Ida klappte ihr Mathematikbuch zu und ließ es zusammen mit dem dazugehörigen Hefter in der Schultasche verschwinden. Sie war müde. Hätte sie keine Hausaufgaben machen müssen, wäre sie schon längst im Bett gewesen. Sehnsüchtig dachte sie an die Wärme ihrer Decke als sie das Englischbuch hervorkramte. In dem Moment piepste ihr Handy. Ida wühlte in ihrem Ranzen herum, durchsuchte ihre Schreibtischschubladen und fand das Telefon schließlich auf dem Fußboden. Wie auch immer das Ding dahin kommt!, dachte sie. Suchen gehörte nicht zu Idas vorgezogenem Zeitvertreib, ganz im Gegenteil, es machte sie gereizt. Sie öffnete die neue Nachricht.
Dein erster Einsatz. Ich hole dich in 10 min ab. Georg
Zehn Minuten! Sie hatte gerade mindestens die Hälfte davon mit der Suche nach ihrem Handy vertrödelt. Wie sollte sie nur rechtzeitig fertig werden? Was brauchte sie überhaupt? Die Unordnung in Idas Gehirn war ein einziger Alptraum. Sie war so aufgeregt, dass sie nur schwer einen klaren Gedanken fassen konnte. Mit Mühe beruhigte sie sich ein kleinwenig. Sie würde auf jeden Fall ihre Rüstung und ihr Schwert brauchen. Mehrmals überprüfte das Mädchen, ob der Rüstungsaktivierer fest an ihrem Handgelenk saß, bevor sie das Schwert unter dem Bett hervorholte. Dabei schlug ihr das Herz bis zum Hals. Sie hatte diese Waffe noch nie benutzt, nicht einmal in einem Übungskampf, was sie in diesem Augenblick eindeutig als Mangel betrachtete. In den Trainingseinheiten kamen nur Holzwaffen zum Einsatz, um schwere Verletzungen zu vermeiden. Hanna behauptete zwar, es würde keinen Unterschied machen, wie echt die Waffe war, doch Ida war da anderer Meinung. Allein das Gewicht des echten Schwertes konnte zum Problem werden. Umso überraschter war Ida als sich das Schwert recht leicht anheben ließ, obwohl es nach wie vor schwerer als sein Holzzwilling war.
Die Türklingel ertönte und Ida stürmte zur Haustür.
„Hallo! Können wir los?" Georg sah sie fragend an.
„Ja."
Er musterte Ida von oben bis unten. „Hol dein Schwert und zieh dir eine Jacke an, draußen ist es kalt. Handschuhe und Mütze könnten auch nützlich sein. Wir müssen erst ein Stück fliegen, da kann es kühl werden. Danach wird dir von allein warm genug."
„Wir fliegen?" Ida spürte wie sich in ihrem Hals ein Kloß bildete. Sie hatte Höhenangst. Sie hatte noch nie in ihrem Leben ein Flugzeug bestiegen, ihr reichte schon die Höhe von Aussichtstürmen und nun sollte sie auf den Rücken eines geflügelten Pferdes steigen?
„Was hast du denn gedacht? Dass wir zu Fuß gehen? Du hast Phantasie, Mädchen."
Ida wurde den Gedanken nicht los, dass er sich über sie lustig machte. Um ihm nicht noch mehr Anlass zu geben, sich auf ihre Kosten zu amüsieren, zog sie die empfohlene Kleidung an, holte das Schwert aus ihrem Zimmer und kehrte dann zu Georg zurück.
„Gut."
„Wo sind die Pferde?" Ida versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu verderben.
„Auf dem Dach."
„Auf dem Dach?" Ida seufzte laut.
„Ich konnte sie wohl kaum auf dem Parkplatz abstellen. Wenn sie Flügel haben, können sie zwar normale Menschen nicht sehen, aber es würde komisch aussehen, wenn wir auf sie aufsteigen und dann ebenfalls nicht mehr zu sehen sind. Von den Schwertern ganz zu Schweigen."
„Wie kommen wir aufs Dach?"
„Ich zeige es dir."
Sie nahmen die Treppe, um in den siebten Stock zu kommen. Dort angekommen, sah Ida eine Leiter an der Wand stehen. Georg platzierte sie unter der Luke, die aufs Dach führte. Da Ida sich selten im obersten Stockwert aufhielt, war ihr bisher nicht aufgefallen, dass diese Vorrichtung überhaupt existierte. Georg kletterte die Sprossen hinauf und öffnete mit angestrengtem Gesicht die Luke. Bevor er durch die Öffnung verschwand, warf er Ida einen untersuchenenden Blick über die Schulter zu: „Kommst du?"
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Drachenmagie
FantasyIda ist ein ganz normaler Teenager bis am Silvesterabend plötzlich zwei Fremde vor der Tür stehen und ihr eröffnen, dass sie ein Ritter ist. Auf einmal eröffnet sich Ida eine ganz neue Welt, von der sie bisher nichts ahnte, mit magischen Wesen wie D...