Zum letzten Mal musste ich um sechs Uhr morgens aufstehen, um pünktlich zur Schule zu kommen. Ich sah die Freiheit quasi schon durch das Fenster des Schulbusses, so sehr freute ich mich auf sie! Nur noch dieses blöde Abschlusszeugnis abholen und ich wäre endlich frei von zwei Doppelstunden Mathe die Woche und noch besser: Ich wäre endlich frei von Sportunterricht!!!
Natürlich waren alle anderen Schüler meines Jahrgangs auch schon da.
Ich war noch nie die erste, aber das störte mich auch nicht weiter, so konnte ich zumindest eine kurze Zeit dem Spott am Morgen entgehen.
,,Hey Freak", begrüßte mich Luke natürlich, der im Jackett in der ersten Reihe saß mit ein paar anderen Typen aus meinen Leistungskursen, ,,Hast du dich rausgeputzt? Wobei, dass würde ich eher Schadensbegrenzung als Rausputzen nennen." Ich hatte tatsächlich ein Kleid angezogen, dass hatte ich mir erst kürzlich gekauft. Natürlich hatte ich schon vorher in der Schule Kleider getragen, aber das hier war aus rosaner Seide mit einem hochgeschlossenen runden Ausschnitt. Nicht mein Lieblingskleid, aber es war hübsch.
,,Hey Lucky Luke", erwiderte ich die Begrüßung mit einem von Nialls Sprüchen, ,,Hast du mit deinem Schatten geknutscht oder warum siehst du so aus, als würdest du zu deiner eigenen Beerdigung gehen?"
Nils und Kai auf seiner anderen Seite lachten verhalten hinter vorgehaltener Hand und Luke starrte mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. ,,Hast du heute einen Clown gefrühstückt oder was bringt dich dazu, mich so anzublaffen?" ,,Wenn hier einer blafft, dann bist du das", ließ ich mir selbst einen Spruch einfallen und bereute es sofort. Ich sah Luke an, dass er etwas sagen wollte, aber jemand aus der Reihe hinter uns beugte sich vor und sagte zu Luke: ,,Junger Mann, wenn du noch einmal den Mund aufmachst, um meine Tochter zu beleidigen, dann zerlege ich dein Gehirn schneller, als du einen Organspendeausweis ausfüllen kannst."
,,Papa!", fuhr ich freudig überrascht zu ihm herum, ,,Du bist hier?"
,,Ich hab dafür alle OPs für heute verschoben, meine Patienten hätten mich mit dem Skalpell erstochen, hätte ich das nicht gemacht", lachte mein Vater und umarmte mich über die Stuhllehne hinweg.
,,Also deine Patienten hab ich ganz doll lieb!", verkündete ich und wandte mich dann wieder nach vorne, weil unsere Schulleiterin die Bühne der Aula betrat.
,,Okay", hielt dann Frau Ken ihre Jahresabschlussrede, ,,Ein weiterer Jahrgang verlässt die Irrenanstalt. Ich weiß, dass waren keine leichten Jahre für euch, aber jetzt habt ihr es ja geschafft. Zumindest bis es ans Studium geht, aber ich schweife ab! Ihr habt harte Jahre überstanden, habt alle euer Abitur bestanden und Natalie Zegler mit 1,2 als Jahrgangsbeste. Tut mir leid Natalie, aber damit muss ich die nächsten Jahre angeben, dass ist der beste Durchschnitt, die wir seit Jahren hatten. So und jetzt, ohne weiteres Tamtam, kommt hoch und holt euch eure Abizeugnisse."
Ein Schmunzeln konnte ich nicht verhindern.
Dann gingen alle nach und nach auf die Bühne, um ihre Zeugnisse abzuholen und ich war natürlich mit Z im Nachnamen erst als eine der letzten dran.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mich auf der Bühne gut fühlen würde, als Frau Ken noch einmal meinen Titel als Jahrgangsbeste erwähnte und Papa am lautesten jubelte. Das er da war, bedeutete mir mehr, als meine gute Abschlussnote.
,,Mein kleines Küken hat ihr Abitur", freute er sich und wirbelte mich durch die Luft, als wir raus auf den Schulhof kamen.
,,Ja, ich hab mein Abitur", jauchzte ich, ,,Endlich kann ich ausschlafen!"
Papa lachte und setzte mich wieder ab, damit wir Arm in Arm zum Schulparkplatz schlendern konnten, während er sagte: ,,Erzähl schon, wie war es in London? Hast du einen süßen Briten kennen gelernt?"
,,London war cool", fasste ich mich kurz.
,,Also ein süßer Typ, wie heißt er? Wer ist er so?", hakte Papa nach und gab mir einfach so seine Autoschlüssel!
Etwas verdutzt rutschte ich auf den Fahrersitz und stellte mir alles ein, bevor ich antwortete: ,,Ja, ich habe jemanden kennen gelernt. Sein Name ist Niall Horan, er ist echt nett."
,,Oh Gott", stöhnte Papa entnervt, ,,Ich hab so viele Schwestern und Assistenzärztinnen, die pausenlos über One Direction und besonders über den irischen Schnuckel Niall James Horan tratschen, der single ist. Ich weiß mehr über diesen Kerl, als ich wissen will!" ,,Und was zum Beispiel?", fragte ich belustigt, während ich Papas Tesla aus der Parklücke steuerte. ,,Seine Blutgruppe, seinen Geburtstag und seine Größe, sowohl Gesamtpaket, als auch untenrum!" ,,Niall hat mich schon vorgewarnt, wie verrückt das Fandom ist", lachte ich nur darauf, ,,Also, wenn du den ganzen Tag frei hast, was machen wir dann?"
,,Wir können essen gehen, such dir irgendwas aus", schlug Papa vor.
,,Kannst du mir auch Pfannkuchen mit Marmelade machen und zum Nachtisch Erdbeeren mit Zucker?"
,,Alles was du willst Küken."
Ich quiekte verzückt, Pfannkuchen mit Marmelade und Erdbeeren mit Zucker waren schon als Kind mein absolutes Lieblingsgericht.
Das war wirklich schön endlich mal wieder mit meinem Vater Zeit zu verbringen. Wir alberten rum in der Küche und bewarfen uns bei der Teigzubereitung gegenseitig mit Mehl, weshalb ich erstmal meine Haare ausbürsten musste, als Papa dann den Teig zu fertigen Pfannkuchen verarbeitete. Und nicht einmal wurden wir von seinem klingelnden Handy oder von seinem Pieper unterbrochen. Normalerweise kündigte das Ding immer schon nach nur kurzer Zeit einen neuen Notfall an, aber es blieb stumm.
Bis mein Handy klingelte.
Niall.
,,Papa, ich...", stammelte ich zögernd, ,,Ich würde gerne... Ist es okay, wenn ich kurz ran gehe?"
,,Nur zu", antwortete er nur, ,,Ich kann ja schonmal das Geschirr weg räumen."
Ich nahm also das Gespräch an und sagte zur Begrüßung: ,,Hey sweety, wie geht es dir so?" ,,Hey Naddi, alles prächtig bei mir", antwortete Niall sofort und ich konnte sein Grinsen förmlich hören, was mich automatisch auch grinsen lies, ,,Wie steht es bei dir so? Störe ich?" ,,Nein, quatsch, du störst nicht!", tat ich das ab, es war nur eine halbe Lüge, ,,Ich hab heute mein Abschlusszeugnis bekommen. Wie ich es ausgerechnet hatte, eine 1,2!"
,,Du abartige Streberin", lachte Niall, ,,Herzlichen Glückwunsch du hübsche, intelligente junge Frau!"
Ich lachte mit ihm und fragte dann: ,,Konntet ihr gestern Abend überhaupt noch etwas planen, nachdem die anderen Jungs aus deiner Band dein Handy rum gereicht haben? Und Liam hat das doch nicht wirklich ernst gemeint, dass ich euch auf Tour begleiten soll!"
,,Doch, dass hat er ernst gemeint, ich hab es nämlich vorgeschlagen", kam die überraschende Antwort, ,,Ich würde dich gerne besser kennen lernen und da du gerne reisen würdest dachte ich mir, dass ließe sich gut verbinden. Schon klar, dass kommt jetzt ein bisschen plötzlich und ich verstehe, wenn du Nein sagst, ich übertreibe es wahrscheinlich gerade und sinke immer tiefer ein in den Treibsand des unsinnigen Geredes. Und aus irgendeinem Grund kann ich nicht aufhören, zu reden. Kannst du vielleicht irgendwas sagen, damit ich aufhöre, zu reden?"
Ich konnte nicht anders als zu lachen, bevor ich sagte: ,,Das hört sich ziemlich verrückt an. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass hört sich an sich gar nicht mal so schlecht an. Die Frage wäre nur, was ich die ganze Zeit machen könnte. Ihr werdet auf der Bühne stehen und singen und ich würde im Backstagebereich rum hängen und mich langweilen."
,,Müsstest du nicht, du wärst ja nicht an uns gebunden. Du würdest kostenlos reisen und kannst unterwegs machen, was immer du möchtest. Ich brauche nicht direkt eine endgültige Antwort, wir fliegen in einem Privatjet. Aber bis Donnerstag wäre schön."
,,Ich komme mit", sagte ich einfach und fragte mich, was zum Teufel da mit mir los war, ,,Ich bin dabei."
Aus irgendeinem Grund fühlte es sich richtig an, diese Entscheidung zu treffen. Zwar kannte ich Niall noch nicht besonders lange, aber ich war nun erwachsen. Ich wollte reisen, ich wollte mein Leben genießen, ich wollte Niall kennen lernen.
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like i would
FanfictionEine Abschlussfahrt mit der Stufe ist eigentlich für die meisten Schüler das Highlight ihrer schulischen Laufbahn, nicht aber für Natalie. Sie fühlt sich immer nur, als wäre sie den anderen Menschen um sie herum im Weg, ihre Mitschüler bezeichnen si...