"Die Blüte der Blattleere und das trauernde Wasser hüten das Geheimnis der Sonne."
So lautete eine steinalte Prophezeiung des SternenClans. Sie war so alt wie die größte Eiche im Wald und doch verblasste sie in den Köpfen der Katzen immer mehr, wie der Nebel, den die Morgensonne verschwinden ließ. Einst hatte man sich große Geschichten aus dieser Prophezeiung erhofft, von Helden und Schlachten, von einem Kampf auf Leben und Tod und von zwei strahlenden Katzen, die die Finsternis besiegen und die Clans retten würden. Doch die Finsternis kam nie und die Katzen hörten auf, ihren Jungen von der Prophezeiung zu erzählen und sie verschwand im Nebel, bis eine junge Katze den Mut fand, an sie zu glauben.
"Es wird schon alles gut gehen. Du darfst dir nicht so viele Sorgen machen, das macht es nur noch schlimmer für sie."
"Aber wie soll ich mir denn keine Sorgen machen? Sie ist da drinnen und hat furchtbare Schmerzen, während ich hier draußen sitzen und die Sonne genießen muss."
"Als wäre das so furchtbar."
Heiß brannte die weiße Kugel an diesem Tag vom Himmel herunter, als wollte sie die beiden gefleckten Kater, die auf der Lagerlichtung des SumpfClans warteten, verbrennen. Regentropfen, der jüngere der beiden, zuckte unruhig mit der Schweifspitze, sein dunkelgraues Fell mit den weißen Flecken war am Rückgrat entlang leicht gesträubt und seine Ohren schnippten nervös umher.
"Jetzt hör doch mal mit dem Schweifgezucke auf, da wird man ja ganz wahnsinnig", sprach der ältere Kater mit einem leisen Fauchen in der Stimme und nagelte den Schweif des Kriegers mit einer Pfote auf den Boden. Im Gegensatz zu dem grau gefleckten Kater war er selbst ganz entspannt, beinahe schon gelangweilt. Sein etwas verfilztes, weiß-braun geschecktes Fell lag halbwegs ordentlich, auch wenn sich einige Mooszweige darin verirrt hatten.
Regentropfen befreite seine Schwanzspitze ohne auch nur hinzusehen und hielt den Blick starr auf eine Kuppel aus Efeuranken gerichtet. Gut geschützt zwischen zwei modrigen Baumstümpfen lag die Kinderstube, deren Eingang von einigen glatten Steinen bewacht wurde. Oben auf einem dieser Steine lag eine Honigwabe und eine Pflanze, die wohl grob mitsamt den Wurzeln aus dem Boden gerissen worden war, denn sie verteilte Erde und den Geruch des Sumpfes. Zäh wie Schneckenschleim tropfte der Honig die Felsen herunter.
Der junge Kater beobachtete die goldenen Tropfen, als wären sie eine Zeiteinheit. Wie lange war sie denn nun schon da drin? War alles in Ordnung? Gequält zwang sich Regentropfen, den Blick von der Kinderstube abzuwenden.
"Mach dir keinen Kopf. Ich habe deiner Mutter bei zwei Geburten beigestanden und nie ist etwas passiert. Pfützenwasser ist doch eine starke Kätzin, sie schafft das schon."
Ja, alles ist gut gegangen, bis Wiesenjunges kurz vor ihrer Schülerzeremonie gestorben ist. Aber das zählt bei ihm ja nicht, dachte Regentropfen etwas verbittert und blickte zu seinem Vater. Kaum zu glauben, dass sich seine Mutter in so einen Eisklotz verliebt hatte. Eichenglut war nicht wirklich die Katze, die man sich als Vater wünschte, aber immerhin war er jetzt hier bei ihm.
Der Mond, den Regentropfen bis zur Geburt hatte warten müssen war ihm länger vorgekommen, als jeder bisherige, selbst die Zeit, die er als Junges verbringen hatte müssen war für ihn kürzer gewesen. Doch nun würde er endlich eine eigene Familie haben...wenn nichts schief ging.
"Ist es schon so weit? Sind sie da?", fragte da plötzlich eine Stimme vom Schülerbau, der sich unter zwei umgestürzten, flachen Felsen befand. Moos und Ranken überwucherten die raue Oberfläche und den Eingang komplett.
"Sieht es so aus?", knurrte Regentropfen zurück, bis ihm mit den erschrockenen Augen des Schülers auffiel, wie unfreundlich das gewesen war.
"Tut mir leid, Libellenpfote. Ich meinte es nicht so", miaute der grau gefleckte Kater entschuldigend. Wie gerne hätte er Libellenpfote als Schüler gehabt. Er war so ein aufmerksames, wissbegieriges Junges gewesen, es hätte bestimmt Spaß gemacht, ihn zu unterrichten. Aber bei den Clans war es unüblich, die Verwandtschaft auszubilden.
"Schon in Ordung", antwortete der schlanke Kater und setzte sich neben Regentropfen. "Bist du sehr aufgeregt?"
Regentropfen nickte stumm. Beide, Eichenglut und Libellenpfote, wirkten so ungerührt, als wäre dies ein ganz normaler Tag. Wie konnten sie nur so ruhig sein?
"Ich bin mir sicher, alles wird gut gehen. Ottersee ist eine gute Heilerin, sie weiß, was sie tut."
"Aber ob sie es ohne Birkenblatt schon schafft?", warf Regentropfen beunruhigt ein. Es war erst einen Mond her, dass der braun gestreifte Kater, Ottersees Mentor, sehr unerwartet gestorben war. Regentropfen Herz zog sich kurz schmerzhaft zusammen. Birkenblatt war eine gute Katze gewesen.
"Natürlich. Und außerdem waren deine Jungen die letzten, die Birkenblatt angekündigt hat. Bestimmt wacht er als Geist über sie und hilft ihnen auf die Welt", miaute Libellenpfote ernst und legte seinem Bruder beruhigend den Schweif auf die Schultern.
Der Gedanke, dass eine SternenClan-Katze seinen Jungen beistand war tröstlich für Regentropfen. Libellenpfote und Eichenglut hatten bestimmt Recht. Trotzdem zog sich der Tag dahin.
Regentropfen konnte nichts aus der Kinderstube hören. Er konnte sich gut vorstellen, dass Pfützenwasser die Schmerzensschreie zurückhielt, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es war eine ihrer Eigenarten, um sich herum eine Mauer zu errichten, Ottersee hatte Glück, dass sie bei der Geburt überhaupt dabei sein durfte.
Doch plötzlich war da doch ein Geräusch. Die Efeuranken zitterten, als die junge Heilerin des SumpfClans aus der Kinderstube schlüpfte, ihre Pfoten waren nass und von grünen Kräuterfetzen benetzt.
"Du kannst jetzt zu ihr", sagte sie, an Regentropfen gewandt. Die Heilerin wirkte erschöpft, es war ihre erste Geburt ohne ihren Mentor. Bestimmt waren ihre Ängste nicht weniger groß gewesen, als Regentropfens.
Aber Ottersee war nicht traurig oder betroffen, und das zählte. Regentropfens Herz machte einen Hüpfer und schneller als eine Schlange war er in die Kinderstube geglitten. Dunkelheit empfing ihn.
Sofort fiel dem Krieger der Geruch auf, nicht nur nach Milch, da war auch etwas Neues, etwas Wunderbares.
Pfützenwasser lag weit hinten im Bau und keuchte ausgelaugt. Im Nest neben ihr lag eine weitere Königin, mit einem Bauch so dick, als hätte sie einige Steine verschluckt, aber Regentropfen schenkte ihr keinen Blick.
Das Fell seiner Gefährtin war leicht durchnässt und das sonst so strahlende Weiß wirkte matt und ungepflegt. Langsam drehte Pfützenwasser den Kopf zu Regentropfen um, ihre Augen waren halb geschlossen von der Anstrengung der Geburt.
Lautlos setzte Regentropfen sich neben ihr Nest und starrte auf die drei feuchten, kleinen Fellbündel an Pfützenwassers Bauch. Zwei waren weiß, wie ihre Mutter, mit niedlichen, rosafarbene Schnauzen und kleinen Pfötchen, die auf der Suche nach Milch in Pfützenwassers Fell herumtapsten. Das dritte Junge war schlammbraun gestreift und Regentropfen erkannte, dass es das kleinste und schmächtigste im Wurf war.
"Sie sind wunderschön", hauchte der gefleckte Kater gerührt. Das war nun seine Familie. Die drei Jungen waren schon jetzt, kaum einen Moment nachdem er sie gesehen hatte, sein Ein und Alles.
"Drei Töchter", krächzte die weiße Königin und blickte auf die zappelnden Kätzchen hinunter. "Das hier sind Schwanenjunges und Himmelsjunges."
Sie deutete mit der Schnauze auf die beiden weißen Jungen und leckte ihnen liebevoll über die Stirn.
"Dann ist das hier also Finkenjunges", schlussfolgerte Regentropfen. Pfützenwasser war immer schon ein Dickkopf gewesen und hatte darauf bestanden, sich schon vorher Namen für die Jungen auszudenken. Finkenjunges war Regentropfens Lieblingsname, obwohl er nicht seine Idee gewesen war, aber der Gedanke war schön, ein Junges nach jemand anderem zu benennen.
"Nein", erwiederte Pfützenwasser jedoch und beim Klang ihrer Stimme fühlte Regentropfen einen eiskalten Schauer auf dem Rücken. "Das ist Schmutzjunges."
Der Kater zuckte zusammen. Schmutzjunges?
"Findest du nicht, dass ich auch ein Junges benennen sollte?", warf er vorsichtig ein und legte leicht die Ohren an. Von Zustimmung bis zu einem orkanartigem Wutausbruch war Pfützenwasser gerade alles zuzutrauen.
"Nein, finde ich nicht. Ich hab ja die ganze Arbeit gemacht, nicht du", knurrte die weiße Kätzin und legte erschöpft den Kopf am Nestrand nieder.
Regentropfen wollte keinen Streit. Er legte sich sachte dazu und blickte auf das kleine, braune Junge herunter. Egal wie sie hieß, er würde sie über alles lieben.
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WarriorCats-Das Geheimnis der Sonne
Fanfiction"Die Blüte der Blattleere und das trauernde Wasser hüten das Geheimnis der Sonne" Eine uralte Prophezeihung, die Rettung verspricht. Rettung vor einer Finsternis, die nie gekommen ist. Die Katzen des SeeClans und des SumpfClans haben die Nachricht i...