the watcher

kapitel vier: das projekt

Der nächste Tag verlief soweit ereignislos, Chloe verfolgte dieselbe Routine wie gestern. Die einzige Ausnahme war, dass es heute keine Blaubeerpfannkuchen gab, sondern Vollkornbrot mit Frischkäse und Gemüse. Chloe fuhr wieder mit Elli und Nele Bus, hatte nach der morgendlichen Ansprache durch den Direktor wieder Projektstunde mit den anderen Schülern der Oberklasse.

Sie suchten sich erneut ein Klassenzimmer und Cynthia eröffnete die Sitzung: „Hi Leute! Ich hoffe, ihr habt alle darüber nachgedacht und euch entschieden, was wir für ein Projekt machen sollen!"

Betretenes Schweigen erfüllte den Klassenraum, Cynthia sah sich fragend um. Amalia ergriff das Wort: „Ich fand die Idee der Ausstellung eigentlich gar nicht so schlecht. Ich meine, wir können wegen des Themas eben schlecht andere Produkte wie zum Beispiel einen Film oder so machen. Ich bin aber auf jeden Fall dafür, die Ausstellung nicht nur auf einen Bereich zu beschränken." 

Nele schaltete sich ein: „Ja, finde ich auch. Wenn wir uns nicht auf ein bestimmtes Gebiet beschränken, in dem wir die Blinden beobachten, dann wird glaube ich jeder glücklich mit dem Endprodukt sein." 

„Ja", ergänzte Elli, „wir könnten dann Kleingruppen einteilen, zum Beispiel Musik, Kunst, Architektur, Politik, Lebensalltag, Beruf oder sowas?"

Cynthia sah erfreut aus, dass sich ihr Vorschlag durchgesetzt hatte und klatschte begeistert in die Hände.

„Perfekt", triumphierte sie, „dann stimmen wir doch mal ab: wer ist für eine Ausstellung über die Blinden und unsere Beobachtungen in verschiedenen Themenbereichen?" Leises Gemurmel erfüllte den Klassenraum, schließlich erhoben sich alle Hände der Schüler.

„Sehr gut", schloss Cynthia, „dann ist es also beschlossen." Chloe lächelte kurz Elli und Nele zu, sie fühlte sich optimistisch und war voller Motivation in Anbetracht des Projektes, das ihr kommendes Jahr maßgeblich prägen würde. Elli und Nele erwiderten ihr Lächeln, wobei die Beiden längst nicht so optimistisch schienen wie Chloe. „Eine Frage", setzte Alexander an, „wie beobachten wir denn nun die ? Ich glaube, es würde mehr Sinn machen, sich zuerst von ihrer Situation ein Bild zu verschaffen und dann erst die Kleingruppen einzuteilen?"

„Ich würde vorschlagen", ergänzte Amalia, „dass wir zuerst eine Woche lang unsere Beobachtungen anstellen und dann nächste Woche zusammentragen?"

Ihre Ideen ernteten zustimmendes Gemurmel und Cynthia nickte:

„Ja, ich denke das ist so am besten. Für unsere Beobachtungen habe ich gestern mit Mr. Barnaby geredet, er hat uns Zugang zu der Technologie verschafft. Ich werde euch einen Link schicken, dann könnt ihr auf euren Home Docks Zugang zu den Überwachungskameras bekommen."

„Oh wow!", erwiderte Selena überrascht, „das ging ja schnell. Werden wir auch die Gefühle oder Gedanken sehen können?" Gespannt kehrte Stille in den Klassenraum ein, alle schauten gespannt zu Cynthia, die den Moment der ungeteilten Aufmerksamkeit sichtlich in vollen Zügen genoss, bevor sie verkündete:

„Gute Nachrichten: ja! Wir haben vollen Zugang auf Gedanken und Gefühle der Blinden! Das könnte interessant werden! Mr. Barnaby meinte, ab heute Mittag dürfte alles soweit freigeschaltet sein und wir sollen uns bei Problemen bei ihm melden." Sie senkte dramatisch ihre Stimme und flüsterte aufgeregt: „Ich habe gehört, die Lichtregierung hat sich damit beschäftigt und uns extra Zugang gewährt!" Die Klasse verfiel in Tuschelei, Neles Augen weiteten sich und sie stupste Chloe an:

„Oha", wisperte sie, „da sollten wir besser nichts falsch machen. Wenn die Lichtregierung sich für unser bescheidenes Schulprojekt so ins Zeug legt!" 

Chloe nickte und sah neben sich zu Elli. Sie wirkte jedoch nicht so freudig überrascht oder ehrfürchtig wie Nele, ein dunkler Schatten hatte sich über ihr Gesicht gelegt, den sie mit einem kleinen Lächeln aber schnell vertuschte.