Nagellack & andere Grausamkeiten

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Palina hatte den Kopf an die Scheibe des Taxis gelegt, dass sie zu ihrer nächsten Talkshow fahren sollte. Tatsächlich hatte sie deren Namen vergessen und wusste nicht mal, was auf sie zukommen würde. Das kalte Glas an ihrer Haut fühlte sich gut an, die komplette letzte Nacht hatte sie in einem Hamburger Club aufgelegt und so gut wie nicht geschlafen. „Das schaffst du schon“, hatte sie sich gesagt. „Das wird kein Problem, dann schläfst du eben im Zug“, hatte sie sich eingeredet. Nur hatte sie nicht eingeplant, dass ihr Zug aus irgendwelchen Gründen nicht fahren würde – 'Verzögerungen im Betriebsablauf'. Also stand sie mit ihrer Tasche am Gleis und konnte die Durchsage durch das Stimmengewirr kaum verstehen, trotzdem wusste sie eins: Sie hatte ein echtes Problem. Um über eine Alternative nachzudenken war sie zu müde und in ihrem Zustand selbst zu fahren, schien purer Selbstmord. In dieser Situation war Palina sogar das gleichgültig, aber nur weil sie keine Minute geschlafen hatte, musste sie ja nicht noch andere Menschen mit hineinziehen und das würde zwangsläufig passieren. Also blieb ihr kaum etwas anderes übrig, als sich ein Taxi zu rufen. Das wird vermutlich sündhaft teuer werden, sie musste zurück nach Berlin, aber im Zweifelsfall würde sie einfach die Deutsche Bahn auf Rückerstattung verklagen. „Oh, ne...“, kam ihr plötzlich ein Gedanke, „...nachdem ich in ihrer Zeitschrift abgebildet war, kommt das nicht ganz so gut...“, aber darüber würde sie sich später Gedanken machen, denn noch ehe sie sich versah, war sie kurzerhand eingenickt.

Noch müder als zuvor stolperte sie aus ihrem Taxi und wurde schon freudig empfangen. „Ach Palina, da bist du ja endlich! Wir kennen uns ja, ich hab mich ja schon letztes Mal um dich gekümmert!“, strahlte sie eine viel zu stark geschminkte Frau an, an die sie sich auch nach langem Überlegen nicht erinnern konnte. Trotzdem lächelte sie zurück und fragte nicht nach, wer dieser Mensch war, der sie kurzerhand an ihrem Handgelenk packte – einen grausamen Nagellack trug sie – und durch irgendwelche Gänge zerrte, irgendwelche Geschichten darüber erzählte, in was für eine großartige Show sie doch gleich kommen würde und dabei mehrfach fast stolperte, weil sie anscheinend nicht in der Lage war, ordentlich in ihren High-Heels zu laufen, die ihren Nagellack sogar noch an Grausamkeit übertrafen. Palina ließ alles über sich ergehen und fand sich nach kurzer Zeit in einer Art Garderobe wieder, die zugleich auch noch mehr Make-Up enthielt als jeder Douglas-Store. „Regina kommt gleich und macht dich ein bisschen hübsch!“, sagte ihre Begleiterin – und das hatte sie auch dringend nötig, diese Augenringe zu überschminken würde keine leichte Aufgabe werden –  und fügte noch wichtigtuerisch hinzu: „Ich werde leider an anderer Stelle gebraucht, verzeih mir, aber die anderen Gäste müssen auch abgeholt werden!“ „Ja Du, das verstehe ich, das ist schon ok!“, sagte Palina gespielt verständnisvoll und sah ihr noch nach, wie sie durch die Tür verschwand. „Komischer Mensch“, dachte sich Palina und wollte sich gerade setzen, als sie einen Teller Kekse auf einem kleinen Tisch entdeckte. Ein lautes Geräusch, das wohl ihr Magen von sich gegeben haben musste, erinnerte sie daran, dass sie nicht nur nicht geschlafen, sondern ebenso lange nichts gegessen hatte. Freudig stellte sie fest, dass sogar Kaffee bereit stand. „Geil!“, flüsterte sie leise und bediente sich. Mit genug Kaffee würde sie zwar alle halbe Stunde auf's Klo rennen müssen, aber sie konnte sich so richtig aufputschen und vielleicht die nächste Zeit überstehen ohne einzuschlafen.

Gedankenverloren spielte sie ein wenig an ihrem Handy, lange schon hatte sie keinen neuen Rekord mehr bei Candy Crush erzielen können, verschickte ein paar belanglose Nachrichten an ihre Freunde und scrollte ein wenig durch Instagram. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis eine junge Frau gehetzt in das Zimmer stürmte. „Alter, was ist das denn?!“, stöhnte sie. „Ähm...“, sagte Palina nur. „Ähm...?“, versuchte sie es erneut. „Ähm... Du bist Regina?“, fragte sie, während sie dabei zusah, wie diese nickend an der Tür herab zu Boden sank. „Alles in Ordnung?“, fragte Palina besorgt, als sie sah, dass Regina kritisch eine kleine Verletzung an ihrem Bein begutachtete. „Ja, klar, bin nur ausgerutscht“, antwortete sie. „Aber mir wurde nur hektisch zugerufen, ich soll mich schnell irgendwo verstecken, irgendwelche Verrückten würden versuchen hier rein zu kommen. Keine Ahnung, was der meinte...“

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 14, 2015 ⏰

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