Kapitel 60

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Emma

„Da guckste, wa?", grinste mich Marco breit an, als er mich immer weiter von Linda wegschob. Er legte seine Hände an meine Hüfte und schaute mich erwartungsvoll an. „Du weißt, du lässt mich völlig kalt...ich hab nicht nur einmal mein Bett mit dir geteilt und als Wincents bester Freund hast du immer einen Platz in meinem Herzen", grinste ich ihn an. „Aber nicht in meinem Höschen...also Finger weg und geh zurück zu Linda", meinte ich und nahm seine Hände von meinem Körper. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und suchte mir dann meinen Weg zu Linda, um Wincent aus ihren Klauen zu befreien. Wäre sie nicht meine beste Freundin, hätte ich echt Angst um ihn gehabt, aber so fand ich das einfach nur witzig. Sie gab wirklich alles, was eine Frau zu bieten hatte, was Wincent völlig überforderte. „Jetzt is aber gut, schau doch den Armen mal an", grinste ich meine beste Freundin an und nahm ihre Hände vom Hintern meines Freundes. Ich legte meinen Arm um ihn und hätte niemals mit dem gerechnet, was dann kam. 

Er legte seinen Arm um Linda und grinste uns Beide breit an. „Das is doch nen schönes Bild, oder? Ich find wir sollten das Backstage weiterführen", meinte er. Damit war es dann auch bei Linda vorbei und sie prustete los. Ich hatte das Gefühl jeder würde uns anschauen und so nutzte sie die Aufmerksamkeit natürlich voll aus. „Fang nichts an, was du dann nicht durchziehst. Sie ist meine beste Freundin, du weißt nicht, was ich nicht schon alles mit ihr getan hab", philosophierte sie. Ich konnte nicht mehr vor Lachen. Es gab Einiges, was er nicht wusste und gerade machte ihn das ein kleines bisschen wahnsinnig. „Okay, bevor das hier ausartet, nehm ich mir mal wieder, was mir gehört", mischte sich Marco ein und zog Linda zu sich. Staunend sah ich erst ihn, dann Linda und zum Schluss Wincent an. „Und wir beide trinken eins auf den Schock, oder?", schlug ich ihm vor und dirigierte ihn zur Bar. Es war jetzt keine große Überraschung, für keinen von uns, dass wir uns an diesem Abend völlig abgeschossen hatten. Es war schon fast wieder hell, als wir zum Hotel torkelten und mir hing das Abschlusskonzert noch Tage später nach.

Mittlerweile war es der Samstag danach und langsam, ganz langsam, hatten Wincent und ich die Wochen Tour und vor allem die Abschussparty verarbeitet. Wir hatten mal wieder einen Plan für den Tag und wollten Einkaufen und Kochen, als mich eine völlig aufgelöste Linda anrief. Ich hörte sie nur Schluchzen und das konnte nichts Gutes bedeuten. Schnell zog ich mich an und packte meine Tasche. „Emma, ich brauch dich", flüsterte sie irgendwann. Wincent verstand natürlich nichts und beobachtete mich nur verwirrt. „Bin auf dem Weg", sagte ich nur und legte auf. Ich hatte echt Schiss um meine beste Freundin, selten hatte ich sie so aufgelöst erlebt. „Ich muss zu Linda", knallte ich Wincent nur vor den Latz und hetzte aus der Tür. „Aber was is mit...?", rief er mir nach, aber ich war schon fast am Auto. Ich schrieb ihm grob, dass es ihr schlecht ging und er sich keine Sorgen machen sollte. Ich hatte ja keine Ahnung, was mich erwarten würde, geschweige denn wie lange ich bei ihr sein würde. Als sie mir wenige Minuten später die Haustür öffnete, traf mich fast der Schlag. Sie war völlig verheult und aufgedunsen und trug die zerschlissensten Sachen, die ihr Schrank zu bieten hatte. Ich nahm sie erstmal fest in den Arm und versuchte ihr so den Halt zu geben, den sie offensichtlich brauchte. Natürlich heulte sie dann nur noch mehr. Ich schob sie auf die Couch und wickelte eine Decke um sie, bevor ich uns einen Kaffee machte. Gefühlt stundenlang starrten wir stumm Löcher in die Luft, bis sie irgendwann von alleine redete. Es hätte keinen Sinn gehabt vorher auf sie einzureden.

„Emma, ich hab richtig große Scheiße gebaut", fing sie an. Gedanklich spielten sich die wildesten Szenarien in meinem Kopf ab. Irgendwas auf der Arbeit, Probleme mit Kollegen, eine Eifersuchtsaktion mit Marco- aber was sie dann sagte, traf mich mitten ins Gesicht. „Ich bin schwanger", sagte sie tapfer. Mit Sicherheit stand mir der Mund offen. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Dass meine beste Freundin, Mrs. Safety-first, ungeplant schwanger wird. „Aber...wie?", stammelte ich. Linda legte ihren Kopf schief. „Also ja ich weiß wie das geht, aber...du? Das...ich weiß gar nicht, was ich sagen soll", brabbelte ich. Und das war die absolute Wahrheit. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Darüber zu grübeln machte aber auch keinen Sinn, denn offenbar war es ja eh schon passiert. „Wie weit?", fragte ich. Linda holte ihren Kalender und den Test und so rechneten wir. „6 plus", murmelte ich. Linda ließ sich gegen die Couchlehne sinken und seufzte. „Scheiße...und ich hab mich am Abschlusskonzert so abgeschossen...". Ja, nicht nur sie. Fuck! Scheiße! Hier wären noch hundert andere Schimpfwörter anzufügen. Ich konnte sie so gut verstehen, schließlich hatte ich zumindest die Angst selbst noch vor ein paar Wochen. „Versteh mich nicht falsch, aber...es gab nur Marco, oder?", fragte ich sie und sie nickte nur. Na klasse. Also jetzt nicht, dass ich mir gewünscht hätte Linda wäre zweigleisig gefahren, aber ich wusste, dass ein Kind zum jetzigen Zeitpunkt nicht unbedingt Marcos Wunschvorstellung entsprach. „Du musst es ihm sagen", redete ich weiter. Linda sah mich an und schon wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. „Ich weiß", seufzte sie. Ich fühlte mich wie im falschen Film und ich brauchte dringend was Hochprozentiges.

Ich ging an die Bar und holte mir einen Schnaps, den ich mir noch auf dem Weg runterkippte. „Es tut mir leid, aber ich trink deinen für dich, okay?", sagte ich zu Linda und damit huschte ein minikleines Lächeln in ihr Gesicht. „Du glaubst gar nicht, wie gerne ich dir den jetzt abnehmen würde", schmunzelte Linda. Oh Gott, das glaub ich dir, dachte ich. Wieder starrten wir minutenlang stumm an die Decke. „Okay, was ist der Plan jetzt?", fragte ich irgendwann. Wir mussten uns wohl oder übel Gedanken um die Zukunft machen. „Du weißt, Bea und ich stehen immer hinter dir, egal was kommt. Und wir unterstützen dich bei egal was", beteuerte ich. Ich wusste, dass auch für Linda ein Kind nicht unbedingt auf Platz eins der Zukunftsträume stand, aber genauso wusste ich nicht, ob sie darüber nachdachte, das Kind nicht zu bekommen. „Ich kann das nicht", hörte ich sie sagen und griff direkt nach ihrer Hand. „Ich kann das nicht einfach umbringen, wo es jetzt schon mal da is...ich bin stark, ich hab Euch, unsere Mütter haben das auch alleine gepackt, dann kann ich das erstrecht...ich hab mehr Angst davor, was Marco sagt", meinte sie. Wie automatisch lächelte ich sie an. Ich wusste sie hatte ein großes Herz, aber solche Worte von ihr zu hören, war dennoch was Neues für mich. „Natürlich kriegst du das hin!", sprach ich ihr gut zu, „und ich bin immer da. Und deine Mum sowieso, ich bitte dich. Ihr müsst eure Partywochenenden in Ischgl dann halt n bisschen besser absprechen", witzelte ich. „Aber du musst es Marco sagen, besser gestern als heute, und dann musst du ihm auch die Zeit geben darüber nachzudenken".

Ich war überrascht über meine klug gewählten Worte; schließlich hatte ich damit auch ein bisschen den Gedanken, dass sie doch noch zusammen kommen konnten. Aber vielleicht hatte ich auch zu viele Serien geschaut. „Mach ich auch, aber erstmal muss ich mit Mama reden, wenn sie morgen zurück kommt. Dann will ich es schwarz auf weiß sehen, bevor ich die Pferde scheu mache. Und danach rede ich mit ihm, versprochen!", sagte sie und ich hielt das für einen sehr guten Plan in Anbetracht ihrer Situation. Sie wirkte gefasst auf mich. „Wahnsinn", seufzte ich und ließ mich gegen die Couchlehne sinken. „Aber Emma, du musst mir auch was versprechen", redete sie weiter und ich drehte meinen Kopf auf ihre Seite. „Du darfst Wincent nichts davon sagen, bis ich nicht mit Marco geredet hab", sagte sie. Ich nickte. Ich hatte zwar noch keinen Plan, wie ich das anstellen sollte, aber für sie musste ich das tun. Ich würde das gleiche von ihr erwarten und sie würde das gleiche auch tun. „Versprochen!", flüsterte ich. 

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