Kapitel 38

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Wincent

So schön die Wochen Zuhause mit Emma auch waren, so langsam sehnte ich mich wieder nach Proben, Konzerten und Parties. Das ganze Jahr lief ich irgendwie auf 180 und ich war gerade nicht bereit runterzufahren, noch nicht. Vielleicht hätte das geklappt, wenn ich Emma nicht so gut mit meinem Job hätte vereinbaren können, aber dem war ja nicht so. Sie teilte meinen Job und sie teilte mein Bett. Und ich liebte sie jeden Tag mehr dafür. Dass sich bei mir eigentlich nichts änderte, dass sie alles mitmachte und es trotzdem privat so unfassbar gut zwischen uns lief. Ich hatte kein schlechtes Gewissen, dass ich sie eine Woche alleine lassen musste, aber natürlich würde ich sie vermissen. Immer, egal wie lange ich weg sein würde. „Ich weiß nicht, wie ich das eine Woche ohne dich aushalten soll", murmelte ich an ihre Lippen, als wir uns verabschiedeten. Grinsend sah sie mich an. „Na jetzt übertreibs mal nicht...wir können schreiben und telefonieren und facetimen...und weißt du noch, was wir gemacht haben, als du in Berlin warst und ich hier Zuhause?", fragte sie mich und ihre Augen blitzten kurz auf. 

Oh ja, und wie ich mich erinnerte. An unser erstes Mal vor der Kamera. „Wir haben das nie wieder gemacht seit dem", meinte ich. „War ja auch nicht nötig...aber eine Woche ist schon ganz schön lang für uns", erwiderte sie und küsste mich viel zu lange. Ich wollte am liebsten wieder zurück ins Schlafzimmer. „Mach mich nicht heiß solange ich noch da bin", schmunzelte ich und ließ von ihr ab. Entschuldigend hob sie ihre Hände. „Sorry...du musst los, jetzt geh schon", sagte sie und drückte sich nochmal kurz an meine Brust. Ich sah in ihre Augen und strich über ihre Wange. „Ich liebe dich. Ich meld mich, ja?", sagte ich und küsste sie ein letztes Mal mit allem, was ich hatte. „Ich liebe dich auch", flüsterte Emma, dann ließ ich sie los und ging aus der Tür. Seit wir zusammen waren, gab es nicht eine Nacht, die wir getrennt waren, sodass mir doch schwer ums Herz wurde. Ich schmiss meinen Rucksack ins Auto und wollte gerade einsteigen, als ich meine Mum nach mir rufen hörte.

Wir hatten nicht mehr geredet und ehrlich gestanden hatte ich gerade auch weder Zeit noch Lust darauf. „Wincent?", rief sie wieder nach mir und da drehte ich mich erst um. Sie kam auf mich zu, obwohl sie doch wissen musste, dass ich auf dem Sprung war. „Ich muss los. Probenwoche", sagte ich trocken. „Ich weiß, ich wollte nur ‚Tschüss' sagen. Ich will nicht, dass du fährst ohne dich zu verabschieden", meinte sie. Ja, ich will auch so Vieles nicht, zum Beispiel mich mit dir über Emma streiten, hätte ich gerne gesagt, aber das würde mein Zeitmanagement absolut sprengen. Ich sah sie nur an. Ich war immer noch der Meinung, dass sie diejenige war, die auf mich zugehen musste, nicht andersrum. „Es tut mir leid", hörte ich sie leise sagen, „ich hätte mich da nicht einmischen dürfen, das ist eure Sache. Und wenn du glücklich bist, bin ich es auch". Ich sah sie an und sagte nichts. Mich ließ das Gefühl nicht los, dass sie das Thema nur ansprach, weil ich wegfahren wollte. „Lass uns reden, wenn ich wieder da bin", erwiderte ich und stieg ins Auto. Sie musste mich einfach gehen lassen, das wusste sie. Ich fuhr los und sah sie noch im Rückspiegel und es brach mir mein Herz. Ich hasste es mich mit meiner Mum zu streiten. Aber gerade konnte ich das nicht, nicht so zwischen Tür und Angel. In den letzten zwei Wochen hätte ich unendlich Zeit gehabt. Ich drehte die Musik auf und trat aufs Gas. Je länger ich fuhr, desto entspannter wurde ich. Es war Zeit für den Musiker Wincent, mein Privatleben musste eben Zuhause bleiben.

Bis ich vor unserem Proberaum parkte, war es natürlich schon dunkel und ich wie immer der Letzte. „Hallöchen", rief ich in den Raum und unterbrach meine Band beim Aufbau. Grinsend kamen die vier auf mich zu und wir begrüßten uns erstmal ausgiebig. Ich sah in ihren Augen wie sehr sie sich auf die Tour freuten, und das freute mich umso mehr. Schnell blickten alle hinter mich. „Hast du Emma gar nicht mitgebracht?", fragte Manni zuerst. Ich schüttelte mit dem Kopf. „Die muss arbeiten", antwortete ich wahrheitsgemäß, „und wir ja auch, ne". Ich schmiss meinen Rucksack auf den Tisch und setzte mich zu den Jungs. „Und ihr konntet euch echt trennen? Ich glaub es ja nicht", stichelte Manu. „Es ist nur ne Woche, was is los mit euch? Ich überleb das schon", meinte ich. „Aber es ist Emma...und Emma und Du...können eure Herzen eigentlich auch einzeln schlagen?", zog Manni das ganze Thema langsam ins Lächerliche. So n Spinner! Ich teilte eine Runde Bier aus und wechselte das Thema. „Wir sind ja jetzt nicht hier, um über Emma zu reden, oder?", sagte ich. Da mussten sie mir jetzt doch mal Recht geben. Wir besprachen an diesem ersten Abend kurz die Setlist und das Medley, aber eigentlich saßen wir hauptsächlich zum Trinken und Quatschen zusammen. Und das auch, wie fast immer an unserem ersten Treffen, wieder viel zu lange, dafür dass noch viel zu viel Arbeit vor uns lag. Als ich nach Mitternacht in meinem Bett lag, schlief Emma mit großer Wahrscheinlichkeit schon. Das ließ mich ihre ‚Gute Nacht'-SMS von vor über einer Stunde zumindest vermuten. Trotzdem rief ich sie an und nach kurzem Klingeln hob sie ab.

„Wince? Alles gut?", nuschelte sie völlig schlaftrunken. „Klar, Babe...ich wollt nur nochmal kurz deine Stimme hören", flüsterte ich. Sonst hätte ich wohl nicht einschlafen können. „Wie spät is es?", fragte sie und ich hörte wie sie sich umdrehte. „Spät, Schatz, schlaf weiter...", meinte ich. Nur diese kurzen Worte reichten mir schon. „Okay...schlaf du auch gut, mein Schatz", erwiderte sie leise. „Ich liebe dich, Herz", sagte ich noch, aber Emma war sicher schon wieder eingeschlafen. Ich drehte mich auf die andere Seite und schloss meine Augen und es dauerte nicht lange, bis ich eingeschlafen war. 

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