"Das ist nicht Euer Ernst.", Streng sah Ilèyn auf das Häufchen Münzen herab, welches ihr vor die Nase geschoben wurde. Schnell zählte sie nach.
"Ihr verspracht mir das Doppelte!", Mit einer Hand fegte sie das Geld von dem klebrigen Tavernentisch.
Das Klimpern und das darauffolgende Rumpeln des Stuhls, welcher umfiel, als sich der Mann ihr gegenüber empört erhob, ließ das Gelache, Gekreische und Gebrüll um sie herum kurz verstummen. Die beiden wurden mit betrunkenen, leeren Augen angestarrt.
"Was ist?", knurrte der Mann in die Runde, "Widmet Euch Eurem Bier und lasst uns in Frieden."
Langsam kehrten die Tavernengeräusche zurück. Die vielen Augenpaare wandten sich wieder ihren Gesprächspartnern und ihren Speisen und Getränken zu.
Langsam stapfte der Mann auf Ilèyn zu und stützte sich direkt vor ihr mit einer Hand auf den Tisch.
"Ich verhandle nicht mit... Jemandem wie dir, Kleine.", sagte er und grinste breit.
"Nimm, was du kriegen kannst und hör auf zu denken, du wärst was Besseres.", Er griff nach seinem Bierkrug und nahm einen Schluck so groß, dass es ihm den Bart hinunterlief. Ilèyns Augen folgten jeder seiner Bewegungen.
"Du bist nichts weiter als eine Zwergin, die niemand haben will."
Immerhin in diesem Punkt hatte der Mann Recht.
Polternd stellte er sein Bier vor Ilèyns Nase ab. Sie schaute provokant zu ihm hinauf.
"Bezahlt mir, was ich gefordert habe.", sagte sie, "Oder dies hier wird das letzte Bier sein, was Ihr je getrunken habt."
Plötzlich lachte der Mann laut los. Er schlug mit seiner Hand auf den Tisch, während er fast an seinem hustenden Lachen erstickte.
Ilèyn schmunzelte in sich hinein.
"Ihr...", Der Mann lachte immer noch, "Ihr glaubt doch nicht..."
Er holte einmal tief Luft in dem Versuch, sich zu beruhigen.
"Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich Angst vor Euch hätte?", Er wischte sich den Speichel von seinen Lippen und funkelte Ilèyn böse an.
"Hört mal alle her, ihr Leute!", brüllte er in den Gastraum. Erneut verstummten die Anwesenden. Hobbits, Menschen, ein paar Zwerge aus allen Himmelsrichtungen. Sie alle hörten, was der Mann als nächstes rief.
"Diese kleine Made hier denkt doch tatsächlich, sie könne mir gefährlich werden!"
Er lachte erneut los und die Umstehenden stiegen schämisch mit ein.
"Träum weiter, Zwerg!", rief jemand aus der Menge, während der bullige Herr seinen Witz weiter feiern ließ.
Blitzschnell zückte Ilèyn ihren scharfen Dolch und rammte ihn mit solcher Wucht in die auf dem Tisch liegende große Hand des Mannes, dass das Messer in der Tischplatte stecken blieb.
Für einen Wimpernschlag war es komplett still. Dann entlud sich ein Schmerzensschrei gewaltigen Ausmaßes aus der Kehle des Bärtigen. Sein entsetzter Blick huschte immer wieder zwischen Ilèyn und dem Messer in seiner Hand hin und her, während Ilèyn sich daran machte, die Münzen vom staubigen Boden aufzusammeln. Die Tavernengäste sahen ihr geschockt dabei zu, vereinzelt flüsterten sie sich Dinge zu.
Als sie die Münzen in einem kleinen Lederbeutel verstaut hatte, fischte sie nach einer Tasche im Gewand des Mannes, welcher immer noch vor Schmerzen wimmerte. Sie zog einen weiteren ledernen Beutel hervor, gefüllt mit Münzen. Ohne zu zögern verstaute sie diesen in der Tasche um ihrer Hüfte.
Sie warf sich ihren Köcher auf den Rücken und nahm ihren Langbogen zur Hand.
Langsam trat sie an den Mann heran. Ein wenig Blut tropfte bereits vom Tisch.
"War mir eine Ehre, mit Euch Geschäfte zu machen.", sagte Ilèyn bissig und zog ruckartig ihren Dolch aus der durchbohrten Hand.
Der Mann schrie erneut laut auf.
Ohne zurückzublicken, stolzierte Ilèyn in Richtung Ausgang, dabei wischte sie die blutige Klinge ihres Dolches an ihrem rechten Handschuh sauber.
Mehrere Augenpaare folgten ihr, deren Besitzer immer noch nicht wagten, auch nur ein Wort zu sagen.
Sie passierte den Tresen und schnippte dem Wirt eine der goldenen Münzen zu.
"Für Eure Umstände."
Dann verließ sie die Taverne.Aus der Tür getreten, versank Ilèyn auch schon in einer gewaltigen Pfütze aus Schlamm und Matsch. Es regnete. Wie immer. Spät war es obendrein.
"Ich hasse diesen Ort.", murrte sie, während sie ihre mit dreckigem Wasser vollgesogenen Stiefel zwischen den Pfützen in den schlammigen Gassen Brees hindurch manövrierte.
So sehr sie Bree hasste, hier gab es die meisten Aufträge.
In den Gassen warteten die Klienten, einer zwielichtiger als der andere. Ilèyn kannte die meisten bereits. Oft waren es Schuldner, welche keine Möglichkeiten hatten, das Geld auf ehrliche Weise zu beschaffen. Oder es waren die Gläubiger, wie in dem Tavernenfall. Des öfteren wurde sie auch beauftragt Personen... nun ja, zum Schweigen zu bringen.
Schnelle Aufträge, welche meistens innerhalb weniger Tage erledigt werden konnten und bei denen Ilèyn die Möglichkeit hatte genug Geld für sich abzustauben, um sich wenigstens mit neuen Stiefeln auszustatten.
Es war ein Teufelskreis, der wohl nie enden sollte. Kam sie nach Bree, geriet sie in Schwierigkeiten.
Kam sie nach Bree, verlor sie nicht allzu selten ihr ganzes Geld durch Taschendiebe.
Kam sie nach Bree war ihre gesamte Kleidung nach der Rückkehr so gut wie unbrauchbar.
Schlimm genug, dass nicht einmal das Essen gut war.
Und überall diese stinkenden, widerlichen Personen. Egal ob Hobbit, Zwerg oder Mensch, hier war wirklich jeder heruntergekommen oder mit Parasiten verseucht. Höchstwahrscheinlich sogar beides, in den meisten Fällen.
Ilèyn war in Gedanken so sehr darauf bedacht, weitere Dinge zu finden, die dazu einluden, diesen Ort zu meiden, dass sie gekonnt schwungvoll in den Wachposten am Tor hineinlief.
"Hey, Ihr!", meckerte dieser sofort, "Habt Ihr keine Augen im Kopf? Das Tor ist zu, wie habt Ihr Euch das vorgestellt?"
Ilèyn rieb sich den Kopf. Selbst ihre Kapuze war bereits völlig durchgeweicht.
"Verzeiht...", entschuldigte sie sich knapp, "Ich bitte nur darum, passieren zu dürfen."
Der alte Mann am Tor erhob sich ächzend von seinem klapprigen Höckerchen.
"Zwerge...", murmelte er böse.
Ilèyn versuchte, diese Bemerkung zu überhören und trat aus dem Tor hinaus. Immer noch vor sich hin grummelnd, knallte der Wachposten das hölzerne Tor direkt hinter ihr zu. Bree lag nun hinter ihr.
Die unerfreuliche Begegnung mit dem Klienten in der Taverne hatte sie fast schon wieder vergessen, schließlich lief es nicht selten so ab. Einen Klienten musste sie heute noch treffen.
Ilèyn seufzte laut und lief zu einem großen Baum, welcher seine dicken Äste über einer Weggabelung vor ihr ausbreitete. Sie stellte sich unter, auch wenn sie bereits jetzt schon bis auf die Knochen durchnässt war.
Sie spielte mit einem kleinen Beutelchen, gefüllt mit Münzen, während sie wartete. Wind kam auf und peitschte ihr die Regentropfen ins Gesicht. Grimmig kniff sie die Augen zusammen. Sie wollte wirklich endlich weg von hier. Wo blieb dieser verdammte Hobbit?
Noch nie hatte sich ein Klient derart verspätet.
Ilèyn lehnte sich gegen den mächtigen Stamm des Baumes und verschränkte die Arme. Sie hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, von deren Rand bereits das Wasser hinuntertropfte."Seid Ihr... Die Kopfgeldjägerin?", erklang eine vorsichtige Stimme neben Ilèyn. Diese drehte den Kopf.
"Wer will das wissen?", fragte die Zwergin misstrauisch.
"Mein Name ist Bogart...", stammelte die Gestalt, "Ich habe Euch beauftragt."
Ilèyn richtete sich auf und trat an den Hobbit heran, sie überragte ihn etwas, jedoch war das kaum der Rede wert. Dicklich und zitternd stand er vor ihr. Ohne weiteres Gerede warf sie ihm das Säckel mit den Münzen zu. Schnell öffnete der Hobbit den Beutel und zählte nach.
"Es ist alles da, habt vielen Dank!", Er verneigte sich mehrfach, "Kann... kann ich Euch etwas als meinen Dank aushändigen?"
"Verschwindet von hier.", antwortete Ilèyn schroff, "Dies ist kein Ort für jemanden wie Euch. Schon gar nicht des Nachts."
Ohne auf eine Reaktion zu warten, fuhr Ilèyn herum und stapfte davon.
Auf der großen Oststraße wollte sie noch bis zur Wetterspitze kommen, bevor sie die erste Rast einlegte. Es regnete so stark, dass sie kaum geradeaus schauen konnte und nur zu Boden starrte. Dass das eher die falsche Art zu Reisen ist, wurde ihr wieder bewusst als sie frontal mit jemandem zusammenstieß.
"Schon wieder?", murrte sie, "Passt doch auf, wo Ihr hinlauft!", sagte sie dann gereizt und schaute auf. Ein riesiger spindeldürrer Mann stand vor ihr. Auch er hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, hatte kaum Reisegepäck dabei.
"Das gleiche könnte ich zu Euch sagen... Kopfgeldjägerin.", sagte er mit rauer Stimme.
Ilèyn musterte den Mann argwöhnisch.
"Wer seid Ihr?", fragte sie.
"Das tut nichts zur Sache.", Der Mann griff mit einer Hand an die Seite seines Gürtels.
Reflexartig griff Ilèyn nach ihrem Bogen, hatte einen Augenblick später einen Pfeil an die Sehne gelegt und zielte direkt auf das Herz des Fremden.
Dieser ließ kurz danach nur ein dunkles Lachen hören.
"Wir sind quasi Kollegen, glaubt Ihr, ich würde Euch hier auf offener Straße abstechen?", Er schüttelte den Kopf, "Keine Sorge, ausnahmsweise habe ich nur einen Hinweis für Euch."
Ilèyn senkte den Bogen und steckte den Pfeil zurück in ihren Köcher. Der Mann zog ein abgeranztes Stück Leder aus seinem Gürtel und drückte es Ilèyn in die Hand.
"Vielleicht seid Ihr interessiert.", Er rempelte sie an, sodass sie fast zu Boden ging, als er an ihr vorbeistiefelte.
"Aber seid Euch einer Sache bewusst, leicht wird es nicht."
Damit war er im Schleier des Regens verschwunden.
Ilèyn entfaltete das Stück Leder und begutachtete es.
Schwarze Sprache.
Ein Mordauftrag mit einer Belohnung so hoch, wie es die Kopfgeldjägerin noch nie zuvor gesehen hatte.
Eine Belohnung auf den Kopf von Thorin Eichenschild.1538
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✓ | Vergissmeinnicht ~ Fili FanFiction / Hobbit FanFiction / Fili FF
FanficAbgeschlossen ✓ "Auch du wirst irgendwann heimkehren." Zögernd öffnete sie eine der schweren Holztruhen. Der Deckel knarzte laut, als er nach hinten klappte. Ein staubiger Umhang. Münzen. Briefe. Rostige Nägel. Zumindest ein paar brauchbare Dinge. ...