Das Mädchen, so klein und zerbrechlich, sah ihm nach. Er schenkte ihr ein Lächeln. Doch ihre Angst ebbte nicht ab. Sie stand da in ihrem kleinen zerrissenen Kleid. Auch Blutflecken, getrocknet von alten Wunden, beschmutzte es.
Schlagartig wurde Sören klar, dass er sie vielleicht von diesen körperlichen Schmerzen schützen, doch niemals vor dem was sie zu sehen bekamen.
Die Wachen zogen ihn auf den großen Platz. Der lag direkt vor den Käfigen und jeder der in seinem Käfig saß konnte ihn und seine Bestrafung sehen. Doch schlimmer war, fand Sören, dass er auch von den Frauen und Kindern gesehen werden konnten. Dort konnten sie sehen was sie ihren Männern antaten.
Sören sah die Frauen. Wie sie angerannt kamen und sich, sobald sie ihn sahen, entspannten. Man konnte ihre Erleichterung sehen, sie mit einem Messer schneiden. Sie war so greifbar. Sören war froh darüber niemandem Schmerz zuzufügen indem er hier stand und doch hätte es ihn nicht gestört ihr Gesicht zu sehen. Schnell schüttelte er diesen egoistischen Gedanken ab. Er würde niemals zulassen, dass sie hier wäre.
Er musste lächeln bei der Erinnerung an sie und die Vorstellung wie sie alles auseinander nehmen würde. Auch wenn er nicht wusste, ob sie es immer noch tat. Er hatte sie so zerstört zurückgelassen.
Die Wache stellte Sören, knarrend, auf ein kleines Holzpodest. Eine der Wachen trat ihm in die Kniekehle und keuchend sackte er auf die Knie.
Der Schmerz zog sein Bein hinauf. Schmerz durchzuckte seine Gelenke. Sören hätte sich am liebsten gewährt, aber sie würden wieder das Mädchen holen. Würde es die gleiche Strafe ereilen wie ihn?
Brutal wurden seine Arme in die Höhe gerissen. Das nahm er schweigend hin. Er würde ihnen nicht die Genugtuung gönnen.
Die Wachen lachten. Er konnte hören wie sie sich über ihn lustig machten. Wie sie über das Leben des Mädchens lachten. „Nutzloses Ding", sagten sie. Wut durchzuckte ihn, als er das nächste hörte: „Nicht einmal zum Schänden zu gebrauchen."
Sören blickte die Wache an, konnte sich aber kaum bewegen und sah ihn so nicht komplett. Er kannte seine Meinung und der wäre er treu. Noch während er diesen Gedanken dachte, durchzuckte ihn der Schmerz, ein brennender Schmerz.
Sörens Rücken schien zu reißen. Er stöhnte. Als er durch die Menge blickte erkannte er sie. Die Kleine. Sie starrte ihn an und weinte. Er konzentrierte seinen Blick auf sie. Auch sie blickte in seine Augen.
Kaum merklich schüttelte Sören den Kopf. Das war kein Grund zu weinen, das wollte er ihr klar machen. Der nächste Schlag peitschte auf seinen nackten Rücken. Er wendete seinen Blick nicht von der Kleinen.
Sie war das Licht in seiner Nacht. Seit er hier war hatte er keinerlei Grund gehabt sich zu sorgen und nun wollte er sie nicht ängstigen und so schluckte er die Schmerzen herunter. Sie blickte ihn an. Der nächste Schlag. Noch einer und noch ein weiterer. Sören wollte sich vor Schmerzen krümmen doch er hielt ihren Blick.
Er zählte nicht mit und war beinahe überrascht als die Wachen seine Handgelenke, aus den Schlaufen des rauen Seiles, lösten. Seine Hände knallten auf den Boden. Sein Blick folgte. Er schloss die Augen und atmete tief durch.
Es tat weh, doch mit einem Ruck stieß er sich vom Boden ab. Er stand auf und machte sich auf den Weg um das Podest zu verlassen. In den Blicken der Frauen konnte Sören Staunen erkennen, Stolz und sogar Hoffnung.
Jede Bewegung schmerzte und so lief er schwankend auf das Mädchen zu und kniete sich vor sie. Mit seinen dreckigen Händen wischte er ihre Tränen fort. „Weine nicht. Es tat doch gar nicht weh." Säuselte er.
Das kleine Mädchen nickte und schluckte den Klos in ihrem Hals herunter. Sie war tapfer gewesen, denn wie konnte sie seinen Blick nur standhalten. „Danke." Stammelte sie und zuckte erschrocken zusammen.
„Sklave. An die Arbeit." Schrie eine kalte Stimme. Sören drückte das fremde Mädchen, schob es von sich und ging. Er freute sich darüber diese Männer zu töten.
Die Arbeit war genauso erschwerend wie zuvor, nur kam noch dazu, dass ihm sein Rücken schmerzte. Genau wie seine Gelenke. Müdigkeit und Erschöpfung machten ihm die Arbeit dreifach schwer. Als Nakim Sören sah stieß er die Luft aus.
Sören trug kein Obergewand und die roten Striemen waren wie ein Brüllen in der Nacht. Sie leuchteten auf seinem muskulösen Rücken. „Das hättest du nicht tun sollen." Stieß Nakim aus, als sie auf dem Weg in die Zelle.
Verärgert blickte Sören ihm entgegen. „Ich hatte dich für Ehrenvoller gehalten." Spuckte Sören bitter aus. Er sprach wie ein Krieger, entschlossen und hart. „Hier geht es darum zu überleben. Nicht um Ehre." Antwortete Nakim und Sören sah ihn nur an. Er suchte nur eine Spur von Belustigung, doch er meinte es ernst.
Ein verächtliches Lachen drang aus Sörens Kehle. „Ein Leben ohne Ehre ist kein Leben. Außerdem gabst du mir nicht deinen Trinkschlauch? Wo war diese Einstellung da?" Verächtlich schritt Sören an ihm vorbei. Nakim war gebrochen. Und ein gebrochener Mann war ein toter Mann. Wenigstens hatte er noch etwas an das er glauben konnte.
DU LIEST GERADE
FREYA - Im Auge des Sturms (Band 1)
Fantasy(Überarbeitete Version von Sturmgestöber.) Freya hatte keinen Plan gehabt. Meistens wollte sie nur genau das Gegenteil von allen sein. Sie wollte keine Frau sein, die kochte und Körbe flechten. Sie war eine Kriegerin. Wie ihr Vater. Doch das Land w...