Vivians PoV:
In dieser Nacht träumte ich wieder von dem Mädchen. Diesmal war ich wieder ein Nichts, nur das ich nicht von oben auf das Geschehen hinabblickte, sondern so, als würde ich ebenfalls in diesem Schuppen stehen. Dieser Traum unterschied sich nicht wirklich vom letzten Traum, den ich hatte. Das Einzige, was mir aufgefallen war, war, dass das Mädchen nicht mehr so vorlaut war wie sonst. Anscheinend hat sie es mehr oder weniger aufgegeben und sich vorerst mit ihrer Situation abgefunden. Meiner Meinung nach war dies auch eindeutig die schlauere Variante. So kommt sie wenigstens ohne Schläge oder Tritte davon.Hoffentlich hatte Karo sich über Nacht etwas einfallen lassen, denn wenn dieses Mädchen aus meinen Träumen wirklich das vermisste Mädchen aus den Nachrichten war, dann mussten wir wenigstens probieren, ihr zu helfen. Vielleicht waren meine Träume ja tatsächlich Hinweise (wie auch immer das zustande kommen mochte).
Da tatenlos im Bett rumzuliegen dem Mädchen auch nicht weiterhelfen konnte, setze ich mich auf und streckte mich ausgiebig. Danach schlüpfte ich in meine Hausschuhe und ging ins Wohnzimmer, wo Karo auf dem Sofa lag und Buch laß. Verschlafen wünschte ich ihr einen guten Morgen und ging in die Küche, wo ich mir Wasser für eine morgendliche Tasse Tee aufsetzte. Sie erwidert meinen Gruß und laß unbeirrt weiter.
Währen mein Tee sechs Minuten ziehen musste, fragte ich Karo: „Was gibt es heute zum Frühstück?"
Ohne von ihrem Buch aufzublicken, antwortete sie: „Ich hatte gehofft, da du jetzt sowieso wieder mit der Morgenrunde dran bist, dass du mit Lucie beim Bäcker vorbei gehst und Brötchen für uns beide holst."
„Aber morgens am Sonntag ist die Schlange vorm Bäcker immer richtig lange. Da hätten wir lieber gestern schon die Brötchen für heute besorgen sollen", erwiderte ich nicht wirklich begeistert.
Karo blickte von ihrem Buch auf und sagte das, womit sie mich eigentlich immer überzeugen konnte: „Du darfst auch das Wechselgeld behalten."
Das war bei Karo immer ein guter Deal, denn sie gab immer viel zu viel Geld mit, sodass ich mindestens fünf Euro behalten konnte. Meistens sogar zehn. Ich stimmte also zu und ließ mir von ihr das Geld geben.Nachdem ich meinen Tee ausgetrunken hatte, ging ich ins Bad und machte mich fertig. Danach ging ich in mein Zimmer und zog mir anstelle meines Schlafanzugs eine lockere Hose und irgendein langweiliges Langarmshirt an. Da es noch sehr früh war. Nun, da ich soweit was Anständiges anhatte, um die Wohnung zu verlassen, ging ich in den Flur und machte Lucie fertig zum Gassigehen. Ich warf mir noch schnell meine Jacke über und steckte mir das Geld gemeinsam mit meinem Handy und dem Schlüssel in meine Jackentaschen, wobei ich darauf achtete, dass meine Hand in der rechten Jackentasche ist und mein Schlüssel in der Linken.
Dies machte ich immer so, damit der Schlüssel nicht das Display zerkratzen kann. Diese Angewohnheit ist für mich sogar so wichtig, dass ich schon direkt Panik bekommen, wenn mein Handy mal nicht in der linken Tasche ist, sondern warum auch immer in der Rechten.Schon von Weitem konnte ich erkennen, dass die Schlange vorm Bäcker ziemlich lang ist. Toll fand ich das nicht, aber immerhin durfte ich das Restgeld behalten und als ich näher kam, entdeckte ich Mona, ein Mädchen aus meinem Französischkurs, mit dem ich mich relativ gut verstehe. Wir waren zwar keine Freundinnen, da sie in Französisch meistens eher was mit ihren Freundinnen macht, aber wenn wir zusammen in Gruppenarbeiten arbeiten oder gemeinsam einen Vortrag vorbereiten mussten, haben wir uns gut verstanden.
Praktischerweise bildete sie das Ende der Schlange, weshalb ich mich ohne Vordrängeln zu ihr stellen konnte.
Ich begrüßte sie freundlich und wir unterhielten uns über die Schule und führten halt klassischen Small Talk zwischen 14-Jährigen. Irgendwann kam auch das Thema mit dem verschwundenen Mädchen auf. Wir sprachen ein wenig darüber und ich tat so, als ob nie irgendwelche komischen Träume diesbezüglich gehabt hätte. Ich hatte keine Lust darauf, von ihr als Verrückte abgestempelt zu werden. Dann würde sie das wahrscheinlich auch ihren Freundinnen erzähle und da eine von diesen mit Madleine befreundet ist, würde diese bestimmt auch von meiner angeblichen Verrücktheit erfahren und darauf konnte ich wirklich gut verzichten.
„Ach, ich habe übrigens davon gehört, was Madleine im Matheunterricht abgezogen hat", sagte Mona mitleidig.
Das war schon fast gruselig. Warum sprechen Menschen so oft Themen genau dann an, wenn man gerade daran gedacht hat?
„Toll war es auf jeden Fall nicht", erwiderte ich und tat einfach so, als wäre die Situation in keiner Weise komisch gewesen.
Mona nickte verständnisvoll und fuhr fort: „Wenn du magst, könnte ich mal meine Freundin Linda, die mit Madleine befreundet ist, fragen, ob sie Madleine einmal darauf hinweisen könnte, wie mies ihr Verhalten ist."
„Das wäre nett", meinte ich, und ich war froh, dass Mona hinter mir stand und mir helfen wollte.„Ich würde sie zwar gerne selber darauf ansprechen, doch fehlt mir dazu der Mut, da sie mir wahrscheinlich mal wieder irgendetwas Verletzendes sagen wird, anstelle ihr Verhalten zu ändern."
Mona streichelte meine Arme tröstlich und erklärte, dass sie sich so etwas auch schon gedacht hatte und mich deswegen darauf angesprochen hatte. Sie würde mich so einschätzen, dass ich ziemlich schlagfertig sein könnte, aber dass meine Schlagfertigkeit gegen Madleine nichts helfen würde, da unsere „Unstimmigkeiten" einfach schon zu lange so gehen.Nach ungefähr einer viertel Stunde Anstehen waren wir zum Glück schon soweit in der Schlange voran, dass Mona schon in die Bäckerei rein konnte.Da ich die Nächste war, die rein durften, band ich Lucie neben der Tür fest, da natürlich auch beim Bäcker Hunde draußen bleiben mussten. Als Mona dann dran war mit bestellen, verabschiedete ich mich von ihr und dankte ihr noch einmal dafür, dass sie mir ihre Hilfe angeboten hatte.Daraufhin war ich an der Reihe und bestellte vier normale Brötchen. Da Karo mir an diesem Tag ziemlich großzügig Geld gegeben hatte, konnte ich elf Euro 54 behalten.Letztendlich machte ich mich wieder auf den Rückweg nach Hause, wobei Lucie die Brötchentüte tragen durfte.
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The Girl in my head
AdventureDie junge Vivian muss, als plötzlich ihre Schwester Karo Geheimnisse vor ihr hat, den Mut finden, sich den Problemen aus ihrer Vergangenheit zu stellen. Denn was passiert, wenn sie erfährt das dabei auch ihre Eltern involviert sind? Aber nicht nur d...