Teil 51 - So fühlt es sich also an?

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Der personifizierte Wahnsinn spielte mit dem Ende seiner Krawatte, bis er sie sich schließlich vom Kragen riss. Ryu legte den Kopf in den Nacken und fing wieder unkontrolliert an zu lachen.
Niemand unterbrach ihn.

Wie um Bewegung in die absurde Situation zu bringen, ordnete Hisoka seine Karten zurück zu einem Stapel und grinste selbstgefällig. "Glaub nicht, dass ich sie dir überlasse, Ryu." Er drehte seinen Oberkörper und suchte YNs Blick, die verunsichert hinter ihm stand, die Augen auf ihre Gegner gerichtet.

Jetzt bin ich mittendrin, gar nicht gut. Ich fühle mich wie eine Trophäe.

YN spürte wie Hisoka sie ansah, aber sie starrte ausgerechnet Kaito an, der noch immer hinter dem verrückt gewordenen Ryu stand. Doch er strahlte nun eine andere Aura aus, er hatte sich mittlerweile aufgerichtet und hielt ihrem Blick stand. Seine eiskalten Augen streckten sich nach ihr aus und schnürten ihr regelrecht die Kehle zu. Sie versuchte verzweifelt ruhig zu atmen, aber der Sauerstoff kam nicht in ihren Lungenflügeln an. Blinzelnd taumelte sie einen Schritt zurück, auf der Suche nach etwas, woran sie sich festhalten konnte, bis Hisoka ihr seinen Arm reichte und sie wie eine Puppe zu sich zog. Verwirrt sah sie ihren Freund an und stellte fest, dass sich eine Sorgenfalte auf seiner Stirn abzeichnete.

Da haben wir's. Ich bin ihm ein Klotz am Bein. Er kann sich nicht vollends auf Ryu konzentrieren, weil er glaubt, mich beschützen zu müssen.

Ryu zeigte mit seiner Hand bedrohlich auf Hisoka. Hätte jemand eine imaginäre Linie gezeichnet, hätte man gesehen, dass Ryus Fingerspitzen auf das Herz seines Kontrahenten gerichtet waren.

"Ich komme klar", zwang sie sich mit zusammen gepressten Lippen zu sagen, den Blick wieder auf Kaito gerichtet. Nur für einen kurzen Augenblick schaute sie Hisoka an, ehe er knapp nickte und sie losließ.

Das war eine selbstbewusste Lüge gewesen. Natürlich hatte sie Angst, wusste aber auch, dass sie keine andere Wahl hatte, als ihm zu versichern, dass er sich keine unnötigen Sorgen machen musste. Nur so konnten sie halbwegs heile hier raus kommen.

Vergnügt beobachtete Ryu das Schauspiel, das sich ihm bot. Er verfolgte jede von Hisokas Bewegungen und schätzte ab, wann der ideale Zeitpunkt seines Angriffs gekommen war. "Ich werde dich dort treffen, wo es am meisten schmerzt, ich werde dir alles nehmen." Seine aufgerissenen Augen wechselten zwischen Hisoka und YN hin und her. "So wie du mir alles genommen hast. Freunde tun so etwas nicht, weißt du?"

"Glaubst du wirklich, dass ich deinen leeren Worten Glauben schenke?" Hisoka erschuf einen Faden Bungee Gum zwischen seinen Fingern und spielte damit übertrieben desinteressiert. "Ich wusste von Anfang an, dass Chrollo nicht hier sein wird. Das war nie vorgesehen, richtig?" Er zeigte mit einem breiten Grinsen seine Zähne. "Deine billigen Tricks halten mich von den wirklich wichtigen Dingen ab, mein Freund."

Zum wiederholten Mal ertönte Ryus skurriles Lachen. Er hob seine Hand und nach einem leichten Zucken wuchsen dünne Eissplitter aus seinem Handgelenk heraus - wie ein festgefrorener Wasserfall, der jedoch nichts von seinem fließenden Charakter verloren hatte.

Die feinen Eissplitter, einige nicht größer als Nadeln und gerade noch mit dem bloßen Auge erkennbar, weil sie im grellen Licht glitzerten, lösten sich von seiner Haut und tänzelten frei schwebend in der Luft. Nebeliger, kalter Dunst, wie er sich frühmorgens über die Felder legte, kroch über den Boden und näherte sich langsam aber bedrohlich.
Verunsichert, ob die Nebelschwaden eine Gefahr darstellen könnten, wich Hisoka zurück und schob YN weiter nach hinten. Sobald er sie in Sicherheit fand, preschte er vor und stürmte auf die Quelle zu.

Ryu erschuf unaufhörlich Eis und zu den anfangs wenigen gesellten sich immer mehr und immer längere Kristalle; etliche von ihnen nahmen eine beachtliche Größe an, bis vor sich vor Ryu eine löchrige Wand aus Eis gebildet hatte. Bedrohlich schwebte dieses fragile Konstrukt zwischen ihm und Hisoka. Ryu verkrampfte seinen Arm und wie auf einen stummen Befehl hin löste sich das Gebilde aus Eiskristallen auf und einzelne von ihnen bewegten sich um Hisoka herum, bis sie ihn vollständig umzingelt hatten. Angestrengt hielt Ryu seine zitternden Hände vor sich, als würde er eine unsichtbare Person würgen und YN fiel auf, dass seine Bewegungen die der Eissplitter widerspiegelten: Hisoka war in diesem Fall die Person zwischen seinen Fingern.

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