Kapitel 19

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Es ist schwer, wenn man etwas akzeptieren muss, was man weder kann, noch will.

Rose

Der Bass dröhnt in meine Ohren und habe das unglaubliche Verlangen wieder zu verschwinden. Ich habe mich noch nie auf großen Partys wohlgefühlt. Und auf solchen erst recht nicht. Um mich herum sind tausende von Menschen die Haut an Haut nebeneinander tanzen und sich mit alkoholischen Getränken volllaufen lassen. Menschen die ihr Leben in vollen Zügen genießen. Sie genießen es so wie es Rebecca immer gemacht hatte. Der Schmerz in meiner Brust wird bei jedem mal an dem ich an sie denke, stärker. Ich sollte nicht hier sein. Ich muss zu ihr. Auch wenn die Erinnerungen immer langsamer zurück kommen, kann ich mich noch gut an ihr Gesicht erinnern, als ich sie in dem Käfig gefunden hatte. Eingesperrt. Wer weiß was ihr angetan wurde. Die Bruchteile meiner Erinnerung, welche immer wieder zu Licht kommen, hatten mir auch schon erklärt, weshalb ich diese grauenhafte Schnittwunde an meinem Arm hatte.
Jedoch weiß ich immer noch nicht, weshalb wir hier sind. Oder besser, wie wir hier her gekommen sind.
Im Auto - nein in der Limousine, hatte ich Dylan darauf angesprochen, doch es endete in einer unnötigen Diskussion, da er mir nichts erzählen wollte. Offen wie immer.
Als wir dann hier angekommen waren, stieg er wortlos aus und betrat ohne mich diesen riesigen Club.
Und naja, jetzt stehe ich hier und frage mich, warum ich mich überhaupt darauf eingelassen hatte. Die Vorstellung daran, wie ich in meinem Bett liege und ein neues Buch verschlinge, gefällt mir eindeutig besser als das hier.
Vorsichtig kämpfe ich mir den Weg zur Bar durch und bestelle mir einen Drink. Ich bin ja eigentlich kein Fan von Alkohol, vor allem weil ich nicht viel vertrage. Doch jetzt ist er wohl mein einziger Freund.
"Allein hier?" Der Barkeeper reicht mir ein Sex on the Beach und sieht mich erstaunt an.
Seine Augen haben einen schönen blauen Ton, jedoch nicht ansatzweise so schön wie die grünen Augen von Dylan. Im vollem und ganzen sieht er aber nicht schlecht aus.
"Ja und Nein." murmle ich genervt und nehme einen Schluck.
"Welcher ist es?" lacht er und zeigt auf mehrere Pärchen. Keiner.
Ich drehe mich mit dem Glas in der Hand um und starre in die tanzende Menge.
"Ich weiß nicht wo..." fange ich meinen Satz an, doch halte dann Inne. Das kann nicht sein.
Keiner fünf Meter vor mir entdecke ich ihn. Hinter einer anderen. Die arme Fest um ihre Taille geschwungen.
Das Glas welches ich eben noch in meiner Hand hatte, zerspringt nun auf dem Boden.
"Gefunden." höre ich den Barkeeper bemitleiden sagen. Dann ruft er jemanden der meine Sauerei wergwischen soll und widmet sich wieder seiner Arbeit.
Mit zittrigen Beinen stehe ich auf und nähere mich ihnen. Aber nicht so nah, dass sie mich sehen können. Nur so, dass ich mich selbst davon überzeugen kann, was ich da gerade gesehen hatte.
Jetzt steht sie ihm gegenüber und er flüstert ihr etwas ins Ohr. Abstand zwischen ihnen, gibt es keinen. Ruhe bewahren.
Meine Augen füllen sich mit Tränen, doch ich versuche sie zu zurück zu halten.
Er darf schließlich machen was er will. Er bedeutet mir sowieso nichts.
Wütend balle ich meine Fäuste zusammen.
Bei derem Anblick wird mir übel. Auf sowas steht er also? Minirock und mehr Haut als Kleidung? Aufgespritzte Lippen und Schminke bis zum geht nicht mehr?
Als ich ihnen einen letzten Blick zuwerfe, überkommt mich alles. Sie küssen sich.
Mein Herz fühlt sich wie das von vorhin zerbrochene Glas an. Wut überkommt mich und meine Tränen sind nicht mehr aufzuhalten. Warum...?
Gerade als ich mich dazu bereit mache, von hier zu verschwinden, sieht er mich an. Direkt in meine weinenden Augen. Weg hier!
Sofort rennt er auf mich zu doch ich bin schneller und schaffe es durch die große Menschenmasse nach draußen.
Dort renne ich so schnell ich kann in irgendeine Richtung.
"Rose verdammt! Bleib stehen!" höre ich ihn hinter mir rufen, doch ich renne weiter.
"Ich kann das erklären!" er kommt mir immer näher und mir geht langsam die Puste aus.
Meine Schritte verlangsamen sich und schon spüre ich seine Hand an meinem Handgelenk.
"Lass mich los!" wütend versuche ich ihm meine Hand zu entreißen doch merke schnell, dass sich sein Griff dabei nur verstärkt.
"Du musst mir nichts erklären." fauche ich und wende mein Gesicht von ihm ab.
"Dann können wir ja wieder zurück gehen." er zuckt mit den Schultern als wäre das keine große Sache. Sein Gesicht von Besorgt auf Sorgenfrei umgestellt. Als hätte er einen Schalter umgelegt.
"Du kannst gehen, ich will zurück ins Hotel."
"Wir sind aber zusammen hier, schon vergessen?"
"Ich bin nicht die, die es vergessen hat!" spucke ich hervor und halte meinen Blick immer noch auf den Boden gesenkt.
"Sieh mich an." sagt er grob doch bewege mich nicht.
"Sieh mich verdammt nochmal an!" schreit er und zieht meinen Kopf am Kinn zu sich hoch sodass ich gezwungen bin, ihm in die Augen zu schauen. Ich weiß nicht was ich dieses mal in seinen Augen sehe, doch es ist alles andere als Hass. In meinen Augen liegt Hass, aber nicht in seinen.
"Warum sind wir hier Dylan?!" frage ich immer noch weinend und versuche dem Blickkontakt zu entweichen.
"Das gehört zu meinem Plan." seine Stimme klingt bitterer als alles was ich je gehört hatte.
"Welcher Plan?"
"Wir sind hier, weil ich hier Kontakte habe die mir helfen mich an Brian zu rächen. Das was er dir angetan...."
"Hör auf so zu tun als hättest du sie für mich geküsst!" Der Gedanke daran lässt einen Schauer durch meinen ganzen Körper fahren.
"Ich meine das Ernst. Als wir in diesem Keller saßen und du das Bewusstsein verloren hattest, hatte ich mir geschworen, Rebecca da raus zu holen und ihn Endgültig zu vernichten."
"Vernichten?"
"Töten."
Ich verstumme. Der Gedanke Brian umzubringen, gefällt mir trotz seiner Taten kein bisschen.
"Warum...." bringe ich es über die Lippen doch Dylan unterbricht mich.
"Weil ich ihr etwas vorspielen musste, damit sie mir wichtige Details über Brians Anwesen hier in Spanien erzählt."
"Also hast du mich die ganze Zeit angelogen. Du wolltest nur in diesen dummen Club, um diese..."
"Genau." bestätigt er meine Theorie.
"Großartig." entsetzt schüttle ich den Kopf. Was hab ich mir nur dabei gedacht.
"Du dachtest doch nicht das, dass hier was Ernstes ist." er zeigt zwischen uns und ich habe das Gefühl, gleich zu ersticken.
Das zu Thema Worte können Töten.
"Hör zu. Du bedeutest mir wirklich viel, viel mehr als ich eigentlich zulassen durfte aber mehr ist da nicht. Tut mir Leid, wenn ich dir falsche Hoffnungen gemacht habe." sagt er so kalt wie eine Gefriertruhe.
Ich fühle mich gedemütigt, beschämt und gleichzeitig auch leer. Noch nie in meinem Leben hatte ich so sehr das Verlangen, im Grund und Boden zu Versinken. Am liebsten würde ich auf ihn einschlagen und dann verschwinden.
Wäre da nicht Rebecca, würde ich hier und jetzt verschwinden. Natürlich könnte ich einfach zur Polizei gehen, doch ich will nicht wissen was Brian dann mit Rebecca oder mir anstellen würde.
"Lass mich los." bitte ich ihn und versuche nicht erneut in Tränen auszubrechen.
"Bitte." flüstere ich und er sieht mir direkt in die Augen. Dann lässt er tatsächlich los.
Kurz überlege ich, ob ich noch etwas sagen soll, doch dann drehe ich mich einfach um und gehe.
Ich drehe mich kein einziges mal nach ihm um und es hört sich auch nicht danach an, als würde er mir folgen. Er hatte es also Ernst gemeint.
Ab heute ist er nur noch ein Fremder, der mir hilft, meine Freundin zu retten.
Mehr nicht.
Eigentlich war er doch schon immer nur ein Fremder.
Nie wieder Rose. Nie wieder.

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