5 - Oscar

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Mein Wecker auf dem Smartphone weckt mich pünktlich um 7:00 Uhr. Ich taste danach und schaue aufs Display. Freitag und das Datum von gestern leuchten mir entgegen. Heute freue ich mich, denn ich habe einen Plan. Ohne genau hinzusehen schreibe ich die gleichen Nachrichten wie gestern an Steve und Katherine.

Sorry, es bleibt bei dem
einen Mal. Bin kein Typ
für Beziehungen. Bitte
ruf' nicht mehr an.

Anschließend stehe ich auf und gehe ins Badezimmer. Ich mache mir gar nicht erst die Mühe, meine Annahme zu überprüfen und dusche gleich mit dem Rest meines Duschgels, quetsche anschließend den Rest meiner Zahnpasta aus der Tube und finde mit einem Griff die alte Probepackung Haargel in der Schublade.

Ohne nach dem Kaffee zu suchen, gehe ich gleich nach unten. Mrs. Rogers versucht wieder ihr Apartment aufzuschließen. Ich nehme ihr lächelnd den Schlüssel aus der Hand und öffne ihre Tür.
"Ach Oscar, das musst du doch nicht..", beginnt sie zu widersprechen, doch in dem Moment klingelt schon ihr Telefon und sie blickt mich dankbar an, bevor sie in ihre Wohnung eilt.

Ich springe die restlichen Treppen runter und stoppe kurz vor unserem Postboten. Bevor er mich fragen kann, ob ich das Paket annehmen kann, sage ich schon: „Sorry, keine Zeit, aber Mrs. Rogers ist da." und mache mich auf den Weg zum Café.

Am Tresen fragt mich Emma nach meiner Bestellung.
„Einen Kaffee bitte. French Press. Mein Name ist Oscar", sage ich und lege das Geld auf den Tresen. Sie schaut mich verblüfft an, kritzelt meinen Namen auf einen Zettel und sagt dann nur: "Okay, ich bringe es dir gleich zum Tisch."

Wieder wähle ich den kleinen Tisch am Fenster und warte. Ich hoffe, dass Paul - das ist sein Name, wie ich gestern unter anderem erfahren durfte - heute wieder da ist. Emma bringt mir eine Kaffeetasse und die French Press.
„Warte noch vier Minuten bis du runterdrückst", weist sie mich an und geht dann zurück zum Tresen. Ich schaue auf meine Uhr.

Die Tür öffnet sich und Leon und Mia kommen mit Paul rein. Sobald er das Café betritt, sieht er in meine Richtung und mein Herz setzt einen Moment aus. Emma umarmt und küsst alle, dann setzen sie sich. So wie schon vor dem letzten Mal zwingt Paul Leon, ihm Platz zu machen und grinst vor sich hin. Er weiß es! Dieses Mal will ich es nicht verpassen und beobachte, wie Emma mit dem Tablett kommt. Sie stellt Paul einen Kaffee hin und plappert drauf los. Das große Glas beginnt zu schwanken, kippt und erwischt Leon.

Ich lächele, denn es ist zu schön, ihn dabei zu beobachten, wie er sich aufregt und Emma ihn anmotzt: "Jetzt stell' dich nicht so an, Leon!" Noch schöner allerdings ist Pauls breites Grinsen. Seine Augen funkeln verschmitzt und jetzt bin ich mir sicher, dass er genauso wie ich in dieser Zeitschleife gefangen ist.

Ich überlege, wie ich es jetzt schaffe, dass ich ihn darauf anspreche. Steve habe ich bereits heute morgen ausgeschaltet, vielleicht erwische ich ihn dieses Mal draußen. Genau in diesem Moment sieht er mich an, steht dann aber auf und nimmt seinen Rucksack, um das Café zu verlassen.

Ich ignoriere meine French Press und folge ihm nach draußen. Ich sehe ihn gerade noch die Seitenstraße überqueren und setze mich in Bewegung.
Bevor er die große Straße kreuzen kann, rufe ich ihm nach: "Paul!"

Verwirrt dreht er sich um und sieht mich an. Sein Blick zeigt Verwunderung, aber keine wirkliche Überraschung.
„Ja?"
Atemlos schließe ich zu ihm auf und frage: "Kann ich dich kurz was fragen?"
"Tut mir leid, ich bin spät dran", erwidert er und will schon weiter, doch ich halte seinen Arm fest.
"Dann frage ich dich heute Abend bei Nicole", sage ich nur. Er stutzt und sieht mich mit großen Augen an, sagt aber nichts.

"Du auch, hm?", mache ich.
"Ich muss in die Uni, ich schreibe gleich eine Arbeit", redet er sich heraus und löst seinen Arm von mir, um dann schnell die Straße zu überqueren.

Verblüfft starre ich ihm nach. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich bin mir sicher, dass er diesen Tag genauso wiederholt erlebt wie ich. Warum macht er sich die Mühe, in die Uni zu gehen?

Mürrisch mache ich mich schließlich auf den Weg nach Hause. Mir ist die Lust nach Vorlesungen gehörig vergangen. Tino ist, wie erwartet, noch im College, darum bin ich allein zu Hause und kann vor mich hingrübeln. Ich werde wohl oder übel warten müssen, bis wir heute Abend bei Nicoles Party sind. Und was ist, wenn er da wieder nicht auftaucht? Entnervt lümmele ich mich aufs Sofa. Ich lehne mich zurück und schließe meine Augen, vielleicht fällt mir später noch eine Lösung dazu ein.

„Oscar?", weckt mich Tino. Ich schrecke hoch und muss mich kurz orientieren.
„Was?", murmele ich verschlafen.
„Wieso bist du schon zu Hause?"
„Hä?"
„Hast du heute keine Vorlesungen?"
„Keine Lust", murmele ich.
Er lacht auf und lässt sich neben mich aufs Sofa plumpsen, nachdem er seine PlayStation eingeschaltet hat.
„Eigentlich bin ich immer derjenige, der sowas sagt."

„Heute Abend Party bei Nicole?", frage ich Tino. Wenn ich zu Hause rumlungere, werde ich nicht wissen, ob Paul heute Abend bei der Party ist.
Er blickt gar nicht vom Spiel auf und macht nur: „Hä?"
Ich rolle mit den Augen.
„Wollen wir heute Abend zu Nicoles Party?"
„Nicole schmeißt eine Party?", fragt er. In dem Moment piept sein Handy mit einer Nachricht. Er setzt das Spiel auf Pause und sieht nach.
„Nicole schmeißt heute Abend eine Party und fragt, ob wir auch kommen", erklärt er.
„Sag ich doch", grinse ich. Wieder.

Ein paar Stunden später stehe ich wieder unten vor der Haustür von Nicoles Haus. Viele Leute gehen an mir vorbei und sehen mich argwöhnisch an, weil ich wohl immer noch wie ein Freak wirke, aber ich will ihn dieses Mal auf jeden Fall ansprechen.
Emma, Leon und Mia passieren mich wieder und beachten mich auch dieses Mal nicht weiter.

Zehn Minuten später erkenne ich ihn von Weitem. Als er näher kommt und mich sieht, sehe ich, wie seine Augen sich leicht weiten, doch dieses Mal weicht er meinem Blick nicht aus. Ich starre ihn an, dieses Mal lasse ich ihn nicht einfach abhauen.
"Woher kennst du meinen Namen?", fragt er mich direkt, ohne eine Begrüßung. Wie freundlich.
"Hallo, mein Name ist Oscar", erwidere ich zuckersüß.

"Lass' den Scheiß, was soll das?", zischt er.
"Ich kenne deinen Namen von Emma, deiner Schwester", antworte ich wahrheitsgemäß.
"Was hast du mit Emma zu tun?"
"Tu' nicht so, als ob dir nicht das Gleiche passiert", sage ich nun etwas erbost. Habe ich ihm irgendwas getan, dass er so unfreundlich zu mir ist?
"Ich habe keine Ahnung, wovon du redest."
"Ach nein? Das glaube ich dir nicht."
"Hör' zu, lass' meine Schwester in Ruhe!", faucht er. "Und mich auch!"

Damit geht er wütend in den Hausflur und lässt mich, schon wieder, einfach draußen stehen. Ich will am liebsten schreien. Der einzige Mensch, der mein Problem teilt und er ist ein Arschloch? Gott muss mich wirklich hassen!

Wiederholungsfall | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt