Schmetterling

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,,Tut mir Leid, dass ich das so sagen muss, Alice, aber langsam habe ich das Gefühl, dass du noch verrückter bist, als es dein Vater jemals war'', meinte der Leiter der Anstalt kopfschüttelnd, nachdem sie ihm von ihrer Idee erzählt hatte.
Die besagte Person schmunzelte in sich hinein, es wäre nicht das Erste mal, dass sie jemand so betitelt hätte. Sie wusste, dass es nicht als eine Beleidigung gedacht war, deswegen nahm sie Dr. Arkham, die Bezeichnung nicht wirklich übel.
Eine gute Portion Wahnsinn, gehörte eben zum Leben dazu, das machte die Allerbesten aus.*
,,Ihnen ist schon klar, was das bedeutet oder?'', fuhr er unbeirrt fort, ,,Sie setzten nicht nur sich großen Gefahren aus, sondern auch allen anderen in der Klinik, falls er sich dazu entschließen sollte, mal wieder Amok zu laufen.''
,,Ich kann Ihre Bedenken vollends verstehen, aber ich bin der festen Überzeugung, dass es ihm wirklich gut tun würde, wenn er mal etwas anderes, als seine Zelle sieht. Im Grunde denke ich, dass es Ihnen allen gut tun würde, wenn sie öfters, als einmal im Monat, ein wenig an die frische Luft kommen würden. Und'', warf sie noch ein, da sie bemerkte das Dr. Arkham protestieren wollte, ,,dass Sie vor allem, in der Zeit selbst entscheiden sollten, was sie tun wollen. Ohne Druck oder Vorgaben von Außen. Sozusagen ein paar Stunden ohne Regeln.''
Kleine Schweißtropfen hatten sich auf der Stirn des älteren Mannes gebildet, die er nun mit seinem Taschentuch fortwischte.
,,Das gefällt mir nicht, Alice, das gefällt mir ganz und gar nicht.''
,,Dr. Arkham'', sprach sie mit sehr sanfter Stimme, ,,das gesamte Gelände ist abgesichert. Sie können alle Sicherheitsvorkehrungen treffen, die Sie wollen, ich werde nicht protestieren, aber ich werde auch nicht klein beigeben, das wissen sie.''

Natürlich wusste er das.

Alice hatte in ihrem Leben schon sooft bewiesen, dass sie eine Kämpfernatur besaß. Da er seit je her ein enger Freund der Familie gewesen war, hatte Dr. Arkham beinahe ihren gesamten Leidensweg miterleben können, und ein ums andere Mal gestaunt, wie stark Alice war. Natürlich hatte sie, wie jeder andere Mensch auch, ihre schwachen Momente, doch die starken überwogen diese bei weitem.

Eben diese Tapferkeit und Stärke war es, um die er sie insgeheim beneidete. So mutig wie sie, war er nicht ein einziges mal in seinem ganzen Leben gewesen. Er war kein Mann, der ein Risiko einging. Regeln und Normen, waren seine Sicherheit, an die er sich klammerte, wann immer er konnte. Wohl wissend, dass sie nur schwarze Lettern auf weißen Papier waren, die keine wirkliche Zuflucht bieten konnten, die unter jeder Flamme, leicht erloschen.
,,Nun gut'', seufzte er resigniert, wollte zu weiteren Worten ansetzten, doch Alice schlang ihre schmalen Arme um seinen Körper und drücke ihn so fest, dass er überrascht hinunterblickte.
,,Vielen Dank, Amadeus, ich weiß dein Vertrauen zu schätzen, glaub mir, du wirst es nicht bereuen.''
Damit lief die junge Frau so beschwingt aus seinem Büro, dass er nur noch ihrer dunklen Lockenpracht hinterher blicken konnte, inständig hoffend, dass er das Richtige getan hatte.


                                                                  ~~~*~~~


,,Ich hätte nicht gedacht, dass du tatsächlich wiederkommen würdest'', meinte das menschliche Reptil, als es die kleine Therapeutin, wie ein Jäger seine Beute, langsam umkreiste.
Dank seines guten Gehörs konnte er deutlich ihren Herzschlag wahrnehmen, dessen Geschwindigkeit ihm verriet, dass sie nervös war. Doch sein scharfer Geruchssinn sagte ihm, dass sie keine wirkliche Angst verspürte. Ein Umstand, der ihm missfiel, den er schleunigst zu ändern gedachte.
,,Weißt du, was ich mit dir anstellen könnte?'', raunte er in ihr Ohr, ließ seine Zähne in der Andeutung eines sanften Bisses, über ihren Nacken streifen. Seine Krallen wanderten über ihre Taille, ohne zu verletzen.
,,Es gibt sehr viel schlimmeres, als den Tod, Kleines. Dinge, die so schrecklich sind, dass du dir wünscht, du wärst es.''
Die junge Frau hielt die Luft an, als er seine raue Zunge über ihre Ohrmuschel gleiten ließ, um von ihrer Haut zu kosten.
,,Denkst du, ich werde dich verschonen? Nun, da du hier in meinem Reich bist, glaubst du da tatsächlich, ich zeige Gnade? Deine Torheit, wird dein Untergang sein.''

Sein beißender Atem streifte über ihre Wange, seine spitzen Fänge blitzen in der Dunkelheit. Dennoch zwang sich Alice dazu, die Ruhe zu bewahren. Ihr war vollkommen klar, dass er meinte, was er sagte. Sie verstand, die Botschaft hinter seinen Worten, doch in erster Linie, davon war sie überzeugt, wollte er sie testen.
Er wollte herausfinden, ob sie mutig bleiben oder nun heulend davon laufen würde. Andernfalls, hätte er schon längst irgendetwas getan.
Er hatte bereits die Chance dazu gehabt, als sie eingetreten war. Beide wussten, dass Alice nicht den Hauch einer Chance, gegen seine unmenschliche Kraft hätte. Aber sie wusste, dass wenn dies nun wirklich sein Ziel wäre, dann würde er handeln, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Also wandte Alice ihr Gesicht in jene Richtung, in der sie das seine vermutete und sagte:
,,Keine Sorge, mir ist vollkommen klar, wozu Sie fähig sind. Ich glaube nicht, dass Sie mich verschonen werden, aber ich denke, dass Sie viel zu neugierig sind, als dass Sie es jetzt schon tun werden. Ich wette, Sie wollen wissen, warum ich überhaupt hier bin, warum ich zurückbekommen bin und wenn Sie mich jetzt töten, oder eines von den Dingen tun, die Sie im Sinn haben, dann werden Sie es nie erfahren.''

Seine Klauen, die noch immer an ihrer Hüfte lagen, zuckten kurz und verrieten ihr, dass sie mitten ins Schwarze getroffen hatte. Killer Croc mochte ein blutrünstiges Monster sein, aber unter der schuppigen Oberfläche, lagen noch immer menschliche Züge verborgen, selbst wenn er sich dessen nicht mehr bewusst war. Alice legte ihre winzige Hand über die seine und meinte schelmisch grinsend:
,,Und was sagen Sie? Wollen Sie herausfinden, was ich geplant habe?''


                                                                   ~~~*~~~


Diejenigen Patienten, die nicht unter Alices Aufsicht standen, sondern anderen Therapeuten zugewiesen waren, pressten ihre Nasen gegen die Fensterscheiben, vorausgesetzt die Räume hatten eine solche, und begafften das Schauspiel, das sich auf dem Außengelände abspielte. Killer Croc, der Killer Croc, das fast drei Meter große massive Monster war draußen und lief in der realen Welt umher, als wäre es das Normalste auf der Welt.
Neben ihm, befand sich keine geringe, als die blinde Therapeutin, die bereits unter den anderen Insassen und Therapeuten für ziemlichen Redestoff gesorgt hatte. Ihre außergewöhnlichen Methoden, ihre ganze Art, hatte für einigen Wirbel in der staubigen Anstalt gesorgt. Manchen Gaffenden, fielen beinahe die Augäpfel aus den Höhlen, denn es war nicht allein das Monstrum, dass dort herum lief. Alle Patienten, die sich unter Alice's Obhut befanden waren dort unten versammelt, schienen sich köstlich zu amüsieren und hatten auch allen Grund dazu, denn die kleine Therapeutin, hatte keine Kosten und Mühen gescheut, um es ihnen möglichst komfortabel zu machen.

,,Sir'', sagte einer der Therapeuten zu seinem Patienten, der ebenso, mit kalten blauen Augen auf den Außenhof hinunter sah. ,,Ich würde jetzt gerne die Stunde fortsetzten, aber dazu müssten Sie wieder Platz nehmen.''
Der Mann ignorierte die Worte seines Arztes, wollte stattdessen wissen, wer die junge Frau war, die sich dort unten, zwischen den Insassen befand.
,,Das ist Miss White, eine überaus geschätzte Kollegin, aber das tut jetzt nicht zu Sache, wären Sie wohl so freundlich sich wieder hinzusetzten'', brachte der Doktor zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Dr. Miller war schon den ganzen Tag über gereizt und das unkooperative Verhalten seines neuen Patienten, setzte dem ganzen noch die Krone auf.
Im Spiegelbild des Fensters, konnte er sehen, dass sich dessen verbrannte Gesichtshälfte, zu einem entstellten Lächeln verzog. Sam schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass er nun nicht noch weitere Fragen über Alice stellen würde, oder sein nervtötendes Betragen fortführen würde. Und tatsächlich, er wurde erhört.
,,Ganz wie Sie wünschen, Dr. Miller'', erwiderte der Mann höflich und nahm wieder, ihm gegenüber Platz, damit sie die Therapiesitzung beenden konnten.

Unten auf dem Gelände, wurde derweil eine ganz andere, nicht minder hitzige Diskussion geführt.
,,Alice, habe ich dir nicht gesagt, dass du etwas aus deinem Haar machen sollst'', sagte Pamela vorwurfsvoll, als sie die dunklen Locken der Ärztin zusammen nahm und zu einem leichten Zopf flocht. ,,Du kannst jederzeit zu mir kommen, dann frisiere ich sie dir, das weißt du doch.''
Alice stimmte wie immer artig zu und steckte sich einen weiteren Keks in den Mund, denn sie wollte bestimmt keinen Streit, mit der rothaarigen Amazone riskieren. Die beiden Frauen verstanden sich gut, und Alice war froh darüber, aber wenn es um das Thema Schönheit ging, da war Poison Ivy ziemlich streng, da ließ sie es auch nicht gelten, dass Alice blind war und sich im Grunde nicht allzu viel, um ihr äußeres Erscheinungsbild scherte. Sie wusste sehr wohl, dass sie kein hässliches Entlein war, aber Eitelkeit gehörte eben nicht zu ihren Charakterzügen. Und solange die Menschen nicht schreiend davon liefen, wusste sie, dass passabel aussah, das genügte ihr. Doch die exotische Schönheit, wollte davon nichts wissen.
,,Ich würde dich so gerne schminken Alice'', seufzte sie vor sich hin. ,,Du hast ein so hübsches Gesicht, aber mit ein wenig Make up, würdest du die Männer, mit Sicherheit um den Verstand bringen.''
,,Setzt ihr keine Flausen in den Kopf'', mischte sich der Riddler, der die beiden Frauen belauscht hatte, ungefragt, in dessen Gespräch ein. ,,Sie ist hübsch genug, du würdest sie nur verunstalten'', meinte er säuerlich.
,,Wie bitte?!'', rief Pamela schrill, ,,du hast doch überhaupt keine Ahnung, du Möchtegern Rätselsteller!''

Dies war genau der Moment, in dem Alice klar wurde, dass sie nun besser das Weite suchen sollte. Die Situation war nichts neues für sie, die Beiden stritten sich ständig und ihre Wenigkeit war, mal wieder, über ihre Auseinandersetzung schnell vergessen. Also zog sie die Schultern ein und machte sich klammheimlich davon.
Sie hatte sowieso vorgehabt nach Waylon zu sehen, was sich nun als schwieriges Unterfangen darstellte, da sie nicht genau wusste, wo er war, da jedoch noch keine schrillen Alarmsirenen erklungen waren, musste er sich noch irgendwo auf dem Gelände befinden. So viel war sicher. Also, blieb ihr wohl nichts weiter übrig, als sich auf die Suche zu machen.

Sie kam jedoch nicht allzu weit, und stolperte, nach kurzer Zeit, beinahe über zwei lang ausgestreckte Beine. Sie entschuldigte sich sofort, verdrehte jedoch kurz darauf die grauen Pupillen, als die dunkle Stimme des Jokers erklang.
,,Hast du etwa keine Augen im Kopf, Liebchen?'', gackerte dieser, und ließ kurz seine schwarzen Augen über ihr Gesicht gleiten.
Ein paar Haarsträhnen hatten sich bereits aus ihrem Zopf gelöst und tanzten mit der leichten Brise, die über das Gelände wehte.
,,Sie können es nicht lassen, oder?'', fragte die junge Frau, als sie eine dieser vorwitzigen Strähnen hinters Ohr strich.
,,Äh, nein'', entgegnete der Clown, dem das kleine Lächeln, dass sich trotz seiner Worte, auf ihre Lippen stahl nicht entging.
Im Allgemeinen wirkte sie ziemlich fröhlich, als würde sie nicht gerade mit einem Massenmörder sprechen, sondern mit einem ihrer Kollegen.
,,Sie haben nicht zufällig Waylon Jones gesehen, oder?''
,,Das riesige Krokodil? Nein, nicht in letzter Zeit'', entgegnete der Befragte abweisend, streckte seine Glieder und schloss seine Augen, um es sich wieder gemütlich zu machen, riss sie jedoch umgehend wieder auf, als Alice fragte, ob sie ihm Gesellschaft leisten könne.
,,Und warum, willst du das?'', fragte er ziemlich irritiert.
Er konnte einfach nicht so ganz verstehen, dass sie nach allem was geschehen war, noch immer auf diese Weise seine Nähe suchte.
,,Es überrascht mich, dass ausgerechnet Sie für solche Dinge eine Erklärung erwarten'', meinte die junge Therapeutin lächelnd. ,,Hmmm, lassen Sie es mich mit Ihren Worten sagen: einfach so, weil ich es möchte, ohne viel Logik und Hintergedanken.''
Weißt du was, meinte seine logische Gehirnhälfte, du hättest sie wirklich schon längst töten sollen, langsam aber sicher, wird sie echt aufmüpfig.

,,Nun gut, Sie lassen mir wohl keine andere Wahl'', begann Alice theatralisch, da der Joker weder seine Zustimmung, noch eine Abweisung erteilt hatte und sie der festen Überzeugung war, dass er nur ein wenig überzeugt werden müsste.
Dieser horchte auf und beäugte sie misstrauisch.
,,Dann muss ich Sie wohl leider bestechen'', fuhrt sie fort und holte eine große Tüte aus ihrem Kittel hervor, die bis zum Rand mit Keksen gefüllt war und hielt sie ihm hin.
Ich nehme alles zurück, meldete sich die nervige kleine Stimme erneut zu Wort, von mir aus, kann sie ruhig bleiben.
,,Tu was du nicht lassen kannst'', meinte der Ungeschminkte bissig und entriss ihr die Kekstüte. Alice lächelte sanft und ließ sich neben ihm ins Gras fallen, so dass das Ende ihres Zopfes, direkt neben seinem Kopf landete.

,,Wirklich schön hier'', seufzte die junge Frau, als sie genüsslich ihre Glieder streckte.
Der Joker neigte leicht seinen Kopf zur Seite, um sie besser aus seinem Augenwinkel beobachten zu können.
,,Ja, wirklich! Und du musst es ja wissen, zumal du ja jedes Detail deiner Umgebung wahrnehmen kannst.''
Von neuem, ein gezielter Schlag unter die Gürtellinie, aber wieder einmal, reagierte Alice nicht so wie er erhoffte hatte.
Sie lächelte in seine Richtung und sprach:
,,Wenn man es genau nimmt, haben Sie gar nicht so unrecht. Ich sehe die Dinge um mich herum, eben auf eine andere Weise. Ich nehme sie anders wahr, als die Sehenden. Ich spüre den Wind in meinem Haar, die strahlende Sonne auf meiner Haut, ich höre das Rascheln der Bäume, das Gelächter, und all das sagt mir, dass dieser Tag, genau dieser Moment, so schlecht nicht sein kann.''
,,Du hast wirklich auf alles, eine schlaue Antwort parat, nicht wahr?''
Wieder lachte die junge Therapeutin auf, es klang so melodisch, wie ein Windspiel.
,,Es tut mir Leid, wenn ich Sie damit nerve, aber so bin ich nun mal, und was sollte ich sonst tun? Ich muss mich auf die Schönheit des Augenblicks konzentrieren, andernfalls wäre ich verloren, das Leben erschiene mir dann viel zu trostlos. Viel zu Ernst, und dafür ist es einfach zu kostbar.''

Der Clown entschied sich dafür nicht zu antworten, er hatte schlichtweg einfach keine Lust dazu. Denn im Grunde, hätte er ihr nur zustimmen können: der einzige vernünftige Weg, um dieses Leben zu leben, war, es in vollen Zügen zu genießen.
Leidenschaft, war die einzige wirkliche Option.
Man musste brennen, und er tat es eben auf eine andere Weise und für andere Dinge, als alle anderen. Er fand den Sinn des Lebens, in den Augen seiner Opfer, in deren qualvollen Schreien. In dem klangvollen Geräusch einer zerbrochenen Seele.
Und bei Gott - vorausgesetzt, es gab ihn wirklich- , dass war das, was ihn am Leben erhielt.

,,Sag mal, wie kam es eigentlich dazu, dass du Therapeutin werden wolltest? Was hat dich dazu gebracht'', fragte er, nach einiger Zeit der Stille, in der er Löcher in den Himmel gestarrt hatte. Erhielt jedoch keine Reaktion, was ihn ein wenig stutzig machte. Wollte sie ihn jetzt etwa mit Ignoranz bestrafen? Keine wirklich gute Idee.
Er schielte in ihre Richtung, setzte sich ruckartig auf, als er sah, was geschehen war. Wenn der Joker es nicht mit eigenen Augen sehen könnte, hätte er es wohl niemals geglaubt.
Die kleine Psychologin, war doch tatsächlich eingeschlafen. Sie lag auf der Seite, ihr Gesicht in seine Richtung gewandt. Ihre rosigen Lippen waren leicht geöffnet, ihre Brust hob und senkte sich, mit jedem ruhigen Atemzug.

Diese wahnwitzige Entdeckung, entlockte ihm ein leises kehliges Kichern.
Denn das hier, war doch nun wirklich viel zu einfach, es war geradezu lächerlich, ja beinahe unverschämt. Der Joker konnte nicht fassen, wie leichtsinnig sie doch war. Wobei wenn er darüber nachdachte, wäre dies nicht das erste Mal, dass sich Alice töricht verhalten würde. Langsam aber sicher, kam er zu der Überzeugung, dass sie wirklich verrückt sein müsste. Wie konnte man ein solches Verhalten sonst erklären? Wo war da die Logik? Nicht, dass er unbedingt danach suchte, aber dass alles, war selbst für den Joker ein klein wenig abstrus.
Und das sollte nun wirklich etwas heißen.
,,Oh, süße, kleine Alice'', wisperte er, als er langsam seine Hand nach ihr aussteckte, ,,wie kann man nur so unschuldig und töricht zugleich sein?''
Doch seine Hand, vielmehr seine Finger, schienen irgendwie ein Eigenleben zu führen, denn sie kamen nicht, so wie er es geplant hatte, an ihrem schmalen Hals an, sondern bei ihrer Wange, auf der sie verweilten bis ihn eine Stimme aufschreckte.
,,Sie gefällt dir, nicht wahr?''
Der Angesprochene zog seinen Arm so schnell zurück, dass man meinen sollte, dass allein der Luftzug genügt hätte, um Alice aufzuwecken, doch noch schlief sie.
,,Ich weiß nicht, was du meinst'', zischte der Clown in Crane's Richtung, dessen Lippen ein süffisantes Lächeln zierte.
Hätte der Joker sein Messer parat gehabt, hätte er ihm dieses, innerhalb von Sekunden aus dem Gesicht geschnitten. Nicht dass er es nicht auch mit bloßen Händen hinbekommen würde, aber hier draußen einen Streit zu riskieren, wäre unbedacht, das war auch ihm klar.
,,Ach komm schon'', grinste Crane, ,,mir kannst du es verraten, warum das Offensichtliche leugnen? Ich habe gesehen, wie du sie anstarrst, wenn du glaubst, dass keiner hinsieht. Und wer könnte es dir verübeln? Schau sie dir an'', seine stahlblauen Augen wanderten gierig über Alice's zarten Körper. ,,Sie ist wunderschön.''

,,Ich rate dir dazu zu verschwinden, Crane'', drohte der ungeschminkte Mann, dem aus irgendeinem unerfindlichen Grund, der Blick der Vogelscheuche, zumindest das was er darin zu erkennen glaubte, nicht sonderlich gefiel.
Unverhohlene Mordlust glänzte dafür in seinen schwarzen Augen.
Jonathan hielt die Hände in die Höhe.
,,Ganz ruhig. Hab' schon verstanden. Für einen Clown, bist du echt ein ziemlicher Spielverderber'', murmelte er vor sich hin, als er schleunigst das Weite suchte.

Sobald er außer Sichtweite war, starrte der Joker wieder auf Alice hinunter, die noch immer seelenruhig vor sich hin schnarchte. Ihr Zopf hatte sich nun beinahe vollkommen gelöst, was dazu führte, dass ihre wilden Locken wie ein Fächer unter ihrem Kopf ausgebreitet lagen. Ihre dunklen Wimpern, warfen einen leichten Schatten auf ihre blassen Wangen, die in der Andeutung eines leichten Lächelns zuckten.
,,Wovon, träumt die kleine Alice wohl?'', wisperte der Joker, als er eine ihrer dunklen Locken zwischen seinen Fingern zwirbelte; ahnend, dass er es wohl nie erfahren würde. Egal was er tun würde, er würde wohl niemals, ihr ganzes Wesen ergründen können. Jedes Mal, wenn er glaubte, er hätte sie entschlüsselt oder zumindest, ihrer äußeren Schale einen kleinen Riss verpasst, entwischte sie ihm wieder, wie ein flinker Schmetterling.
Mal ehrlich, welcher Mann, würde eine solche Frau wollen, die so unbeständig und unberechenbar war, wie ein Blatt im Wind? – naja, zumindest keiner, der bei klarem Verstand war.




*angelehnt an Lewis Carrolls ,,Alice im Wunderland''

DämmerungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt