Unangenehme Wahrheiten

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„Ich übernehme nicht länger die Verantwortung, Sir." Parkin sah alles andere als glücklich aus, wie er die Kappe aus Tweed zwischen seinen Händen knetete und unbehaglich von einem Bein auf dass andere trat.

Lord Velton, angetan im Reitanzug, glänzenden Hessenstiefeln und Bieberhut, die Arme vor der Brust verschränkt und eine seiner Brauen hebend, seufzte. „Was hat er diesmal angestellt?"

„Er jagt die Stallkatze, Sir."

„Dann binde ihn an, Parkin."

„Hab' ich, Sir. Dann jault er die ganze Nacht, Sir. Die Pferde werden schon nervös, wenn sie den Hund nur sehen", berichtete Parkin. „Der Stall ist jedenfalls nicht der richtige Platz für ihn, Sir, mit Verlaub, Sir."

Richard seufzte erneut, tiefer als zuvor. „Das scheint mir auch so."

„Geht es um Napoleon?" Samantha war hinzugetreten. Sie trug wieder den breitkrempigen Strohhut, von dem Richard der Meinung war, er verberge zu viel von ihrem Gesicht. Ihr primelgelbes Musselinkleid schien in der Sonne zu leuchten und am Arm trug sie einen Korb mit Mal- und Zeichenutensilien. Hinter ihr standen Emma und Lucy, die hibbelig an den Bänden ihrer Strohhüte zupften und auf Samantha warteten. Sie waren unterwegs zum Rosengarten, um dort zu malen. Ein Lakai baute dort gerade die Staffeleien für sie auf.

„Allerdings, Miss", sagte Parkin. „Er kann nicht im Stall bleiben, Miss. Er macht die Pferde scheu und jagt die Katze. Man hat keine ruhige Minute mit ihm."

„Dann zieht Napoleon eben ins Haus", beschloss Samantha. „Dort ist doch mehr als genug Platz und es wird lustig sein, den kleinen Rabauken bei uns zu haben. Den Mädchen wird es gefallen."

„Napoleon darf ins Haus? Oh ja! Oh bitte erlaube es, Onkel Richard! Bitte!", rief Emma.

Lucy fiel mit einem aufgeregten „Bitte! Bitte! Bitte!" ein.

Richard seufzte nochmals, was die Mädchen verstummen ließ. Sie sahen ihren Onkel mit großen Augen erwartungsvoll an.

„Dann soll es so sein", beschloss er schicksalergeben.

„Sie wollen diese Promenadenmischung im Herrenhaus wohnen lassen, Eure Lordschaft?", rief Parkin entsetzt. „Das – das – " Parkin hatte keine Worte, so fassungslos war er über die Beförderung des kleinen Straßenköters, der ihm in den letzten Tagen und Nächten so viel Nerven gekostet hatte.

Samantha, die den Hund längst in ihr Herz geschlossen hatte, musterte Parkin mit scharfem Blick. „Parkin! Sie haben Vorurteile, weil es kein hübscher Rassehund ist. Wie können Sie so versnobt sein?"

Parkin klappte bei dieser Tirade die Kinnlade herunter und Richard musste sich beherrschen, nicht laut loszulachen. Parkin war zweifellos schon auf vielerlei Weise beschimpft worden, aber als versnobt war er sicherlich noch nie bezeichnet worden.

Samantha war jedoch noch nicht fertig. „Napoleon ist vielleicht ein wenig wild, aber sehr brav, wenn er merkt, dass man ihn mag und er genug Aufmerksamkeit bekommt. Sie gehen einfach nicht richtig mit ihm um. Sie verstehen sehr viel von Pferden, aber von Hunden haben Sie keine Ahnung."

„Aber Miss –", Parkin schnappte nach Luft.

Richard, den die Szene zwischen seiner Verlobten und seinem Stallburschen sichtlich belustigte, hielt es an der Zeit, einzugreifen. „Ich denke, wir haben die Angelegenheit zur Genüge besprochen. Der Hund kommt also ins Haus. Wo ist der kleine Racker eigentlich?"

Parkin brachte ihm Napoleon an der Leine und Richard nahm Napoleon mit sich ins Haus, während Samantha, zufrieden über ihren kleinen Sieg über Parkin, sich mit den Mädchen in den Rosengarten begab.

In Love and War - Geheimnis um FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt