Mein Flug auf Nava war zeitlos. Ich fand ihn zu kurz, doch ich merkte, wie ich langsam müde wurde. Deshalb versuchte ich ein letztes Mal meine Kraft einzusetzen, dieses letzte Mal sollte perfekt sein. So langsam müsste ich sie doch kontrollieren können, oder setzte ich mir zu hohe Ziele? Nein, ganz bestimmt nicht, mein Großvater beherrschte seine Kraft bereits mit 10 perfekt, ich war mindestens 2 Jahre in Verspätung, außerdem gab es nichts was ich nicht schaffen könne. Ich atmete tief ein, ließ Luft in meine Lungen strömen und schloss erneut die Augen. Meine Hände ruhten auf Navas Hals. Gleich würde es so weit sein. Ein unsichtbarer Fluss kam aus meinen Händen, ich stellte ihn mir immer weiß vor, weiß wie der Frieden. Er sollte schließlich auch Frieden schaffen, wenn die Zeit meines Triumphes gekommen war.
Der Fluss erreichte Navas Hals, er floss immer weiter, breitete sich unaufhaltsam aus. Ich wusste, dass Nava dies genoss, für sie war das alles nur ein Spiel. Dann geschah es, ich war nicht mehr ich, sondern der Fluss, ich fühlte mich frei. Ich hatte die Macht, mich zu vergrößern, meine volle Gestalt in diesem Zustand auskosten, doch ich tat es nicht. Ich konzentrierte mich nur noch auf mein Ziel, Nava. Langsam, für meinen Geschmack zu langsam, wurde ich zu Nava. Ich spürte, wie kraftvoll ich war. Für den Vogel, der vorbeiflog, war ich in Sekundenschnelle verschwunden. Nur ich wusste, wie anstrengend und mühsam diese Verwandlungen waren. Trotz der Anstrengung genoss ich es, nicht mehr in meinem menschlichen Körper gefangen zu sein.
Wenn ich daran dachte, dass ich noch vor einigen Monaten das Gefühl in einen anderen Körper zu tauchen hasste und erst nach Minuten anfing, mich in der verwandelten Form zu bewegen, überkam mich der Stolz. Um meine Verbesserung zu demonstrieren, wurden meine Flügelschläge noch ausladender, und ich gewann an Höhe. Ich flog stetig weiter, ohne Anstalten zu machen, aufzuhören. Freude überströmte mich, so lange war ich noch nie Nava gewesen! Ich ignorierte das Brennen, das war die Art des Fluss, um mir mitzuteilen, dass ich wieder Quinn werden sollte. Der Moment war einfach perfekt. Doch wie jeder Moment, musste auch dieser vorrübergehen. Ich wollte nicht wie sonst, unsanft und brutal wieder in meine menschliche Gestalt gezwungen werden. Deshalb entschied ich, den nächsten Schritt zu wagen, aufzuhören, freiwillig. Ich verband meinen Geist mit dem Fluss, sie wurden eins. Wenige Sekunden später, verwandelte ich mich wieder in Quinn. Ich konnte nicht aufhören zu strahlen. Zum ersten Mal hatte ich selbst entscheiden können, aufzuhören. Nava schüttelte sich ein wenig, und ich verstand, dass auch sie erschöpft war, obwohl ich die meiste Arbeit geleistet hatte.
Ich merkte, wie meine Beine schwer wurden, und ich mich ein wenig unwohl fühlte. Eine lästige Nebenwirkung meiner Kraft. Mein Geist muss sich wieder in meinem Körper zurechtfinden. Ich schob diese Unruhe beiseite und wir landeten auf der Lichtung. Ausgiebig wurde Nava von mir gekrault und gelobt, aus Angst, sie könnte die Lust am Training verlieren. Leider hatte ich keine Insekten dabei, Hagrid aber. „Wo bleibt der Verrückte?", flüsterte ich in Navas Gefieder. Sanft streichelte ich ihren Schnabel, als ich plötzlich eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Ich drehte mich um, doch ich sah nur für einen kurzen Augenblick einen Schatten, ehe er ohne ein Geräusch verschwand. Doch dies genügte mir, um festzustellen, dass es sich um einen Menschen handeln musste.
Ein Mensch der nicht Hagrid war. Für ein Fabelwesen in diesem Bereich des Waldes war der Schatten entweder zu klein oder zu groß gewesen. Jemand musste mich beobachtet haben! Ohne zu überlegen, versuchte ich mich in diese Person zu verwandeln. Es war meine einzige Möglichkeit mehr herauszufinden. Der Fluss weitete sich langsam aus, doch ich fand die Person nicht. Im Wald war es so unglaublich schwer, den richtigen zu identifizieren, deshalb übte ich immer in der Luft. So viele Lebewesen gab es hier, so viele Geräusche und Bewegungen. Kurz hatte ich das Gefühl etwas Menschenähnliches gefunden zu haben, allerdings fühlte es sich nicht Lebendig an, eher wie etwas Schemenhaftes, ich bekam es nicht zu greifen, darum entglitt es mir.
Ich stürzte und rang nach Atem. Meine Kräfte waren für heute aufgebraucht. Auf dem Waldboden kniend fluchte ich leise. Warum hatte ich ihn nicht gefunden? Ich hatte mich zwar noch nie in einen Menschen verwandelt, aber ihre penetrante Anwesenheit spürte ich normalerweise sofort. Kannte der Fremde meine Kraft und hatte sie manipuliert? Er musste sie kennen, um sich gegen sie wehren zu können! Das machte mir Angst. Wer ist mein Feind? Benommen stand ich wieder auf und fing wieder an, Nava zu streicheln. Nava schaute mich seltsam an. Sie mochte es nicht, wenn man ihr keine Aufmerksamkeit widmete, und ich wollte sie nicht verärgern. Sie schnaubte zufrieden, allerdings sagte ihr Blick etwas anderes über ihren Gefühlsstatus aus.
„Tut mir leid Quinn, es hat länger gedauert als gedacht.", ich hatte gar nicht gemerkt, dass Hagrid neben mir aufgetaucht war und innerlich beschimpfte ich mich für meine Unaufmerksamkeit, da genau diese mich immer wieder in Schwierigkeiten brachte. Der Halbriese bemerkte meinen verwirrten Gesichtsausdruck: „Alles ok? Du siehst nicht gut aus. Bist du schon geflogen?" Ich nickte und versuchte einen fröhlichen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Ich fragte, damit Hagrid sich keine Sorgen machte, was denn nun mit meiner Überraschung sei. Er grinste. „Du hast sicher schon gemerkt, dass Fang nicht mehr bei mir ist. Kurz nach deiner Begrüßung ist er abgehauen. Ich glaube, ich weiß aber wo er ist. Komm mit." Fang hatte ich vollkommen vergessen. Ein weiteres Zeichen, dass ich aufmerksamer werden musste. Ich versuchte mich, auf Hagrids Worte zu konzentrieren, doch mein letzter Funken Konzentration war in meine Verwandlung geflossen.
Was würde geschehen, wenn die Person gefährlich wäre? Hatte sie es auf mich oder auf Nava abgesehen? Meine Gedanken drifteten ab, doch ich zwang mich zur Ruhe. Als Hagrid endlich aufhörte zu reden, und ich nickte, obwohl ich nicht wusste, was er gesagt hatte, verbeugten wir uns vor Nava. Mir gefiel es nicht, sie allein zu lassen, aber was konnte ich machen? Sie war ein majestätisches Wesen, das sich gut genug verteidigen können müsste, um zu überleben. Wohl oder übel musste ich gehen. Hagrid ging vor und ich folgte ihm. Doch ein unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus. Ich hasste es, wenn ich nicht wusste, was ich tun soll. Wer hatte den Mut, sich mit mir anzulegen? Und, die Kernfrage, was war der Grund? War Hagrid absichtlich von den Zentauren aufgehalten worden? Hatten die Zentauren etwas damit zu tun? War es dumm, mich vor dem Fremden zu verwandeln? War es nur eine zufällige Begegnung gewesen? Ein verirrter Schüler? So tief im Wald. Nein, das schien mir unwahrscheinlich.
Ich fühlte mich beobachtet. Jedes Knacken eines Astes ließ mich aufhorchen. Als ich mich umdrehte, sah Nava mich immer noch an. Mit einem unbekannten Ziehen in der Brust kehrte ich ihr den Rücken zu.
DU LIEST GERADE
Gemeinsam einsam
FanfictionHarry Potter. Der Junge, der überlebte. Der Junge, der sterben muss. Davon ist Quinn Ava fest überzeugt. Und niemand wagt es, ihr zu widersprechen, oder? Sie allein gegen den Rest der Welt. So war es immer und so wird es immer sein. Die Prophezei...