Kapitel 50

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Wincent

„Los, Wince, aufstehen jetzt", hörte zum bestimmten fünften Mal die Worte meiner Freundin und mittlerweile klangen sie alles andere als liebevoll. Es war vielleicht nicht die beste Idee ausgerechnet am Abend vor Tourstart so bei Marco zu versumpfen. Aber irgendwie lief der Abend wie von selbst und damit auch irgendwie aus dem Ruder. „Emma", brummelte ich, als sie mir die Decke wegzog und damit die kalte Novemberluft auf meinen aufgeheizten Körper traf. Ich rollte mich zusammen, um mich zu wärmen, aber mir war schon klar, dass sie nicht locker lassen würde. Vorsichtig öffnete ich ein Auge und sah, dass sie vor meiner Bettseite stand. Langsam schaute ich an ihr hoch, bis ein großer Eimer in mein Sichtfeld trat. Urplötzlich war ich wach und rutschte auf ihre Seite. „Wag es nicht!", drohte ich ihr. Lachend ließ sie den Eimer sinken. „War nur ne Attrappe", grinste sie und zeigte mir, dass er nicht mal gefüllt war. „Aber hat ja seinen Effekt nicht verfehlt...los jetzt, geh ins Bad", befahl sie mir und verschwand. Dieses Biest! 

Ich schleppte mich unter die Dusche und während ich die lautesten Töne von System of a Down aus der Wohnung hörte wurde mir klar, dass wir uns gleich auf den Weg zur Novembertour machen würden. Und augenblicklich wuchs die Vorfreude in mir. Geil! Endlich wieder Konzerte spielen! Und das die ganze Zeit mit Emma an meiner Seite. Ich konnte es wirklich kaum erwarten. Bis ich im Bad fertig war, stand schon mein Kaffee auf dem Tisch und Emmas gepackter Rucksack neben der Haustür. Hat auch Vorteile mit einer Frau zusammen zu wohnen, die so organisiert ist. Ich trank in Ruhe meinen Kaffee und schrieb ein bisschen mit den Jungs in unserer Bandgruppe hin und her- die freuten sich ebenso wie ich. „Gut dass du gestern schon gepackt hast", kam Emma irgendwann um die Ecke und schmiss mir meinen Rucksack vor die Füße. Erst hatte ich ihr den Vogel gezeigt, aber jetzt im Nachhinein hatte sie wie immer Recht. „Hey", meinte ich und griff nach ihrer Hand und zog sie auf meinen Schoß. „Ich muss noch meinen Laptop suchen und das Ladekabel und...", fing sie an, bis ich sie mit einem Kuss ruhig stellte.

Sie war wie immer super in der Zeit und auf ihrer Packliste war fast alles abgehakt. „Das wird so gut", meinte ich und sah sie an, „und ich freu mich so, dass du dabei bist". Emma lächelte mich an. „Ich freu mich auch. Auch wenn ich ein bisschen aufgeregt bin, ist schließlich ein großer Job für mich", gab sie zu. „Du wirst das großartig machen, das versprech ich dir", ermutigte ich sie und küsste sie nochmal. Dann packten wir zusammen unseren restlichen Kram und standen wenig später am Flughafen in Hamburg. Das war leider immer noch die schnellste und günstige Möglichkeit nach Nürnberg zu kommen. Wir zogen beide unsere Kapuzen tief ins Gesicht, während wir dann doch kurz vor knapp am Gate ankamen. Während des Fluges checkten wir den Tagesplan mit dem Team und Emma stimmte die letzten Sachen mit Amelie ab. „Das wird mega", hörte ich sie sagen, als wir landeten. Uns beide hatte die Vorfreude voll im Griff. Und die wuchs, als wir im Taxi saßen und die ersten Plakate an uns vorbei zogen. Ich tippte auf meinem Handy, als eine Markierung auf Instagram aufploppte. Ich klickte direkt darauf und sah Emmas Story von gerade eben. Aber von einem anderen Profil offensichtlich. Fragend sah ich sie an. „Wir haben gesagt keine Geheimnisse...ich hab mir ein zweites Profil zugelegt, beruflich sozusagen. Für die Tour und alles, was wir vielleicht mal noch beruflich zusammen machen. Verlink das, dann tauchen keine vermeintlich heimlichen Fotos auf", erklärte sie mir. Ich sah mir ihr Profil an und musste grinsen. „Und du willst mit dem Namen natürlich auch keine Gerüchte anheizen, is klar...emmaweiss, wirklich?", lachte ich. Sie zuckte mit den Schultern.

„Ob ich jetzt so heiße oder in zwei Jahren spielt jetzt nu wirklich keine Rolle mehr", meinte sie und beugte sich zu mir rüber um mich zu küssen. Wenig später stiegen wir aus dem Taxi und standen direkt vor der Halle. Ich brauchte einen kurzen Moment, um anzukommen. „Wow", staunte Emma und griff nach meiner Hand. Wir mussten wohl eine Zeit lang so da gestanden haben, denn als ich das nächste Mal blinzelte, stand Amelie vor uns und fuchtelte wie wild vor unseren Gesichtern rum. „Was is los mit euch? Ihr habt doch beide schon mal so ne Halle gesehen", lachte sie ehe sie uns in die Arme schloss. Kaum waren die Mädels zusammen, war ich abgeschrieben. Amelie und Emma waren schon direkt im Arbeitsmodus, während ich den Beiden nachging. Wir stoppten kurz am Bus, ich schmiss unsere Taschen in unser Zimmer und machte mich dann auf den Weg zu den Jungs. Die saßen schon beim ersten Kaffee im Aufenthaltsraum zusammen. 

„Moin", rief ich in die Runde und wir genehmigten uns bestimmt erstmal eine Stunde, um zu quatschen, und dann eine Rundgang durch die Halle. Bis uns die Mädels einholten. „Hey, müsst ihr nicht mal arbeiten? Soundcheck und so?", hörte ich Emma sagen. Sofort kriegten die Jungs ein fettes Grinsen ins Gesicht und vergruben meine Freundin in einer großen Umarmung. Typisch für den ersten Tag lief natürlich nix glatt und wir leisteten uns einen Fail nach dem anderen, aber am Ende des Abends hatten wir ein hervorragendes erstes Konzert gespielt. „Fühlt sich direkt wieder an wie letztes Jahr", meinte Emma, als wir den Bus bezogen.

Ich sah sie an und lächelte. „Nur dass diesmal Alles klar ist zwischen uns und wir nicht so umeinander rumtänzeln müssen", kommentierte ich. „Ach das war ja auch irgendwie nett, oder?", sagte sie und begann sich umzuziehen. Raus aus den Team-Klamotten, rein in Sportleggings und einen meiner Hoodies. „Nett?", erwiderte ich. Sie schlang ihre Arme um meine Taille und grinste mich an. „Na schon n bisschen, oder? Diese Blicke...keiner soll uns sehen...hatte doch auch was", flüsterte sie. Diese Frau! Machte mich schon jetzt wieder wahnsinnig. „Ich finds auch gut so, wenn wir uns nicht verstecken müssen...wenn ich dich anfassen und küssen kann, wann ich will", erwiderte ich und zog sie hinter mir her zurück zu den Anderen. „Jetzt genießen wir erstmal den ersten Abend mit den Jungs", sagte ich. Ich nahm uns zwei Bier aus dem Kühlschrank und hörte, wie sich Emma zu Fabi gesellte. 

„So, jetzt aber mal in Ruhe...wie war das noch mit den Socken?", fragte sie und Beide mussten lachen, ganz im Gegensatz zu der Band, die keine Ahnung hatte worum es ging. Oh wenn wir jetzt wieder dieses Sockenthema diskutieren mussten, war ich ja mal gespannt, ob Emma so persönlich und live immer noch eine große Klappe hatte. Hatte sie. „Ich hab mehr von Wincents eingepackt, wenn die dir passen sollten, kannst du dir gerne welche leihen", lachte sie. Alles klar, die Zwei verstanden sich schon mal gut. Ich war gespannt, was uns die Tour noch bringen würde. 

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