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Im Badezimmer betrachte ich mich als erstes im Spiegel. Wie vermutet sitzen tiefe, dunkle Ringe unter meinen Augen. Meine Haare sitzen komlett fettig und zersaust auf meinem Kopf. Ein einziger Wirrwarr. Zögern nehme ich die Jacke von Diego von meinen Schultern und ziehe mein Oberteil aus. Dadurch, dass ich vorher schon dünn war und ich vor der Entführung kaum gegessen habe und die letzten Tage auch nicht, ist meine Figur noch dünner geworden. Ich könnte als Vogelscheuche durchgehen. Oder mit einem spitzen Hut und einem Besen, würde ich vermutlich eine gute Hexe darstellen.
Vor dem nächsten Moment habe ich mich am meisten gefürchtet. Der Anblick im Spiegel von meiner Brandwunde. Ich drehe mich ein wenig zur Seite und kann durch den Spiegel das ,A' erkennen. Der Buchstabe ist zwar nicht so groß wie mein Schulterblatt, aber groß genug um sofort ins Auge zu fallen. Bestimmt vier oder fünf Zentimeter groß. Wie soll ich das Milan erklären? Sobald er das sieht, wird er durchdrehen. Er wird jeden Stein doppelt umdrehen, um ihn zu finden und mich dabei komplett vergessen. Ein leises Klopfen an die Holztür unterbricht meine Gedankengänge. ,,Brauchst du Hilfe? Soll ich hinein kommen?" Er ist so süß, wenn er weiß wie schlecht es mir geht. Er kann so fürsorglich sein, schade, dass er nicht immer so zuvorkommend ist. ,,Nein. Ich schaffe das alleine." Von der anderen Seite kann ich ein seufzen wahrnehmen. ,,Carla ist auch hier. Möchtest du sie als Hilfe dabei haben? Oder vielleicht willst du mit ihr reden... über das was passiert ist?" Soll ich Carla hinein lassen? Sie würde Milan nie etwas erzählen, wenn ich es nicht möchte. Ihr kann ich vertrauen. Schnell lege ich mir die Jacke wieder über meine Schultern und halte sie vorne ein wenig zu, damit man nicht meine nackte Brust als erstes sieht. Zögernd öffne ich die Tür und stecke meinen Kopf hindurch.
„Carla darf rein kommen." Meine Stimme ist leise und zerbrechlich. Meine beste Freundin quetscht sich durch den Türspalt und schließt hinter sich ab.
Stürmisch umarme ich sie und lasse meine Tränen los. Leicht streicht sie über meinen Rücken und tröstet mich mit beruhigenden Worten.

„Willst du mir erzählen was er mit dir gemacht hat?" Mitleidend schaut sie mich an und setzt sich auf den Rand der Badewanne. „Er hätte mich langsam verhungern und austrocknen lassen. Er hat mich eingesperrt.", schluchze ich und setze mich vor ihr auf den Boden. Zögernd nehme ich die Jacke von meinen Schultern und drehe meinen Rücken zu meiner Freundin. „Er hat mir weh getan. Mein Körper ist verunstaltet und ich weiß nicht, ob das jemals wieder weggehen wird." Als ich mich umdrehe sehe ich wie sich Carla vor Schock die Hand vor den Mund hält. „Samira, das musst du Milan zeigen." Hecktisch schüttle ich den Kopf. Er darf das nicht erfahren. Ich kann ihm so nicht unter die Augen treten. „Nein. Er wird es früh genug merken. Ich will es ihm noch nicht sagen." Gestehe ich ihr und Knete nervös meine Hände. „Wieso?" „Er würde sich Sorgen machen und den Mann finden wollen, der mir das angetan hat. Aber ich brauche ihn bei mir. Ich hatte solche Angst als ich dort war und ich will Milan nicht verlieren. Ich brauche ihn als Unterstützung um das alles zu verarbeiten." Sie nickt zwar, schaut mich aber trotzdem skeptisch an. „Du kannst Diego fragen, ob das wieder vollständig verheilt oder ob eine Narbe zu sehen sein wird. Er kennt sich damit ziemlich gut aus." Dankend nicke ich.

Angespannt und frisch geduscht liege ich in meinem Bett. Mein Licht am Nachtkästchen ist noch an. Ich habe Angst, dass das alles nur ein Traum ist und ich im Keller wieder aufwache. Ich halte den Gedanken nicht aus. Milan habe ich den Rücken zugekehrt und starre die Wand an. Ich habe Angst einzuschlafen. Vielleicht hätte Carla hier übernachten sollen. Obwohl Milan neben mir liegt fühle ich mich alleine. Er weiß immer noch nicht was passiert ist und ich denke, dass das der Grund ist, weswegen ich mich immer noch so unwohl fühle.
„Samira? Kannst du nicht schlafen?" Erschrocken zucke ich zusammen, bleibe dann aber wie erstarrt liegen. Als ich nicht antworte legt er einen Arm um mich und zieht mich näher zu sich. „Ich bin bei dir. Er kann dir nichts mehr tun, versprochen." Einen leichten Kuss setzt er auf meine Haare und bleibt entspannt liegen.

Am nächsten Morgen werde ich durch laute Stimmen geweckt. Ängstlich begutachte ich meine Umgebung und muss feststellen, dass ich zu Hause bin. Bei meinem Mann, der mich beschützt.
Langsam stehe ich auf und tapse zum Badezimmer . Ein Blick in den Spiegel verrät mir, das ich genauso beschissen aussehe wie ich mich fühle. Meine Augenringe sind noch dunkler und stärker geworden und meine Haut ist blass, als wäre ich eben von den Toten auferstanden. Horrorfilmreif.
Barfuß und nur im Pyjama und Bademantel schleiche ich die Treppe hinunter in unser Esszimmer und kann ein paar von Milans Männern erkennen. Carla und Lori sind auch da. Als mich die anderen bemerken ist jeder still und starrt mich an. Milan ist der Erste, der auf mich zukommt und mit mir spricht. Er umarmt mich und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. „Was macht ihr alle hier?" Ich beobachte das Verhalten von den anderen. Bestimmt haben die eben noch über mich gesprochen. „Wir besprechen nur etwas. Hast du Hunger?" Seit wann wird unser Esszimmer als Besprechungsraum genutzt? Als Antwort gucke ich mit den Schultern und gehe in die angrenzende, offene Küche.
Nachdem ich mir das Essen im Kühlschrank angesehen habe, entscheide ich mich für ein Müsli und ein bisschen Obst. „Wieso seid ihr alle hier?", frage ich an Lori gewandt, da sie nur zwei Meter neben mir steht. „Wegen dir. Das was passiert ist darf nicht noch einmal passieren, wir müssen dich besser beschützen." Das heißt vermutlich, dass ich das Haus gar nicht mehr verlassen darf. Perfekt. Emotionslos nicke ich und esse langsam mein Müsli auf.
Meine Leben ist schon verkorkst genug und jetzt passiert auch mich soetwas. Ich war grundsätzlich bis jetzt immer rund um die Uhr bewacht. Bis mich Mason auf der Straße getroffen hat und mich mitgenommen hat.

Zwangsheirat mit einem Mafia Boss ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt