Kapitel fünfundzwanzig: Die Macht der Güte

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MEROWEN

Ich atmete langsam aus und beeilte mich, mit den Wachen Schritt zu halten. Meine erste Prüfung war inzwischen zwei Tage her; zwei Tage die man mir gegeben hatte, um mich zu erholen. Ich schickte in Gedanken ein kurzes Stoßgebet an meine Mutter, der ich dies laut Evaline zu verdanken hatte.

Wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, die unter den Kriegern des Hofs kursierten, hatte Ahillea Beron vor dem gesamten Hof eine Szene gemacht. Glücklicherweise war der Herbsthof versessen auf jedes noch so kleine Ereignis, das den eintönigen Alltag unterbrach. Da ich durch meinen Auftritt in der Arena für den seit langem vermissten Trubel gesorgt hatte, fieberten viele Fae deshalb auf eine Fortsetzung hin. Unmoralisch war dies allemal; doch in diesem Fall kam mir meine Stellung als Herausforderer des High Lords ganz und gar gelegen. Durch die so von Ahillea erzwungene Ruhepause hatte ich nun eine echte Chance, auch die nächste Prüfung zu überleben.


Meine Muskeln schmerzten immer noch bei jeder Bewegung; die Wunden waren jedoch vollständig verheilt. In diesem Moment war ich dankbar für die unglaublich starken Heilkräfte der High-Fae.

Dank Cassian hatte ich gestern Nacht so gut wie lange nicht mehr geschlafen und war dadurch ausgeruht und voller Energie.

Cassian. Alleine der Gedanke an ihn löste ein warmes Gefühl in meinem Bauch aus. Heute morgen war er bereits verschwunden gewesen, als ich aufgewacht war. Doch es hatte sich etwas zwischen uns geändert. Wenn man den ersten Kuss am Tag der Wintersonnenwende noch dem Alkohol hätte zuschreiben können, war gestern Nacht mit voller Absicht passiert. Beiderseits. Und genau diese Erkenntnis ließ ein wohliges Glücksgefühl in mir aufsteigen.

Die Frage, ob dieses Glück andauern würde und ich nicht bald einer anderen Fae den Platz als Cassians tatsächlicher Seelengefährtin zustehen musste, war dennoch mein ständiger Begleiter. Wann immer ich darüber nachdachte, wurde mein Herz schwer  und nicht selten wünschte ich mir, Cassian möge Recht behalten. 


Die Wachen zogen an meinen Ellenbogen und bedeuteten mir, stehen zu bleiben. Wir waren in den Stallungen angelangt; leicht nahm ich den Duft nach frischem Heu und Pferd wahr.

Kurz darauf wurde ich umständlich auf ein Pferd bugsiert; dazu nahm man mir dankenswerterweise den Strick ab, der wie schon vor der ersten Prüfung um meine Handgelenke geschlungen worden war. Das Tuch, das abermals meine Augen bedeckte, blieb jedoch an Ort und Stelle.


Ich registrierte, wie das Pferd unter mir sich in Bewegung setzte und griff schnell nach seiner Mähne. Ein Sturz mit verbundenen Augen wäre sowohl schmerzhaft, als auch peinlich. Außerdem wollte ich Beron nicht die Genugtuung geben, mich von einem Pferd fallen zu sehen. 

Wir galoppierten eine knappe Stunde; um mich abzulenken, zählte ich im Geiste die Sekunden. Anfangs ritten wir parallel zu einem kleinen Bach; das Rauschen des Wassers vernahm ich deutlich von meiner rechten Seite. Dann spürte ich den kühlenden Schatten von Bäumen und hörte den Bach im Erdboden verschwinden; wir waren in einem Wald angelangt.


Beinahe augenblicklich stellten sich mir die feinen Haare an meinen Unterarmen auf. Etwas war seltsam an diesem Wald und nach kurzer Zeit erkannte ich auch den Grund. Es herrschte eine unnatürliche Stille. Es war totenstill in dem Wald; nicht einmal der Schrei eines Vogels durchbrach die seltsame Ruhe. Ich spitzte meine Ohren und klammerte mich fester an mein Reittier; falls ich hier stürzte, wusste ich nicht, was mich erwartete.

Mit einem Ruck kam mein Pferd zum Stehen und eine fremde Hand entfernte meine Augenbinde. Sobald ich wieder etwas sehen konnte, glitt ich vom Rücken meines Pferdes und analysierte die Umgebung.

Tales of Wings and Fire (ACOTAR fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt