht und doch Freya kannte sie gut genug. Hatte sich schon so oft vor ihnen versteckt wie sie es hier tat. Doch sie war es satt.
Freya wollte aufstehen und diese Männer herausfordern. Wollte ihr Schwert ziehen und einen nach dem anderen, mit der leicht gebogenen Klinge, zu Fall bringen.
Doch sie hatte keine Wahl. Sören lag immerhin auf ihr und vielleicht war es klüger sich nicht gegen ein Dutzend Männer auf Pferden zu stellen. Nicht wenn sie alleine war und sich nicht sicher war, das Sören sie nicht eigenhändig umbringen würde.
Als sie vorbei geritten waren, konnte sie seine fallende Anspannung spüren. Es war als wäre er nicht nur erleichtert, dass die Männer weg waren, sondern auch das Freya sich nicht gegen ihn gewährt hatte. Freya allerdings war sich noch nicht so sicher, ob sie diese Entscheidung bereute oder nicht. 

FREYA - Im Auge des Sturms (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt