MELANY
»Es tut mir leid, dass ich nichts gesagt habe«, erhob ich das Wort, als die Männer im Haus verschwunden, und wir wieder Platz genommen hatten.
»Es wundert mich, dass du gedacht hast, es uns nicht sagen zu können«, sagte Feyre und verzog ihr Gesicht zu einer besorgten Grimasse. Mein Herz wurde schwer bei diesem Anblick. »Ich wusste natürlich von diesem Vorfall, aber nicht, dass es sich dabei um eines meiner Freundinnen handelte.«
Ich schüttelte schuldbewusst den Kopf. »Es tut mir leid«, sagte ich erneut. Mir fiel nichts besseres ein.
»Ist schon gut«, sagte Feyre. Es klang nicht besonders überzeugend, doch ich konnte es ihr nicht verübeln. Ich wäre genauso durch den Wind, hätte ich rausgefunden, dass eines meiner Freundinnen so etwas schreckliches zugestoßen wäre, und sie mir nichts gesagt hätten. Das Schweregefühl in meiner Brust wurde dadurch aber auch nicht leichter.
Ich blickte vorsichtig zu meiner linken, wo Nesta saß. Sie schaute ausdruckslos auf die Teetassen inmitten des Tisches zwischen uns. Ich schluckte, wollte etwas sagen, mich auch bei ihr entschuldigen. Doch ich brachte kein Wort heraus. Wir hatten uns gerade erst wieder vertragen, uns geschworen, nicht unehrlich zueinander zu sein. Und nun saß ich hier, und brach mein eigenes Versprechen. Ich fühlte mich elend.
»Nesta«, setzte ich dann doch an. Meine Stimme war nicht lauter als ein Flüstern. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte mich nicht gehört, als dass sie so reagierte wie jetzt: Kopfschüttelnd schloss sie die Augen und winkte mit ihrer Hand ab. Diese Geste konnte alles bedeuten und an ihrem Gesicht sah ich keine Hinweise auf ihr wahres Gemüt. Hilfesuchend blickte ich zu Feyre, die jedoch genauso verloren auf ihrer Lippe kaute. Und auch ein Blick zu Elain verriet mir, dass sie keine Ahnung hatte, was Nestas Reaktion zu bedeuten hatte. Schon wieder setzte eine lange - unerträgliche - Stille ein.
Elain richtete sich in ihrem Sessel auf und seufzte laut. Das, und die raschelnden Kleider waren das einzige Geräusch inmitten dieser Stille. Ich tippte nervös mit meinem Fuß in dem Gras zu unseren Füßen.
»Ich hasse diese Höhlenfae«, fluchte Nesta. Wir drei richteten unsere Blicke schlagartig auf sie. Noch immer blickte sie auf den Tisch mit dem Tee, doch immerhin hatte ihr Blick nun wieder ein Gemüt angenommen. Ihr Gesicht war wutentzerrt und ihre Augen glühten in blauen Flammen. »Krieg hin oder her - Es ist mir egal, ob sie uns gegen Hybern geholfen haben. Im Grunde sind sie bloß das geringere Übel gewesen. Das macht sie aber nicht minder bedrohlich.«
Feyre und Elain nickten zustimmend. Ich hoffte noch zu sehr, dass sie endlich auch was zu mir sagen würde, sodass ich gar nicht richtig auf ihre vorherige Aussage reagieren konnte. Wie als wären meine Gebete erhört worden, richtete sie ihren Blick nun auf mich. Ich wäre unter dem Feuer ihrer Augen fast zusammengezuckt, doch ich hielt dem Blick stand. Sehr schwer und unter Schmerzen, aber ich hielt stand.
»Wie kommst du bloß auf die Idee, sowas vor uns geheim zu halten?«, fuhr sie mich an und zog verärgert die Augenbrauen zusammen. Ich öffnete den Mund, um was zu sagen, doch sie hob ruckartig die Hand. »Wehe du entschuldigst dich wieder!«
Ich wollte mich tatsächlich entschuldigen, weshalb ich gehorsam meinen Mund wieder zuklappte und meine Freundin aus beschämten Augen ansah.
»Ich verurteile dich für nichts, Mel«, fuhr sie in demselben zornigen Tonfall fort, »außer dafür, dass du es geheim gehalten hast.« Sie schüttelte enttäuscht den Kopf und ich spürte mein Herz noch um weitere Kilo schwerer werden. »Wenn es nach mir ginge, würde ich diesem Lord gerne die Haut abziehen, für das, was er getan hat. Aber mal ganz davon abgesehen hättest du nicht alleine mit dieser Tatsache fertigwerden müssen.«
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Der Ruf des Schattensängers
Fiksi Penggemar[Azriel Fanfiction nach „Das Reich der Sieben Höfe" 3] Seit dem Sieg gegen Hybern ist Azriel, der Schattensänger des High Lords vom Nachthof, einsamer denn je. Keiner hätte gedacht, dass sich nach einem solch hellen Sieg, eine so tiefe Dunkelheit au...