Primrue Mellark 2 | Kapitel 39

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Cato und ich standen gefühlte Stunden da und hielten uns gegenseitig fest. 
„Wir müssen weiter.“, riss Nex Stimme uns aus der Stille, „Hier sind wir nicht sicher. Keine Rückzugsmöglichkeiten.“ 
Ich spürte, wie Cato zustimmend nickte und sich von mir löste. Ohne mich noch einmal anzuschauen ging er los und sammelte meine Dolche ein. 
Nex nickte mir kurz zu, ehe auch er sich weiter umsah. Wahrscheinlich um potenzielle Gegner auszumachen. 
Meine Hand wanderte zu meinem Hals, der nun, da die Todesangst und das Adrenalin weg war, anfing zu schmerzen. 
„Geht es?“ 
Shades Stimme neben mir, ließ mich hochschrecken. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, dass er so nah gekommen war. 
„Geht schon.“, krächzte ich. 
Ehe ich wusste, was er tat, hatte der Mann aus Distrikt Zwei mich ebenfalls an seine Brust gezogen und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel.
„Bryony wäre ziemlich sauer gewesen, wenn ich dich hier verloren hätte. Und dieser Finn erst.“, versuchte er mich aufzumuntern und es half. 
Ich musste selber ein wenig grinsen. 
„Na das können wir wohl kaum zulassen oder?“
„Nein. Ich muss dich jetzt wohl leider anbinden, damit du bei mir bleibst.“
„Hey, ihr seit alle einfach weggelaufen.“
„Einen fliehenden Gegner hinterher.“; verteidigte er sich.
„Ein kleines Mädchen und ihr braucht vier starke Männer?“, fragte ich und schaute ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
„Vielleicht sollten wir uns beim nächsten mal ein wenig besser koordinieren.“; gab er schmunzelnd zu. 
So makaber es auch war, gerade zu scherzen, um so besser tat es mir. Ich konnte an der Angst und den Schmerzen im Hals jetzt ein wenig tiefer in dieser Arena versinken, oder aber versuchen, dass ganze auf Abstand zuhalten. 
Man merkte, dass Shade Ausbilder war. Er wusste, mit so etwas umzugehen, hatte wahrscheinlich genug selber gesehen.
„Wieder besser?“, fragte er auch wie zur Bestätigung wenige Sekunden später.
„Wieder besser.“, gestand ich und lächelte ein letztes mal, ehe ich von Cato meine Dolche entgegen nahm.
Wieder bewaffnet fühlte ich mich gleich nochmal ein wenig besser, wodurch ich auch Karlic ein Lächeln schenkte, ehe wir uns wieder daran machten, tiefer zu gehen. 
Nex ging voraus und wir anderen folgten ihn schweigend, während Shade das Schlusslicht bildete. 
Ich hingegen war zwischen Cato und Karlic eingesperrt. Am liebsten hätten sie mich wohl beide in Watte eingepackt aber leider ging dies nun mal nicht so. Ich war wohl nicht die einzige, die dank Daphne an meine Sterblichkeit erinnert wurde. Wir waren vielleicht das stärkste Team in der Arena, sozusagen die Karrieros, aber auch diese konnten Fallen. 
Meine Eltern hatten dies nur allzu deutlich in ihren Spielen demonstriert.
Als Nex stehen blieb und aufhorchte, waren deswegen auch alle sofort kampfbereit.
„Wo?“, flüsterte Shade nur und versuchte ebenfalls zu lauschen, schien aber wie wir anderen nichts zu hören.
„Ich bin mir nicht sicher.“, murmelte Nex, ehe er Shade mit Zeichen anwies, in die eine Richtung zu gehen, während er die andere übernahm.
„Ihr bleibt hier.“, war sein Befehl an Cato, Karlic und mich, weshalb wir nur brav nickten.
Angespannt machte ich einen Schritt nach vorne, um auf Nexs Position zu rücken. 
Vielleicht könnte ich so ebenfalls etwas hören oder sehen, doch da war nichts außer mein lauter Herzschlag.
Eine Bewegung im Schatten war die einzige Warnung, die ich bekam, ehe etwas direkt auf uns zuflog. 
„Prim!“; schrie Cato auf und sofort schlangen sich seine Arme um mich. 
Mit Wucht wurde ich von ihm nach hinten, aus der Gefahrenzone, gerissen und gemeinsam trafen wir hart auf die Wand, wobei Cato das meiste abbekam. 
Das Geräusch, von Stahl auf Fleisch ließ mich zusammenfahren und mein Kopf wirbelte zu Karlic, der immer noch verwirrt schauend da stand. 
Ein Dreizack ragte aus seinem Bauch. 
„Neeeein!“, brüllte ich aus voller Leibes kraft und riss mich von Cato los.
Mir war egal, wer unser Gegner war und ob er noch einmal angriff. Alles was ich wollte, war zu Karlic zu gelangen, der gerade in sich zusammen brach. 
Nur halb bekam ich ein erschrockenes keuchen aus den Schatten mit, doch auch dies war mir egal.
Ich kniete mich neben Karlic, der ängstlich auf die Waffe schaute, die in seinen Körper steckte.
„Primrue?“, fragte er leise und klang dabei eher wie ein Kind.
„Es tut mir so leid Karlic.“, weinte ich und strich ihn über die Wange. 
Eine Gestalt kniete sich auf seine andere Seite. 
Da es eindeutig nicht Cato war, schaute ich verwirrt auf und sah in Bryonys traurige Augen.
Bryony? Was...?
Karlics schmerzhaftes Husten, ließ mich zu den Jungen zurück schauen und erneut bildeten sich Tränen in meinen Augen.
Das durfte nicht sein. Warum wurden immer die Menschen aus meinen Leben gerissen, die mir etwas bedeuteten und die mich mochten. 
Seine Hand tastete nach meiner und sofort umschloss ich seine Finger mit meinen. 
„Als ich dich zum ersten mal gesehen hatte, hatte ich mir unser Ende ein wenig anders vorgestellt.“, spaßte er, trotz der Schmerzen immer noch. 
Ich konnte nichts sagen, versuchte nur die Tränen und den Schmerz, der sich nach oben kämpfen wollte, zu unterdrücken. 
„Warum bist du nicht ausgewichen?“, flüsterte ich leise. 
Er konnte es. Im Training hatte er seine Reflexe oft genug gegen über mir bewiesen. 
„War zu sehr... auf dich fixiert.“, meinte er keuchend, „Ich wollte dich aus der Schussbahn haben. Gut das Cato da war.“ 
Sein Blick huschte zu den älteren Mann und auch wenn ich Cato nicht sah, schien es, als wenn die beiden stillschweigend kommunizierten. 
Erst nach ein paar Sekunden, schaute er wieder mich an.
„Ich wünschte, ich hätte dich länger kennen dürfen.“, flüsterte Karlic und drückte meine Hand, während die Tränen nun auch bei mir übertraten. 
Ohne darüber nachzudenken, beugte ich mich nach vorne und hauchte einen sanften Kuss auf seine Lippen. Im ersten Moment regte er sich nicht, doch dann erwiderte er ihn schwach. 
„Danke“, hauchte er ein letztes mal, ehe seine Atmung unregelmäßig wurde und dann ganz aufhörte. 
Wie damals bei Haymitch und Dillian riss sein Kanoneschuss einen Teil meiner Selbst aus mir und ich schrie den Schmerz heraus.
„Es tut mir Leid, Kleines.“, meinte Bryony sanft neben mir und erst jetzt schaute ich sie, durch den Tränenschleier an.
„Was...“, brachte ich nur hervor, ehe es mir klar wurde.
Dreizack.
Nur einer konnte einen Dreizack soweit werfen. 
Mein Blick huschte zu den Schatten zurück und da stand er. 
Seine Augen erschrocken aufgerissen. Sein Gesicht bleich wie der Tot.
Finn.
Der Mann, der einmal wie ein Bruder für mich war, hatte erneut einen mir wichtigen Menschen aus meinen Leben gerissen. Dieses mal durch seine eigene Hand.
„Ich... ich hab nicht gesehen, dass ihr es seit.“, stammelte er leise, „Ich würde niemals... Prim, du weißt doch.“
Ich ließ ihn nicht ausreden, sondern stürzte mich vor Wut und Schmerz brüllend auf ihn.

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt