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Hell, schallend und unecht drangen die Töne aus meiner Kehle und erfüllten die Gänge des Krankenhauses als ich aus dem Zimmer trat, die Kiste fest unter meinen Arm geklemmt.

Alles um mich rum wirkte wie in Watte gepackt und an sich die Situation surreal. Wenn ich mich nicht besser kennen würde, nicht wüsste wie krank und zerstört ich innerlich war, und nur nach dem Lachen urteilen würde, würde ich sagen ich sei glücklich.

Doch dem war nicht so, der Schmerz nagte sich mit jedem weiteren Ton den ich machte mehr und mehr in mein Herz, sorgte dafür, dass es sich verkrampfte und meine Muskeln sich rund um anspannten.

Mir war alles egal, nicht einmal die Augenpaare die auf mich gerichtet waren interessierten mich.

Stefan, der Vater von Grace, hatte seine eigene Mauer errichtet, wirkte abwesend und doch sah man ihm den Schmerz an welcher tief in ihm ruhte. Doch seine Absicht war offensichtlich, er wollte stark sein, für seine Frau welche mit den Nerven am Ende war.

Ben welcher am Kaffeeautomaten lehnte starrte an die Tür hinter welcher seine Schwester lag. Tränen flossen über seine Wangen.

Jeder sollte sehen wie sehr er litt, er wollte uns allen zeigen wie wichtig ihm seine kleine Schwester war, und noch immer ist.

Die Green-Brüder standen vereinzelt, Dave starr mit dem Blick aus dem Fenster gerichtet, nicht wollend, dass jemand seine wässrigen Augen sah und Phil, der seine Brille zu Recht rückte und mich haargenau musterte.

Ihm war durch aus bewusst, dass all dies nur einer meiner Schutzmechanismen war und ich innerlich gegen mich selbst ankämpfte, kämpfte um nicht vollkommen den Verstand zu verlieren und mich in eine der unzähligen Ecken zu verkriechen um schweigend vor mich hin zu vegetieren.

Meine Nerven lagen blank, doch ich wollte mir nichts anmerken lassen.

Grace hatte mir eine Aufgabe gegeben welche ich auszuführen hatte.

Gerade bei mir hätte sie wissen sollen was für ein Sturm in mir wütete. Ein Sturm voller Emotionen welche bitterlich versuchten an die Oberfläche zu gelangen, jedoch kläglich scheiterte.

Immer noch leise vor mir hin lachend ging ich den Gang hinab zum Treppenhaus. Jeder Schritt den ich machte hallte auf dem Boden, vermischte sich mit meinem armseligen Versuch meine Gefühle zu vertuschen und ließen jeden wissen wo ich war.

Dave setzte an um zu mir zu kommen, doch sein jüngerer Bruder packte ihn sanft am Arm und schüttelte sachte den Kopf, er war mein Psychiater, er wusste was am besten für mich war.

Dies war auch dem erfolgreichen Arzt bewusst weshalb er widerwillig nickte und mich fort gehen ließ.

Erst als ich im Hotel, zwei Straßen vom Krankenhaus, angelangt war, die Tür hinter mir laut ins Schloss fallen ließ und in die Stille hinein horchte brach alles in mir zusammen.

Kraftlos sackte ich an der Tür zusammen, legte meinen Kopf in den Nacken und hoffte innerlich, dass endlich alles aus mir hinaus brechen würde, jedoch vergeblich. Ein Schrei entfloh mir und mit aller Energie die ich noch aufbringen konnte, schleuderte ich die Kiste in die nächste Ecke um anschließend meinen Kopf auf meinen Knien zu stützen welche ich so nah an meinen Körper zog wie es nur ging.

Es erinnerte mich an die Zeit, in der ich Sturzbesoffen und völlig bekifft, zu gepumpt mit Drogen, zuhause ankam und in genau der gleichen Position saß. Immer hatte ich versucht zu weinen, bekam aber immer nur ein ächzendes Geräusch zu Stande welches einem Schrei glich.

Schon erbärmlich!, dachte ich mir verbittert und schnaubte als ich mich wieder einigermaßen fing.

Träge, so als hätte ich kaum noch tragende Muskeln in meinem Körper, schleppte ich mich zu meinem Bett, schnappte mir währenddessen noch die Kiste welche ich zuvor weg geschmissen hatte und setzte mich auf die Kante.

Mit zitternden Händen öffnete ich den Deckel und mein Atem stockte Wort wörtlich als ich die unzähligen Dinge sah.

Es waren Kleinigkeiten, Fotos, gemalte Bilder aus unserer Kindheit, mehrere Briefe mit Beschriftungen und Namen drauf, ihre geliebte Kamera in welcher noch immer ihre SD-Karte steckte und unser Freundschaftsarmband.

Verstört und gleichzeitig gerührt schaute ich in die Kiste.

Wieder wollten mir die Tränen kommen, doch ich ließ es nicht zu. So ging es nicht und so hätte es Grace auch nicht gewollt.

Sie hatte mir diese Dinge anvertraut weil sie der Meinung war, dass nur ich diese Aufgabe übernehmen konnte und ich würde ihr ihren letzten Wunsch gewähren.

Trotz dessen das ich diesen Entschluss gefasst hatte blieb ich noch sitzen, ging meinen Gedanken nach und wünschte mir innerlich bei ihr zu sein, ihr wundervolles Lachen zu hören oder einfach nur ihre zierlichen Arme zu spüren wie sie sich um mich schlangen.

Aber sie war fort, für immer.

Entschlossen griff ich nach dem obersten Brief, mit einer geschwungenen Schrift war mein Name drauf geschrieben und ohne zu zögern riss ich den Umschlag auf um mehrere Briefe heraus zu holen.

Einen nach den anderen las ich, jeder von ihnen ließ Tränen aufsteigen, sie aber gleich darauf wieder verschwinden weil ich lachen musste. Dieses Mal echt und nicht gespielt um etwas zu vertuschen.

Die Enttäuschung machte sich in mir breit als ich am Ende ankam und die letzten Worte las die sie mir hinterlassen hatte. Der Kloß in meinem Hals schwoll an, die Worte sickerten zu mir durch und das Atmen fiel mir schwerer.

Es war nicht einmal etwas schlimmes, lediglich ein Zuspruch, etwas, was man immer tun sollte und dennoch trafen mich genau diese Buchstaben mitten ins Herz.

Accept yourself

Believe in yourselfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt