Erste Begegnung

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Kapitel 3

Ismael

Als einer der Ärzte kam, um sie in den Raum zu beten, fiel ihm ein Stein vom Herzen. Natürlich hatte jeder hier im Krankenhaus ihm versichert, dass sie es überleben würde, aber er hatte sich trotzdem gesorgt. Das war seine zukünftige Frau da drinnen und er wollte sie in Sicherheit wissen. Als gestern der Anruf kam, dass seine Zukünftige einen Unfall hatte und im Krankenhaus lag, war er besorgt und verängstigt wie nie zuvor. Er hatte sich um sie gesorgt. Natürlich war er sofort in den nächsten Jet gestiegen und zu ihr geflogen. Und nun saß er hier, wusste kaum mehr über sie, als dass sie etwas besonderes war, weil sie alle zehn Eigenschaften und somit auch keine Xenox-Krankheit hatte und dass sie nicht sterben würde. Man hatte ihm ihre Akte gesendet, die er nun schon so oft durchgelesen hatte, dass er sie inzwischen auswendig kannte. Ihr Name war Asha. Ein schöner Name, wie er fand. Foto befand sich keines in ihrer Akte, weshalb er sie sich nur ausmalen konnte. Er ging davon aus, dass sie perfekt und umwerfend aussehen würde. Immerhin vereinte sie als einziger Mensch auf der Welt alle Schönheitsideale in einem. Ihr Körper dürfte noch ziemlich jung und unausgereift aussehen, denn sie war gerade mal 15. Sie galt offiziell zwar schon aufgrund ihrer Intelligenz als erwachsen, dennoch war das eine rein mentale Rechnung und bezog sich nicht auf ihren Körper. Offiziell war man erwachsen, wenn man seine Ausbildung abgeschlossen hatte. Und laut ihrer Akte war sie erst vor ein paar Tagen damit fertig geworden. Die Ausbildung endete elf Jahre nach dem Einschulungstest und bestand aus den fünf Jahren Grundausbildung, einem Jahr in einer speziellen Fachrichtung - dieses Jahr war sehr allgemein - und fünf Jahren als Assistent in einem spezialisierten Gebiet. Asha hatte diese Ausbildung erst vor einer Woche abgeschlossen und war damit auch eine der Jüngsten. Er selbst hatte seine eigene Ausbildung mit 17 abgeschlossen und schon darauf waren seine Eltern sehr stolz gewesen. Sein Bruder, der schon immer etwas schlauer gewesen war - eine Tatsache, mit der ihm sein Zwilling immer gerne aufzog, war wie Asha schon mit 15 fertig geworden. Er hegte keinen Zweifel daran, dass Asha und Ezekiel sich gut verstehen würde. Sie beide waren zwei von 50 Menschen, die die Ausbildung je mit 15 Jahren abgeschlossen hatten. Und egal, wie oft er den kleinen Stich von Neid schon verspürt hatte und egal, wie oft Ezekiel ihn damit aufzog, er war so stolz auf ihn. Sein Zwilling Ezekiel, der Ashas zweiter Partner sein würde und somit auch sein eigener, saß auch jetzt neben ihm und seufzte erleichtert auf, als der Arzt sie endlich zu ihr ließ. Natürlich hatte sich auch sein Bruder Sorgen gemacht und es erleichterte ihn, dass es ihr gut genug ging, um sie kennenzulernen und vor allem, dass sie endlich aufgewacht war. Er konnte das sehr gut nachvollziehen, denn ihm selbst ging es nicht anders. Der Mann vor ihm, einer ihrer Ärzte, stellte sich ihnen auf dem Weg zu ihrem Zimmer als Samuel vor. Ansonsten sagte er fast gar nichts und verhielt sich sehr professionell. Samuel war noch sehr jung und er konnte den kleinen Stich der Eifersucht nicht unterdrücken, denn der Arzt hatte Asha schon kennenlernen dürfen. Und er hatte sie angesehen. Schnell verdrängte er den Gedanken wieder. Das hatte hier nichts zu suchen. Natürlich hatte der Arzt sie angesehen. Sie war seine Patientin. Und es würde noch mehr Männer geben, die sie ansehen würden. Er musste damit klarkommen. Er musste! Denn er könnte sie niemals einsperren, nur damit niemand sie sah. Sie würde ihre Freiheit brauchen. Aber zuerst musste er sie einmal kennenlernen. Also schob er die irrationale Eifersucht auf den Arzt vor ihm zurück in den hintersten Teil seines Gehirns und zwang sich dazu, sich auf den Moment zu konzentrieren. Samuel war gerade vor einer Tür stehen geblieben, warf ihm und seinem Bruder noch einen kurzen Blick zu, bevor er den Raum betrate. Zuerst konnte er gar nichts erkennen. Der Arzt versperrte ihm jeden Blick. Doch als Samuel einen Schritt zur Seite machte, glaubte er zu spüren, wie sein Atem stockte. Ihre Schönheit übertraf wirklich jede seiner Vorstellungen. Sie war nicht nur wunderschön, sie war perfekt. Asha saß in einem großen Krankenbett im Schneidersitz und lehnte sich dabei an die Wand hinter ihr an. Ihre Hände lagen ruhig in ihrem Schoß und sie hatte ihren Blick sowohl schüchtern als auch neugierig auf ihn und seinem Bruder gelegt. Er konnte nicht anders, er musste sie einfach ansehen. Auch auf die Gefahr hin, dass es ihr unangenehm sein könnte. Ihre Haut war dunkel, fast schwarz und so ebenmäßig und perfekt, wie sie nur sein konnte. Ihre dunkle Haut wunderte ihn nicht, es gab kaum noch Menschen mit einer hellen Haut, sie hatten die große Hitzewelle im 22. Jahrhundert nicht überlebt, eine Folge des Klimawandels und der Erderwärmung. Es gab vereinzelt noch Menschen mit heller Haut, jene, bei denen die Gene, die für die helle Haut verantwortliche waren, nach ein paar Generationen wieder auftauchten. Aber das war nicht nur selten, sondern auch von großem Nachteil, die Hitze ließ sich mit dunkler Haut viel besser aushalten. Ashas Haut jedoch war nicht nur dunkel, sondern glitzerte auch in den Farben gold, weiß und blau. Eine der zehn Eigenschaften. Er selbst hatte sie nicht, aber sein Bruder. Jedoch hatte er noch nie eine Person gesehen, bei der das so ausgeprägt gewesen war. Zumindest nicht natürlich. Fast jede Eigenschaft ließ sich chirurgisch oder anderweitig machen, aber man merkte den Unterschied meist recht schnell. Aber Asha - sie war besonders. Ihre Eigenschaften waren natürlich und trotzdem. Sie wirkten so perfekt und außergewöhnlich. Er konnte es kaum beschreiben. Ihre Haare waren glatt und weiß, reichten ihr bis zu ihrer Hüfte, wobei die Farbe sich von dem reinen weiß zu einem tiefen hellblau entwickelte. Auch ihre Haare glitzerten jeweils in der entsprechenden Farbe, manchmal stärker, manchmal weniger stark. Aber das, was ihn am meisten angezog, waren ihre Augen. Sie waren golden und schienen zu strahlen und zu glitzern, wobei er das im Moment schlecht sehen konnte, denn die Fenster waren nicht abgedunkelt und ließen die letzten Sonnenstrahlen ins Zimmer. Er ging davon aus, dass die Fenster noch vor wenigen Minuten abgedunkelt gewesen waren, da man das bei jedem Patienten, der im Koma lag oder schlief, machte. Die zwei anderen Ärzte, die er nur am Rande wahrnahm, mussten die Verdunkelung in den Fenstern wohl ausgeschaltet haben, während Samuel sie geholt hatte. Er war froh darüber, denn sonst könnte er sie wohl nicht so gut sehen, wie er es gerade tat. Ihre Größe konnte er aufgrund ihrer sitzenden Position nur schätzen, aber sie war wohl kleiner, als er und sein Bruder. Ihr Körper war sanduhrförmig und schlank mit langen Beinen. Aber auch das konnte er nur erahnen. Ihr Gesicht besaß Sommersprossen in gold, weiß und blau, soweit er das sehen konnte. Ein weiteres Merkmal ihrer Außergewöhnlichkeit. "Hi." Selbst ihre Stimme war wunderschön. Hell und trotzdem kräftig. Sie klang unsicher und er glaubte zu sehen, dass sich ihre Wangen etwas rot gefärbt hatte. Er musste einfach grinsen. Sie war zu süß. "Hi.", erwiderte da auch schon sein Bruder. Asha lächelte. Er mochte ihr Lächeln. Es war so schön und unschuldig. Genauso wie ihr Körper. Die reinste Versuchung und doch so unschuldig. Er musste diesen Gedanken unterdrücken, denn er spürte schon, wie ihm allein bei dem Gedanken sie und ihren Körper das Blut in niedrigere Regionen floss, etwas, das in dieser Situation völlig unpassend war. Sie war noch viel zu jung dafür. Er zwang sich zu tiefen Atemzügen, bevor er auf ihren Gruß reagierte. "Hallo Asha." Er wusste von den Ärzten und auch von der Akte, dass sie einen Autounfall gehabt hatte. Etwas, das eigentlich gar nicht mehr möglich sein sollte. Dafür sah sie sogar ziemlich gut aus. Keine Wunden, kein Verband um den Kopf oder sonst etwas. Autos waren schon vor langer Zeit durch autonom gesteuerte Jets ersetzt worden. Eine Entwicklung, die so viele Unfalltote verhindert hatte, wie sonst nichts anderes. Die Jets, runde Kabinen, die durch die Luft flogen, waren nicht nur sicherer, sondern auch bequemer. Er konnte sich nicht vorstellen, welchen Grund es für Ashas Eltern gegeben haben musste, um sich und ihre Tochter so in Gefahr zu bringen. Menschen starben nicht mehr an Unfällen, sie starben an Altersschwäche. Dies war der erste Unfall seit Jahrzehnten. Er seufzte innerlich. Das hieß wohl auch, dass das die Aufmerksamkeit sämtlicher Reporter auf sich ziehen würde. Etwas, was ihm selbst gar nicht gefiel. "Wie heißt ihr eigentlich?" Es war Ashas Stimme, die ihn wieder aus seinen Gedanken riss. Wenn sie nicht einmal ihre Namen wusste, hieß das wohl, dass sie auch sonst nichts wusste. Manchen Mädchen wurde von den Eltern erzählt, welche Partner sie hatte, manchen nicht. Asha war wohl eine der wenigen, die keine Ahnung hatten. Jungen hatte keine Chance zu erfahren, wer ihre Partner sein würden, was weniger an ihrem Geschlecht lag, wie daran, dass Jungen meistens älter waren und somit nach den Tests nur in die Datenbank aufgenommen wurden, manchmal aber erst Jahre später zugeteilt wurden. Deshalb wussten meist nur die Eltern des jüngsten Partners den anderen Partner beziehungsweise die anderen Partner. Er und sein Bruder hatten immer vermutete, dass sie zusammenbleiben würden und noch einen dritten Partner bekommen würden, aber selbst das war nur eine Vermutung gewesen. Er hing wieder viel zu viel in seinen Gedanken, sodass er die Frage schon wieder fast vergessen hätte, als sein Bruder antwortete. "Ich bin Ezekiel und das ist Ismael."

Beta: noch nicht


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