Kapitel 24

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Es ist schwer, wenn man etwas akzeptieren muss, was man weder kann, noch will.

Rose

Mir ist klar, das ich mich in Gefahr begebe, wenn ich jetzt dieses alte und doch schöne Haus betrete. Aber was bleibt mir anderes übrig? Ich kann Rebecca nicht im Stich lassen. Das könnte ich mir selbst niemals verzeihen.
"Folg mir einfach." Brian läuft ein paar Meter vor mir auf das riesige Haus zu. Ich kann nicht fassen, das ich die ganze Fahrt über in Ruhe gelassen wurde und auch jetzt, ohne irgendwelche Wachmänner hier stehe.
Jetzt wäre also der passende Moment um zu fliehen, doch stattdessen stehe ich wie angewurzelt an der Stelle. Reiß dich zusammen!
Angespannt bewege ich mich in seine Richtung und sehe mich dabei intensiv um. Wir sind in Spanien und doch habe ich das Gefühl, ich sei in Tschernobyl – Die Geisterstadt Prypjat in der Ukraine.
Zwar bin ich kein einziges mal dort gewesen, jedoch habe ich schon mehrere Bilder dieser Stadt gesehen und diese waren alles andere als Schön.
Selbst die Straße hier hin, wirkt furchteinflößend und verlassen. Als wäre hier seid Jahren keiner mehr gewesen.
Bei diesen Gedanken fühle ich mich gleich viel unwohler, als davor. Wenn ich lebendig hier rauskommen will, darf ich mich nicht von jeder Sache beängstigen lassen.
Mit vorsichtigen Schritten folge ich Brian ins Haus hinein und sofort spüre ich eine unangenehme Kälte.
Hier sieht es schon mal ganz und gar nicht so aus, wie in seinem anderem - oder richtigem Haus. Die Wände sind nicht einmal in einer Wandfarbe eingefärbt und die Möbel wirken alt und doch unbenutzt.
"Alles klar?" fragt er auf einmal und ich schrecke kurz zusammen bevor ich nicke. Einen Moment lang sieht er mich schweigend an, doch ich erwidere seinen Blick nicht.
"Ist sie hier?" platzt es dann aus mir heraus und ein amüsiertes lächeln bildet sich auf seinen Lippen.
"Natürlich ist sie das." Er wendet mir den Rücken zu und läuft auf eine große Treppe zu.
"Wo?" hake ich nach doch er läuft stumm weiter.
Mit schnellen Schritten versuche ich ihn einzuholen und bleibe mit weit geöffneten Augen stehen, als wir im 2. Stock ankommen. Hier sieht alles auf einmal ganz anderes aus. Es ist, als wäre ich auf einmal ganz wo anders.
Ein roter Teppich überdeckt den glänzenden braunen Fußboden und die Wände sind mit einer atemberaubenden Tapete überzogen.
Ich fühle mich, als wäre ich in einem Schloss - eines Mörders.
Sofort schüttle ich den Gedanken aus meinem Kopf. Er muss mir vertrauen und das wird nicht gehen, wenn ich den Drang verspüre, ihn zu erwürgen.
"Dort." Brian deutet mit seinem Kopf zu einem Zimmer, welches durch eine schwarze Tür verschlossen ist und sofort leuchten meine Augen auf.
"Du darfst sie aber nur für wenige Minuten sehen. Zumindest heute." fügt er dann hinzu und ich nicke hastig. Jede Minute zählt.
Ich beobachte ihn genau, als er den Schlüssel aus seiner Hosentasche holt und die Tür aufschließt.
"Ich werde hier vor der Tür warten. Versuch gar nicht erst, Dummheiten anzustellen."
Er versucht zu lächeln doch irgendwas in ihm drin, hindert ihn daran. Stattdessen deutet er mir dem Kopf, dass ich rein gehen kann.
Vorsichtig schiebe ich die Tür auf und entdecke Rebecca sofort auf dem viel zu edlem Bett sitzen. Sie hat Beine an ihren Köper gewinkelt und die Arme fest darum geschlungen.
Als ich die Tür hinter mir schließe, blickt sie erschrocken auf, doch keine Sekunde später, strahlen mich ihre verbitterten Augen an. Sie sieht grauenhaft aus. Was haben sie ihr nur angetan? Das ist nicht die Rebecca, die ich schon mein Leben lang kenne. Sie sieht mehr aus, wie eine lebende Leiche.
Mit Tränen in den Augen renne ich auf sie zu und nehme sie sofort in den Arm.
"Was haben sie nur mit dir gemacht?!" Besorgt sehe ich in ihr blasses Gesicht.
"Brian. Das war...." Ihre Stimme klingt so zerbrochen, das mir erst jetzt richtig bewusst wird, wie viel schlimmer die Situation in Wirklichkeit ist.
"Was hat er....also...?" frage ich vorsichtig nach, merke aber schnell, das ich viel zu aufdringlich bin und halte inne. Sie schüttelt erschöpft den Kopf und öffnet dann den Mund, als würde sie etwas sagen wollen, doch schließt ihn sofort wieder, als es an der Tür klopft.
"Noch 2 Minuten!" Ertönt Brians Stimme.
"Hör zu, ich hab einen Plan. Ich hole dich hier raus, versprochen!" flüstere ich hektisch und sehe wieder zur Tür.
"Dir wird nichts mehr passieren okey? Halte durch." füge ich dann hinzu und drücke ihre Hand. Dabei fließen mir immer mehr Tränen aus den Augen.
"In paar Tagen, hat das alles hier ein Ende." Ich lasse ihre Hand los und gehe langsam auf die Tür zu.
"Rose?" Durch ihren leisen Ton, hätte ich sie fast nicht mehr gehört.
"Pass auf dich auf. Er...." Sie stoppt und sieht aus dem von außen veriegeltem Fenster.
"...er ist wirklich gefährlich." flüstert sie dann und ich schaffe es nicht, sie weiter anzusehen.
"Er hat...." fängt sie an, doch auf einmal wird die Tür weit aufgerissen und Brian tritt rein.
"Die Zeit ist abgelaufen meine Süßen." Ein widerliches grinsen bildet sich auf seinen Lippen und ich hinterfrage immer mehr, was ich damals an ihm fand.
Ich werfe Rebecca noch einen kurze Blick zu, doch ihr Blick ist wieder auf das verriegelte Fenster gerichtet. Ihre letzten Worte schweben immer noch in meinem Kopf. Was wollte sie mir nur sagen?
"Was hast du mit ihr gemacht?" wütend trete ich aus dem Zimmer und sehe zu, wie er es wieder verschließt.
"Nichts, was sie nicht überlebt hätte."
"Hast du sie mal angeschaut? Sie lebt nicht mehr!" schreie ich und ignoriere die vielen Tränen, die aus meinen Augen fließen.
"Du bist so widerlich!" spucke ich hervor doch er bleibt immer noch ruhig wie ein Faultier.
"Weißt du noch, als wir früher nach der Schule immer gemeinsam in den Park, den du so schön fandest, gegangen sind?" sagt er und meine Augen weiten sich.
"Du hattest immer diese Pinke Decke deiner Mutter dabei und ich hab mich immer gefragt, warum du sie in die Schule mit genommen hattest." Ein ehrliches Lächeln huscht über seine Lippen und auch ich muss schmunzeln. Meine Mutter hatte sie selbst gestrickt und sagte immer, dass ich sie an meine Lieblingsorte nehmen sollte. Und naja, da wir immer nach der Schule zum Park gegangen sind, musste ich sie halt mit in die Schule schleppen.
"Deine Mutter war eine tolle Frau, findest du nicht auch?" Er sieht mir aufdringlich in die Augen und ich nicke schulterzuckend.
"Sie hat meinem Vater viel geholfen, mehr als meine es je hätte tun können." fügt er hinzu und ich hebe verwirrt die Augenbrauen.
"Wovon sprichst du?"
"Mir war klar, das du nichts davon weißt." er lacht entzückt auf.
"Was weiß ich nicht?"
"Ich nehme an, Dylan hat dir erzählt, was mit seinem Vater passiert ist?" fragt er und ich nicke.
"Deine Mutter hat meinem Vater alles über die Geschäfte von Dylans Vater erzählt."
"Woher..."
"Sie war wie du."
"Was meinst du?" fassungslos schüttle ich den Kopf.
"Sie hat ihm vertraut doch er hat sie nur benutzt. Sie wusste von seinen Geschäften.."
"Du lügst!" rufe ich verzweifelt rein und er lacht ironisch auf.
"Warum glaubst du, hat dein Vater deine Mutter so sehr verachtet?"
"Er hat sie nicht verachtet!" antworte ich doch in meinem Kopf spielt sich ein Band des Ereignisses ab, als er betrunken nachhause kam.
"Deine Mutter hat meinem Vater alles über den Frauenhandel erzählt." fährt er fort, doch es fühlt sich so an, als würde alles an mir vorbei fliegen. Ich will seinen Worten keine Bedeutung schenken. Wirklich nicht.
"Dylan ist nicht wie sein Vater!" schreie ich ihn weinend an, doch innerlich bin ich mir dem nicht so sicher.
"Woher willst du das wissen?!" Fordernd sieht er mich an und ich senke den Blick zu Boden.
"Du kennst ihn nicht mal, aber mich schon." fügt er dann mit ruhiger Stimme hinzu.
"Ich weiß was er vor hat. Ich will dir doch nur helfen!"
"Helfen?! Du willst mir helfen?!" wütend gehe ich ein paar schritte auf Abstand.
"Dann lass mich und Rebecca gehen."
"Das geht nicht. Zumindest nicht solange Dylan und Liam noch am leben sind." sagt er und ich habe das Gefühl, das mir mein Herz gleich aus der Brust fällt. Er will sie tot sehen...
"Er würde dich suchen und zurück holen. Du gehörst zu seine Plan. Bitte versteh das!"
"Wovon sprichst du da eigentlich?! Was für ein Plan?!" Mein ganzer Körper bebt und ich kann nicht garantieren, dass ich nicht gleich auf ihn los gehe.
"Er hat das selbe mit Elisa gemacht. Verführt, Entführt und dann..."
"Deine Cousine?" unterbreche ich ihn woraufhin er nickt.
"Warum sollte er sowas tun?"
"Weil das alles hier ein Spiel ist - Ein Spiel aus Rache. Sein Vater hat meinen umgebracht und da ich nicht einsehen konnte, dass Dylans Vater einfach davon kommt, habe ich mich selbst um ihn gekümmert. Dadurch kam jedoch auch seine Mutter ums Leben."
"Du sagst das, als wäre das nur halb so schlimm!" zische ich.
"In dem Moment, war es das auch." er zuckt mit den Schultern.
"Auf jeden Fall ist Dylans Bruder Liam dann ausgerastet und hat meine Mutter vergiftet..."
"Das kann nicht sein! Sie starb an Krebs!"
"Auch, aber es ist wie ich es dir erzähle." schon fast bemitleidend sieht er mich an. Ich dachte mein Leben lang, dass die Frau, die für mich wie eine zweite Mutter war, an Krebs gestorben ist! Ich habe mich selbst dafür verflucht, dass ich nicht bei der Beerdigung gewesen bin und jetzt sagt er mir, dass sie praktisch gesehen ermordet wurde? Darf ich bitte aus diesem Alptraum aufwachen?
"Natürlich ist es dann auch mit mir durchgegangen und ich habe..."
"Dylans Schwester Blair benutzt, gefoltert und dann ermordet?" spreche ich ihm angeekelt ins Wort und er nickt.
"Wie kann man nur so etwas widerwertiges machen? Hast du denn gar kein Herz!?" spucke ich wütend hervor. Am liebsten würde ich die Erinnerungen an unsere frühere Freundschaft aus meinem Gehirn nehmen und in ein tiefes schwarzes Loch werfen.
"Ich bin noch nicht fertig." Ein unberechenbares Lächeln liegt auf seinen Lippen und ich wünschte, ich könnte es ihm aus dem Gesicht schlagen.
"Dylan hat daraufhin meine Cousine Elisa Verführt, Entführt und dann..."
"Hör auf! Ich glaub dir sowieso kein Wort!" schreie ich und halte mir wie ein kleines Kind die Ohren zu. Ich will es nicht hören. Ich will es nicht glauben. Ich will aufwachen!
"Du bist genau wie deine Mutter." er lacht spöttisch auf und ich schüttle den Kopf.
"Halt meine Mutter da raus!" zische ich.
"Sie wollte meinem Vater zwar helfen, doch innerlich wusste sie, wo sie wirklich hinwollte."
"Du willst mir also sagen, dass das alles hier nur ein kindischer Streit ist?!" komme ich zurück zur eigentlichen Sache.
"Wohl eher ein Krieg."
"Du willst mich doch verarschen! Was zum Teufel haben Rebecca und ich hiermit zu tun?!" Aufgebracht wedle ich mit den Händen in der Luft rum.
"Dylan weiß, wie viel du mir bedeutest..."
"Bedeutet hast." verbessere ich ihn.
"...und deswegen will er dir das selbe antun, wie er auch Elisa angetan hat. Alles aus Rache zu mir."
"Auch wenn ich das nicht glaube, was hat dann bitte Rebecca damit zu tun?"
"Nur so konnte ich dich zu mir locken. Nachdem Dylan dich schon in seinen Bann gezogen hatte, blieb mir nichts anderes übrig." gelassen sieht er mich an.
"Warum sieht sie dann so aus, wie sie aussieht?! Warum war sie in einem verdammten Käfig eingesperrt!" Tränen steigen mir in die Augen, wenn ich daran denke, wie schlimm sie hier behandelt wird.
"Das sieht schlimmer aus, als es ist. Glaub mir, ihr geht es gut."
"Wie kann man nur so..." Geschockt von seinem unglaublich gutem Talent zu lügen, schüttle ich den Kopf.
"Er wird mich und Rebecca hier raus holen und dann wirst du bekommen, was du verdienst..." flüstere ich und er verdreht die Augen.
"Unglaublich dass du nach all dem, immer noch auf seiner Seite stehst. Du wirst schon sehen, dass er nicht der ist, für den du in hältst. Spätestens wenn er eine Waffe an deinen Kopf hält und kurz vor dem Abdrücken stehen wird, wirst du hoffentlich an meine Worte denken. Er nutzt dich aus Rose."
Er kommt mir näher weshalb ich automatsch rückwärts zurückgehe.
"Du weißt, wozu er fähig ist, oder?" fragt er und ich versuche die Gedanken an die Momente, in denen ich wirklich Angst vor ihm bekommen hatte, zu verdrängen.
"Also ja." bestätigt er es sich selbst.
"Ich werde dich immer beschützen, Rose. Immer." Seine Worte prallen wie ein Flummi an mir ab.
"Und wer beschützt mich vor dir?" sage ich so leise, dass ich nicht sicher bin, das er mich verstanden hat.
"Bald hat alles ein Ende." sagt er nach einiger zeit, doch ich kann seinen Worten keinerlei Glauben schenken. Wieso bin ich mir so sicher, dass er lügt obwohl ich mir ganz genau vorstellen kann, dass Dylan zu all dem in der Lage ist.
Warum hoffe ich nach all dem, immer noch, dass Dylan uns hier raus holt?
Warum habe ich immer noch keinerlei Zweifel an ihm?
Warum kann ich nicht einfach aufwachen?

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