du musst mir immer noch die fesseln abnehmen I

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„Das wirst du mir büßen, Solace!", brülle ich wütend. Der Angesprochene hingegen setzt mich einfach nur ab und grinst mich hinterhältig bis über beide Ohren an. Er sieht schon ein bisschen aus wie Leo.

Warum ich sauer bin? Ganz einfach, dieser Penner von meinem Freund hat mich während einer ausgedehnten Knutschsession hochgehoben und meine Hände zusammengebunden. Dann hat er mich über seine Schulter geworfen und hat mich an den sommerabendlichen Strand geschleppt. An den Ort, wohin ich heute am wenigsten hingehen wollte.

Und das hat auch einen sehr guten Grund. Leo und Percy hatten die grandiose Idee - beißender Sarkasmus -, einen Karaokeabend zu veranstalten.

Natürlich bin ich nicht der Einzige, der sich dagegen sträubt, aber ich bin wahrscheinlich auch der Einzige, der von einer Flachpfeife gefesselt und dahin getragen wird.

Wir kamen am Strand an und sogar ich musste mir eingestehen, dass ich positiv überrascht war und mir kurz mein Mund offen stand. Dass die sonst so trotteligen Halbgötter sowas organisieren und aufbauen können; Hut ab. Zwar würde ich das niemals laut zugeben, aber die von den Hephaistos-Kindern errichtete Bühne mit Leos selbst gebautem Karaoke-System, das bunt leuchtende Mikrofone und riesige Boxen beinhaltet, haut mich echt um. Drumherum stehen die schweren Bänke, die eigentlich im Pavillon stehen (ich weiß nicht, wie die hierher kamen) und alles ist mit ausgeleuchtet, die in allen möglichen Farben strahlen. Da war wahrscheinlich die Iris-Hütte am Werk.

Und jetzt hat Will mich auf eine dieser Bänke verfrachtet und grinst mich an.

Ich kann dazu nur die Augen verdrehen. Dann halte ich ihm auffordernd meine Arme hin, damit er mir endlich die Fesseln abnimmt. 

Wir wurden schon sehr merkwürdig gemustert, als wir hier so aufkreuzten. Was denken die sich denn bitte?

Er hebt skeptisch die Augenbrauen. „Und du haust auch nicht wieder ab?"

„Mal sehen, wie es sich entwickelt. Aber du weißt schon, dass ich theoretisch einfach schattenreisen könnte?"

Er zieht scharf die Luft ein. „Das wagst du nicht! In meiner Anwesenheit wird nicht schattengereist! Ärzt-"

„-liche Anordnung, ich weiß, bla bla bla. Aber jetzt mal ehrlich, was soll ich hier? Singen!?"

„Warum nicht? Denkst du, Leo beispielsweise kann singen? Oder Percy? Und die beiden sind mit Feuereifer dabei", argumentiert er.

„Ja, aber die beiden sind auch bei jeder Scheißidee dabei."

„Aber Annabeth, Jason und Clovis sind auch hier und werden wahrscheinlich auch singen."

„Clovis? Das glaubst du doch selbst nicht."

„Klar wird der singen, wetten?"

„10 Drachmen" 

„Deal", sagt Will und hält mir die Hand hin. Ich seufze.

„Du musst mir immer noch die Fesseln abnehmen, Erbsenhirn."

„Stimmt, ups." Er verzieht kurz das Gesicht zu einem entschuldigenden Lächeln, wirft mir aber  doch noch einen letzten warnenden Blick zu. Dann knotet er das Band um meine Handgelenke locker und zieht es letztendlich ab.

Ich reibe mir über meine Handgelenke, was Will mit besorgter Miene betrachtet.

„Hab ich dir wehgetan?", will er wissen.

Ich winke mit einem „Alles gut" ab, woraufhin er das Thema auf sich beruhen lässt.

Inzwischen sind die herumwuselnden Halbgötter einigermaßen zur Ruhe gekommen und die Bänke füllen sich langsam. 

solangelo - one-shots Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt