Die Frau an der hinter der schwarz-goldenen Theke sah sehr jung aus, als wäre sie in unserem Alter. Ihre Hochsteckfrisur ließ sie sehr streng erscheinen, aber vermutlich wurde dies von ihrem Arbeitgeber vorgeschrieben. Sandra und ich ließen unsere Koffer am Rande des Geschehens stehen, damit sie uns nicht die ganze Zeit im Weg stehen würden. "Guten Abend. Herzlich willkommen im clair de lune. Wie kann ich Ihnen helfen?" Sie blitze uns mit einem falschen Lächeln an. Irgendwas war komisch an ihr. Sie sah aus als würde sie zu der Arbeit hier gezwungen werden. "Hi, ich hatte zwei Zimmer auf den Namen Obanum reserviert." erwiderte ich ein wenig eingeschüchtert. Der Grund für die Zwei-Zimmer-Reservierung lag an Sandras Schnarchen. Jedes Mal, wenn wir bei einander übernachteten, verlasse ich irgendwann das Zimmer und schlafe auf dem Sofa. Bei 3 Wochen waren wir uns einig, dass wir hier kein Geld sparen würden. Außerdem brauchte man irgendwann Zeit für sich und 20 Minuten morgens im Badezimmer würde da nicht reichen. Die Rezeptionistin tippte einige Daten in ihren Computer ein. "Ausweis?" fragte sie harsch. Ich reichte ihn über den Tisch zu ihr rüber. Unter kurzen Mustern der Karte in ihrer Hand tippte sie weiter. Kurz darauf schob sie mir meinen Ausweis und zwei Schüsselkarten rüber. "Zimmer 555 und 556." sagte sie knapp und wandte sich wieder zu ihrem Computerbildschirm zurück, ohne uns auch nur noch eines Blickes zu würdigen. Ich sog einmal scharf Luft ein. Sollten wir jemals ein Problem mit unserem Zimmer haben, würde ich sie nie darauf ansprechen wollen. "Was hat die denn für ein Problem? Wtf." Sandra bearbeitete sie aus der Ferne mit ihrem genervten Blick. "Wo müssen wir denn lang?" Ich drehte mich einmal im Kreis. Überall gingen Flure von der Eingangshalle ab, doch Schilder konnte ich nirgends entdecken. "Ich rauche mir erstmal eine Kippe und danach fragen wir die Alte da nochmal." Wir ließen unsere Koffer stehen, was in mir ein unangenehmes Gefühl auslöste und liefen nach Draußen vor die Tür. Es war noch etwas dunkeler geworden und nun kam das Lichterspiel der vielen LED-Schilder noch viel mehr zur Geltung. Ein paar Häuser weiter stand ein kleines Theater oder Kino. Das besondere daran war, dass an der Hauswand nicht Kinofilme promoted wurden, sondern Jazz Songs und Sänger. Mein Herz schlug schneller bei diesem Anblick. Es sollte wohl der schönste Ort sein, an dem ich jemals gewesen war. Tief inhalierend sog Sandra den Rauch ihrer Zigarette ein. "Ich will unbedingt in einem Jazz-Club sitzen, eine Zigarre rauchen und Bourbon oder sowas trinken - so wie in den ganzen Filmen immer." träumte Sandra vor sich hin. "Ich habe da schon eine Idee" sagte ich und nickte dem Theater zu. Sandra sah von meiner Idee sehr angetan aus. "Wahnsinn, das sieht ja mega aus." Als Sandra aufgeraucht hatte, gingen wir durch die schöne Drehtür zurück ins Gebäude. "Ich will nicht." sagte ich mit einem Blick zu der Rezeptionistin. Doch erbarmungslos schob mich Sandra zu ihr rüber. "Ich werde das sicherlich nicht machen." Leicht ängstlich stellte ich mich vor die Theke und räusperte mich einmal kurz. Sandra stand bei unserem Koffer und schrieb irgendjemanden, beobachtete mich aber zwischenzeitlich, immer bereit einzuschreiten. Genervt, aber fragend schaute sie mich an. Auf ihrem goldenen Schild stand Ms. Carter, ich hatte es vorher gar nicht bemerkt. "Wo finden wir denn unser Zimmer?" Ich trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Ohne überhaupt ein Wort zu sagen, zeigte sie auf einen Flur direkt gegenüber von ihrem Standort. Ich drehte mich um und nickte kurz. "Dankeschön." Schnell bewegte ich mich zu Sandra, um meine Koffer zu holen.
Die Flure sahen wirklich wunderschön aus. Sie waren alle relativ wenig beleuchtet, noch dazu dunkel gestrichen. Die einzigen Lichtquellen erhellten die großen Acrylbilder, die an der Wand hingen. Auch sie hatten einen sehr depressiven Unterton, und die Trauer schoss mir durch die Knochen, aber sie hatten auch etwas schönes, nur wusste ich noch nicht was es war. Sandra musterte die Bilder nur aus den Augenwinkeln. Bei ihr hatte der Jetlag eingesetzt, weshalb sie nur noch durch die Flure schlich. Wir kamen an einer Gabelung an. Vor uns hing ein riesiges Gemälde. Ebenfalls beleuchtet und mit Vorhängen links und rechts bestückt. Darauf war ein Gesicht abgebildet, welches sehr neutral aussah, fast schon genervt. Der Mann war in Tücher gehüllt, an seinen Beinen waren Kettenabdrücke, als wäre er gefesselt worden. "Chained soul. 1857. Private doner." prangte auf einem Schild darunter. "Dieser Malstil passt gar nicht zu der Zeit" sagte ich nachdenklich. "Ich fühle diesen Mann richtig. Nur die Augenringe fehlen noch" scherzte Sandra. Das Bild löste irgendwas in mir aus, nur konnte ich diese Gefühle noch nicht deuten. Hmm Merkwürdig. Doch ich verschwendete keinen Gedanken mehr daran. "Links oder rechts?" fragte ich Sandra, obwohl ich wusste, dass sie mir diese Frage auch nicht beantworten konnte. Sie schloss kurz die Augen und ich sah sie nachdenken. Ein kleiner Windstoß fuhr durch das Gebäude und der Vorhang wehte einmal kurz. Na toll, wir würden diese Nacht wohl frieren. "Geh du mal nach rechts und ich nach links." ich schaute sie etwas skeptisch an. "Dir ist schon bewusst, dass unsere Zimmer direkt nebeneinander liegen?" "Du hast mich doch gefragt oder? Mein Bauchgefühl hat entschieden. Ich bin mir sicher." Ich seufzste einmal kurz. Um sie nicht traurig zu machen, sagte ich "bis gleich" und bog nach rechts ab. Jetzt war ich ja mal gespannt. Je weiter ich in diese Richtung ging, desto heller wurde die Farbe an den Wänden. Der Verlauf war unglaublich schön. Kurz vor meinem Zimmer erstrahlte die vorher dunkelblaue Farbe, creme weiß. In der Ecke stand ein kleiner Baum, der vereinzelt rosa Blüten trug. Ich war restlos begeistert. Langsam legte ich die Karte auf das kleine Lesegerät in der Wand. Es klickte kurz und die Tür ging auf. Als ich eintrat, blitze die Türnummer einmal kurz auf. Sandra war noch nicht wieder gekommen, also nahm ich an, dass sie ihr Zimmer tatsächlich gefunden hatte. Wer hätte das erwartet? Naja jeder hat einen Glücksguess, dachte ich. Der Kronleuchter erhellte sich, als ich den ersten Schritt in mein Zimmer wagte. An ihm hingen kleine Edelsteine in gelb, die wie Sonnen geformt waren. Das Zimmer war ebenfalls cremeweiß gestrichen. Auch die Möbel waren aus weichen weißem Holz, die Dekostücke im Zimmer waren allesamt gold angestrichen. Der einzige echte Farbklecks war über dem Himmelbett zu erblicken. Der Maler hatte hier eine wunderschöne orange Sonne - natürlich auch mit goldenen Effekten auf die Wand gebracht. Es hätte genauso gut das Zimmer eine Königin oder einer Fee oder sowas, sein können. Ich stellte meinen Koffer ab und betrachtete das Badezimmer. Wie erwartet strahlte es ebenfalls in weiß. Ich fühlte mich direkt sehr wohl, denn dieses Zimmer gab einfach eine so besondere Wärme wieder. Ich packte die nötigsten Sachen in die Kommode. Mir fiel mein rotes Kleid in die Hände. Es war ein A-Linie Kleid mit V-Ausschnitt, fiel sehr locker herunter und schaffte es doch meine Kurven zu betonen. Ich lächelte und zog es nach einer kurzen Überlegung an. Dazu trug ich meine schwarzen hohen Schuhe. Ich fühle mich direkt selbstbewusster. Mit dem Gedanken an meinen ersten Abend in einem echten Jazz-Club lockte ich meine Haare nach und schminkte mich - aber etwas natürlicher. Plötzlich fiel mir ein, dass ich mich noch nicht einmal bei meinen Eltern, geschweige denn meinen Freunden gemeldet hatte. Ich durchwühlte die Zettellandschaft auf meinem Nachtschränkchen und setzte mich auf mein Himmelbett. Es war unglaublich weiß und ich sank direkt ein paar Zentimeter nach unten. Ganz unten in dem Stapel, fand ich einen WLAN-Zugang. Als mein Handy sich damit verband, explodierte es fast, durch die Nachrichtenfront. Meine Eltern hatten beide mehrmals versucht anzurufen und viele haben gefragt, ob wir heil angekommen seien. Ich musste grinsen. Es tat sehr gut, dass so viele sich um uns sorgten. Ich rief kurz meine Eltern an, um ihnen mitzuteilen, dass es alles gut gelaufen war uns natürlich um mich für die später Antwort zu entschuldigen. Ganz oben in meiner Chatliste prangte eine Nachricht von Sandra. "Warum brauchst du so lange? Hab schon geduscht. Kommst du rüber?" Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon nach 19 Uhr war. Ich hatte wirklich verdammt lange gebraucht. Ich schnappte mir meine kleine Handtasche und die wichtigsten Sachen, wie Geld, Handy und Schlüsselkarte, um 5 Minuten später vor Sandras Tür zu stehen. Hier sah alles ganz anders aus. Der Farbverlauf war ganz anders als meiner. Hier wurde es immer dunkeler, dafür aber das Licht heller. Es wirkte irgendwie mystischer, geheimnisvoller als meine Seite. Ich vermutete, dass ihr Zimmer genauso dunkel gestrichen war und ich sollte recht behalten. In der Ecke vor ihrer Tür stand kein Baum, sondern ein dunkelgrünes Samtsofa. Es hätte perfekt in ein altes Schloss gepasst. Ich klopfte an ihre Tür, die sich schon ein paar Sekunden später schwungvoll öffnete. Auch Sandra hatte sich sehr schick angezogen. Sie trug eine zerissene dunkelblaue Jeans und ein schwarzes Top, was ihre Oberweite sehr gut betonte. Ihre geglätteten Haare umrandeten ihr geschminktes Gesicht perfekt. Wir machten uns gegenseitig Komplimente. "Du siehst es super aus." sagte ich. "Das Kleid ist der wahnsinn. Das kann ich nur zurückgeben." Sie machte eine einladene Bewegung und ich trat ein. In der dunkelblauen Wand waren ganz viele kleine LEDs einbaut, die aussahen, wie leuchtende Sterne. Das Möbilliar war aus dunkelem Holz gemacht, genauso, wie das schwarze Himmelbett. Über ihrem Bett war ein grauer Vollmond aufgemalt. "Willkommen bei Tumblr." sagte Sandra mit einem beeindrucktem Blick. "Ich habe erstmal ein Video gemacht und auf Insta hochladen. Ist das nicht der Wahnsinn?" Sie hatte recht. Es gab kaum ein Wort, was dieses Zimmer besser beschrieben hätte. "Mein Zimmer ist einfach ein kompletter Kontrast zu diesem hier." Ich hatte natürlich auch ein Video gemacht, was ich hier nun zeigte. Sandra schaute sehr beeindruckt. "Deins sieht halt auch mega schön aus. Vor allem passt es voll gut, dass dein Zimmer in gold und meins in silber gehalten ist." Ich nickte ihr zustimmend zu. "Die Farben spiegeln unsere Seelen ziemlich gut wieder." Wir mussten beide Lachen. Nun wurde ich etwas unruhig. "Können wir jetzt bitte los? Ich will endlich in einen Jazz-Club und ich kann und will einfach nicht mehr warten." "Na dann mal los."
Und wir liefen los - leichtfüßig, wie 2 Kinder im Sommer über das warme Gras rannten. Unschuldig. Unwissend, was auf sie zukommen würde, sobald sie den kleinen Jazz-Club betreten würden.
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New Orleans - eine dunkle Leidenschaft
VampirLaras Leben wandelt sich um 360 Grad. Endlich hat sie einen Platz an einer Universität bekommen, um endlich Medizin studieren zu können und damit ihren Traum wahr werden zu lassen. Das einzige Problem? Für ihr Studium muss sie nach Ungarn ziehen. Do...