♫ 46 ♫

37 11 1
                                    

Astra Black schritt von der Bühne, als wäre nichts gewesen. Während sie sich einen Weg zur Bar bahnte, tat ich es ihr gleich. Mein halb leeres Wasserglas ignorierte ich geflissentlich, stattdessen stellte ich mich zu ihr, zwischen ihren Barhocker und einem, der von einem meckernden, alten Mann besetzt war.
"Wieso hast du Taehyung und mir eine gelogene Geschichte aufgetischt. Du hättest es auch einfach verheimlichen können. Ich meine, es ist zwar deine Sache, aber ich verstehe nicht, wofür die Lüge nötig war." Es war nicht unbedingt so, dass ich sauer war. Ich war eher verwirrt und erstaunt und ein wenig enttäuscht, dass sie gelogen hatte, obwohl sie ihr Geheimnis bisher ziemlich gut verwahrt hatte. Eine Lüge wäre also nicht notwendig gewesen.
"Ich hatte es im Gefühl, dass du irgendwann dahinterkommst. Die wenigsten fragen mich nach Astra Black aus und eine Verbindung zwischen ihr und Cho Yejin herzustellen verwischt normalerweise die eigentliche, viel offensichtlichere Verbindung. Die Leute geben sich sonst damit zufrieden, dass die eine, die andere kennt und als Musiklehrerin diese Zusammenarbeit mit Sashi in die Wege geleitet hat. Es ergibt Sinn, zumindest, wenn man diesen Sinn akzeptiert."
Die Sängerin nahm das Glas Saft entgegen, das der Barbesitzer ihr reichte. Schuldbewusst sah er mich an.
"Du hast es also auch gewusst."
"Nun ja, es war ein Geheimnis. Ich habe Astra nicht engagiert, um ihr ganzes Leben vor jedem Gast zu offenbaren, sondern weil sie gut ist und weil eine Sängerin mit abwechslungsreichem Repertoire genau das war, was ich gesucht hatte. Aber am Anfang hat sie auch versucht mich an der Nase herumzuführen."
"Und es hat überhaupt nicht geklappt", sagte die junge Frau mit einem kleinen Lächeln, das jedoch nicht ihre Augen erreichte. Ich hatte das Gefühl, das hier war noch nicht die ganze Wahrheit. Es kam mir so vor, als fehlte noch ein entscheidendes Detail. Aber welches?

"Wie schaffst du es, als Cho Yejin so anders auszusehen, als als Astra Black? Beide haben entscheidende Unterschiede in ihren Gesichtszügen, auch jetzt, wo man ein wenig dein anderes Ich erkennen kann."
Astra Black seufzte, stellte ihr halb leer getrunkenes Glas ab und drehte sich zu mir. Dann tippte sie sich auf die Nase, die entschieden schmaler und länger war, als bei Cho Yejin.
"Ich habe lange mit Special Effects Makeup, generell mit Makeup experimentiert und betone bei Cho Yejin andere Features, als bei Astra Black. Die Nase ist teilweise aus Latexmasse modelliert, so dass auch das hier -" sie deutete auf ihr Nasenpiercing - "aussieht wie ein echtes Piercing, obwohl ich in der Nase keines habe. Außerdem lässt es Astra viel gefährlicher aussehen, wenn ihre Augen dunkel geschminkt sind, während Cho Yejin etwas liebliches, aber doch erwachsenes an sich hat, wenn eher ihre Lippen betont sind. Es ist ein simpler Trick, aber wenn man nicht ganz genau hinsieht, dann sind beide kaum miteinander zu vergleichen."
Ich nickte. Bisher hatte ich wirklich kaum Gemeinsamkeiten erkennen können. Hätte sie heute als Astra Black kein schlichteres Augenmakeup getragen, hätte ich sie nicht als Cho Yejin erkennen können. Aber auch ihre Stimmen waren Anfangs für mich ziemlich verschieden, auch wenn sie manchmal mit der selben Traurigkeit und dem selben Schmerz ihre Lieder sangen.
"Was ist mit den unterschiedlichen Stimmen. Sowohl beim Reden, als auch beim Gesang haben sich deine beiden Alter Egos nicht gleich angehört. Erst als ich dich erkannt habe, habe ich geglaubt stimmliche Ähnlichkeiten herauszuhören."
"Du als Musikexperte müsstest das doch wissen, oder nicht? Es war die ganze Zeit die selbe Stimme, aber wenn ich einen Pansori singe, brauche ich ein anderes Stimmvolumen und andere Gesangstechniken, als wenn ich einen Pop oder Rock Song singe. Da gibt es nicht viel zu erklären, warum sich meine Stimme unterschiedlich anhört. Es sind verschiedene Genres, verschiedene Vibes und ich singe schon lange genug, um zu wissen, wie ich meine Stimme unter Kontrolle bringen muss, um die Besonderheiten dieser verschiedenen Genres umzusetzen."

Sie hatte also eine perfekte Illusion geschaffen, bloß mit Makeup und verschiedenen Gesangstechniken, die ihre Stimme auf unterschiedliche Weise zur Geltung brachten. Es war so simple, wenn man die nötigen Skills dafür hatte. Und ein Gesicht, sowie eine Stimme, die sich mit den richtigen Mitteln bis beinahe zur Unkenntlichkeit umformen ließen.
"Das ist wirklich unglaublich", sagte ich, eher erstaunt, als verärgert. Mittlerweile hatte sich meine vorherige Enttäuschung über die Lüge in Interesse verwandelt, was wahrscheinlich auch an dem musikalischen Aspekt lag, der eine leitende Rolle spielte.
"Aber eine letzte Frage habe ich noch: Warum diese zwei Identitäten? Ich meine, du bist sowohl als Musiklehrerin beliebt, als auch als Sängerin in dieser Bar. Wofür also dieses Versteckspiel?"
Die Sängerin kratzte mit dem schwarzen Fingernagel am Rand des Glases und sah darauf hinab. Sie sah nicht mehr unbedingt sehr gutgelaunt aus. Hatte ich mit meiner Frage einen Nerv getroffen?
"Zu meinem eigenen Schutz", antwortete sie und es erstaunte mich. Schutz wovor?
"Es kommt nicht selten dazu, dass Leute aus der Musikindustrie hier aufkreuzen und mich zu einen Deal überzeugen wollen. Wüsste jeder, wer ich bin, würden sie das sicherlich auch irgendwann mitbekommen und ich könnte vielleicht nicht mehr in Ruhe arbeiten, bis sie alle aufgegeben haben. Es hört sich jetzt dramatisch an, so gefragt bin ich zwar auch nicht, aber mir wäre es lieber, wenn es dabei bleibt, dass Astra Black sich zwischendurch damit herumschlagen muss. In meinem Leben als Cho Yejin und vor allem mit meinem Job als Musiklehrerin brauche ich das nicht."
Es klang plausibel, aber schon wieder hatte ich das Gefühl, dass das nicht die ganze Wahrheit war. Noch immer kratzte die junge Frau an dem Rand ihres Glases herum und sie biss sich nervös auf die Unterlippe. Sie machte eine Miene, als hätte sie ein schlechtes Gewissen, doch ich hakte nicht weiter nach. Ich hatte ihr genug Fragen gestellt und sie wird schon ihre Gründe haben, warum sie zwei Identitäten lebt.

Genauso war es doch auch mit Mirae. Sie verheimlichte auch vor der ganzen Welt, dass sie Nachts als Streamerin G-Dee unterwegs war. Auch sie hatte ihre Art der Identitätsveränderung perfektioniert und arbeitete mit verschiedenen Frisuren, Klamotten und einer ganz anderen Stimmung in der Art, wie sie mit ihren Zuschauern sprach. Auch bei ihr war es so simple, sogar noch etwas simpler als bei Astra Black, aber es tat seinen Zweck.
Wo ich gerade an sie dachte, als ich kurz auf mein Handy sah, war noch immer keine Nachricht von ihr da. Sie dürfte eigentlich bald wieder hier sein. Doch warum schrieb sie mir nicht, wie sie es vorgeschlagen hatte, um die langweilige Busfahrt zu überbrücken? War irgendetwas vorgefallen? Oder war bloß ihr Akku leer gegangen? Aber das hätte sie mir doch vermutlich rechtzeitig gesagt.
"Ich muss jetzt los", sagte Astra Black plötzlich neben mir und riss mich kurz aus meinen Gedanken. Ich konnte ihr jedoch nur kurz zunicken, denn als sie weg war, zahlte ich direkt das Wasser bei Sashi und wählte bereits Miraes Nummer, während ich die Bar verließ.
Es klingelte eine ganze Zeit, bis ich auf die Mailbox weitergeleitet wurde.
Warum ging sie nicht ran? War ihr Akku vielleicht wirklich ausgegangen?
Auch wenn es sicherlich eine ganz plausible und einfache Erklärung dafür gab, machte ich mir doch Sorgen. Es war schon spät und man konnte nie wissen, wer einem auf dem Weg nach Hause so auflauerte. Vor allem wenn man eine junge, schlanke und vor allem kleine Frau war, wie Mirae. Ihr konnte sonst etwas passiert sein. Ich hätte sie doch abholen sollen. Scheiß auf die Umwelt, scheiß auf die Zeit, die man anders hätte nutzen können.

Wieder versuchte ich sie zu erreichen und ich beruhigte mich ein bisschen, als sie nach dem zweiten Klingeln ranging.
"Namjoon?", fragte sie etwas atemlos, aber scheinbar gut gelaunt, nur etwas müde. Ich atmete auf. Es war wohl alles in Ordnung.
"Ich hatte mich nur gefragt, wo du bist. Du hast mir keine Nachricht mehr geschrieben."
"Oh, tut mir leid, ich bin im Bus eingenickt, aber ich laufe gerade das restliche Stück bis nach Hause, ich bin in zehn Minuten da. Hast du dir Sorgen gemacht?" Ihre Frage klang überrascht.
"Ein wenig." Die Untertreibung des Tages. "Soll ich dir entgegenkommen?"
Mirae lachte ein wenig, sagte dann jedoch: "Das ist sehr süß von dir, aber nein, ich finde den Weg schon alleine. Über ein wenig Gesellschaft gleich, bevor ich meinen Stream beginne, hätte ich aber nichts einzuwenden."
Ich grinste in mich hinein und nahm die Stufen zu meiner Haustür, um kurz darauf darin zu verschwinden.
"Sehr gerne, ich freue mich drauf. Dann können wir die restlichen Kirschtaschen vernichten, wenn bei dir noch etwas reinpasst."
"Oh, aber darauf kannst du Wetten", sagte sie überzeugt und wir lachten zusammen, bis es dann an meiner Tür klopfte und Mirae mit einer vollbepackten Tragetasche davorstand.



♫♪

[ich habe einfach gerade eine halbe packung nüsse gegessen, während ich das kapitel geschrieben habe - weil mein brain diese energy brauchte und meine muskeln nach fast drei stunden sport heute, wohl besonders hungrig waren - und habe jetzt macadamianüsse für mich entdeckt. habe natürlich erstmal alle aus der nussmischung herausgepickt, nach den cashewkernen natürlich. xD
das war die most random info überhaupt hier, aber ich hatte das bedürfnis, es hier aufzuschreiben (es hatte zumindest etwas mit meinem workprogress zutun, haha)
ich wünsche euch noch einen schönen donnerstagabend! wir lesen uns! <3]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt