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seoul

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seoul. montag, der 02. august. 05:47 uhr.

. SEIN ATEM ging gleichmäßig. Im Takt zu den Geräuschen, die seine rennenden Füße auf der mit Schlaglöchern übersäten Straße erzeugten, holte er Luft und stieß sie durch den Mund wieder aus. Schweiß bedeckte seine Haut und kühlte seinen erhitzten Körper. Er hatte seinen Rhythmus gefunden und wäre am liebsten nie wieder stehen geblieben.

Als er von Zuhause aufgebrochen war, war es noch dunkel gewesen, doch je weiter er gerannt war, desto heller war der nun orange farbige Himmel geworden. Er lief der Sonne entgegen, die die grauen Häuser am Straßenrand in ihren Farben anmalte. Aber er wusste, dass er ihr den Rücken zukehren musste, wenn sie vollständig am Himmel erschienen war.
Dann war es Zeit, zurück zu der kleinen Wohnung zu rennen, in der er mit seiner Mutter wohnte, diese zu wecken und sich auf den Weg in die Schule zu machen. Bei dem Gedanken an die engen, fensterlosen Räume Zuhause wuchs das Bedürfnis in seinem Inneren, nie wiederzukommen.

Aber das war natürlich keine ernsthafte Möglichkeit und das wusste er auch. Dem erwachsenen Teil seiner Selbst war klar, wie albern die Idee vom Davonlaufen war, egal wie sehr er sich wünschte, seinem alten Leben zu entkommen. Um das zu erreichen, musste er sich zusammenreißen; wegzurennen würde ihm keinen Vorteil bringen und schon gar kein Geld.

Also verdrängte er jegliche Gedanken daran, warf einen Blick in den Himmel, der schleichend seine kräftige Farbe verlor, und machte sich auf den Rückweg. Vorbei an all den stolzen Häusern, dem Hangang und den breiten Straßen, die schon zu dieser Zeit so stark befahren waren. Hin zu dem Viertel, gefüllt von zu vielen gleichen, grauen Gebäude, deren beste Tage schon lange hinter ihnen lagen, das er seit er Denken konnte sein Zuhause nannte.
Wie jeden Tag würde er noch vor sieben Uhr dort ankommen, und so nicht nur genug Zeit haben, um seine Mutter aus dem Schlaf zu holen, sondern auch, um sich gründlich zu waschen und ein Frühstück für die Schule zusammenzupacken.

Namjoon versuchte stets, sein wahres Leben vor seinen Mitschülern zu verstecken. Auch wenn er nicht duschte, weil das zu viel Wasser verbrauchte, verbrachte er mehr Zeit als notwendig damit, seinen Körper vom Schweiß zu befreien. Er wollte nicht, dass jemand wusste, dass er schon vor der Schule lief, um seinen Kopf frei von Albträumen zu bekommen, dass er jeden Tag halb fünf aufstand oder dass seine Mutter die Wasserrechnungen nicht bezahlen konnte. Niemand sollte erfahren, wie sehr sich sein Leben, wie sehr er selbst sich von den anderen unterschied.

Manchmal fragte er sich, ob er wohl nicht so wäre, würde er das Leben von einem seiner Mitschüler haben. Reicher wäre er sofort, allein durch die Familie, in die er reingeboren wäre. Aber ob er es auch bevorzugen würde, bis spät in die Nacht hinein wach zu bleiben und an Wochenenden bis Mittags zu schlafen? Würde er genauso leichtfertig mit Schulaufgaben umgehen? Ob es ihm am Ende auch leicht fallen würde, Freunde zu finden? Er wusste es nicht. Wahrscheinlich war es genauso albern, darüber nachzudenken, wie weglaufen zu wollen.

SEOUL ― namseokWo Geschichten leben. Entdecke jetzt