Helpful

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~Liv~
Ich wartete jetzt schon seit einer halben Stunde ungeduldig darauf, dass mein bester Freund seine kleine Schwester vorbeibrachte damit ich ihr helfen konnte. Ich tigerte im Wohnzimmer auf und ab und kaute nervös an meinen Fingernägeln. 'Verdammt! Warum habe ich es nicht bemerkt? Warum hab ich nicht besser auf Summer aufgepasst? Sie ist für mich wie die kleine Schwester die ich nie hatte. Ich hätte da sein müssen, ich hätte ihr helfen müssen, ich hätte sie beschützen müssen, ich hätte etwas merken müssen! Gerade weil ich doch weiß wie es ist weil ich doch die Anzeichen hätte sehen müssen!' Ich fühlte mich so schrecklich schuldig und ging ununterbrochen in Gedanken durch wie es sein konnte dass ich es hätte merken müssen. Ich machte mir Vorwürfe und konnte nur an all das Grausame und Schreckliche denken was sie alles hatte durchmachen müssen und wie lange sie wohl schon diesen Schrecken erleben musste.
Ich wurde mit jeder Minute die verstrich ungeduldiger. Mit jeder Sekunde die verging nahm mein Unbehagen zu. Als ich endlich hörte wie der Truck meines besten Freundes die Auffahrt zu unserem Haus hochfuhr konnte ich mir ein erleichtertes Aufatmen nicht verkneifen, da ich einfach unendlich erleichtert war. Summer hatte schon viel zu lange alleine mit all diesen furchtbaren Sachen alleine klarkommen müssen ohne, dass jemand für sie da war, ohne dass sie Hilfe hatte, aber das war jetzt vorbei und das war gut so! Ich wollte, nein ich musste für die kleine da sein sie hatte diesen ganzen Schmerz nicht verdient! Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit klingelte es endlich an der Tür zu der ich ruhig ging, ich musste mich beherrschen nicht zu rennen, aber wenn ich zu hektisch würde würde das Summer wohlmöglich verschrecken und das konnte ich auf keinen Fall riskieren!
Sobald ich die Tür geöffnet hatte stand ich auch schon Adam und seiner kleinen Schwester gegenüber. Während Adam mich wie immer schief angrinste stand Summer ruhig daneben und versuchte mit der Wand zu verschmelzen und vermied wie so oft in letzter Zeit jeglichen Augenkontakt. „Okay, also wie bestellt sind wir hier. Ich weiß zwar nicht warum die Idee jetzt so spontan von dir kam aber wenn du es hinbekommst das dieses pubertierende kleine Monster wieder zu meiner süßen kleinen Schwester wird dann bin ich dabei." So wie immer dachte Adam mal wieder rein pragmatisch, das war zwar oft recht nervig, kam meinem Vorhaben heute jedoch zugute, denn so musste ich mir nichts ausdenken warum ich Summer zu mir nehmen wollte. „Adam du weißt schon dass Summer zum einen nicht mehr 6 ist und zum anderen direkt neben dir steht oder?", fragte ich leicht ironisch.
„Ja, ja schon gut", während er das sagte verdrehte er die Augen bevor er sich zu seiner kleinen Schwester drehte, „ also kleines du bleibst das Wochenende bei Liv und du hörst auf sie verstanden?" „Ja ich weiß Adam, ich benehme mich.!" So ruhig und zurückhaltend kannte ich Summer gar nicht und dass sie Adams Umarmung auswich bestätigte meine Vermutung dass sie das andere Mädchen war an dem ER sich verging.
„Komm doch rein Summer wir machen uns schon ein schönes Mädels Wochenende. Ich bringe sie am Montag nach der Schule zurück zu euch nach Hause."

Etwa eine halbe Stunde später hatten wir es uns in meinem Zimmer gemütlich gemacht, mit Knabberzeug und Kakao vor meinem Laptop auf dem ich gerda Netflix öffnete. „Also was würdest du gerne gucken Summer?" „Das ist mir egal, such du was aus." „Hey schon gut ich hab dich gefragt es ist vollkommen egal was du gucken magst ehrlich!" „Hm naja okay also dann 'Greenhouse Academy'?" „Gerne! Das ist eine echt coole Serie, guckst du die gerne?" „ Hm ja gelegentlich." Ihre eintönigen, verunsicherten Aussagen spiegelten die Angst in ihren Augen. Sie war unglaublich eingeschüchtert, das sah man sofort. Sie war verängstigt und überaus ängstlich und schreckhaft und wenn ich sie ansah erkannte ich mich selbst in ihr wieder, ich sah mich in der Angst in ihren Augen, in Anspannung in ihren schmalen Schultern, in der Art wie sie sich mit ihren Fingerspitzen an ihren Ärmeln fest klammerte, aber am aller meisten in der Art wie sie jeglichen Berührungen auswich und jedes Mal zusammenzuckte sobald ich ihr ein wenig näher kam.
Ich war mir mittlerweile auch ohne dass ich sie darauf angesprochen hatte absolut sicher, dass sie die gleichen furchtbaren Erfahrungen gemacht hatte, wie ich auch. Wie sollte ich nur anfangen? Ich meine wie fragt man die kleine Schwester seines besten Freundes ob, oder besser gesagt wie lange schon sie von dem Vater des Mädchens vergewaltigt wird das für sie immer wie eine Schwester war?

Nachdem die erste Folge vorbei war schaltete ich die Serie auf Pause, was mir einen fragenden Blick von Summer einbrachte. „Also Summer dein Bruder hat dir bestimmt erzählt warum ich vorgeschlagen habe dass du das Wochenende bei mir verbringst oder?" „Ja hat er, er sagte damit wir ein Mädelswochenende zusammen verbringen können und so." „Ja das stimmt, dass ist das was ich ihm erzählt habe, aber eigentlich wollte ich aus einem anderen Grund Zeit mit dir verbringen. Ich wollte nämlich gerne mal mit dir reden." Ich sah in ihren Augen schon wie sie zu machte und bereits abblocken wollte, also kam ich ihr zuvor „Bevor du etwas sagst, lass mich bitte ausreden okay?" Sie nickte nur leicht aber das reichte mir.
„Also ich möchte dir etwas erzählen, eine Geschichte wenn man so will. Eine Geschichte von einem kleinen Mädchen das viel Zeit bei seiner besten Freundin verbracht hat und das bei ihr zu Hause ein zweites Zuhause gefunden hat. Bis dann auf einmal der Vater ihrer besten Freundin angefangen hat ihr immer näher zu kommen. Zuerst dachte sie es wäre normal weil er wie ein zweiter Vater für sie war und sie für ihn wie eine weitere Tochter. Aber dann kam er ihr irgendwann noch viel näher und das gefiel dem Mädchen nicht. Sie sagte dass er es lassen sollte, weil sie sich sehr unwohl damit fühlte aber er machte weiter und sagte er wolle nur mit ihr spielen. Aber sie war noch ein Kind und diese erwachsenen Spiele hätte er nicht mit ihr spielen dürfen.

...Verstehst du was ich damit sagen will?"

Ein leichtes Nicken war ihre Antwort

... „Okay dieser Mann spielte also diese Spiele mit ihr und das über Jahre hinweg. Das Mädchen hatte riesige Angst und traute sich nicht irgendjemandem davon zu erzählen, stattdessen baute sie einen Schutzschild zwischen sich und die Welt, damit keiner sehen konnte, was in ihr vorging. Sie schwor sich niemals mit irgendjemandem darüber zu reden, bis sie herausfand dass es da noch ein Mädchen gab, dass das gleiche erleben musste wie sie!" ...

... „Verstehst du was ich meine?" ...

„I-ich d-denke schon.

... Du bist das Mädchen oder?" „Ja Summer, das eine Mädchen bin ich. ... Und das andere bist du nicht wahr?" Sie sagte nichts und sie nickte auch nicht, sie sah mich einfach nur an mit Tränen in den Augen und mehr brauchte es nicht, ich wusste es ich wusste ich hatte recht und ich wusste, dass ich den Zugang zu ihr gefunden hatte. Bevor ich noch etwas sagen konnte kam sie mir schon entgegen und ich schloss sie in die Arme, was bei ihr alle Dämme brechen ließ. Sie weinte und ich ließ sie weinen. Sie zerbrach und ich fing sie auf. Ich saß einfach bei ihr und hielt sie im Arm, denn das war es was sie gerade am meisten brauchte, sie brauchte keine Ansprache oder Ratschläge sondern nur jemanden der da war und sie festhielt während sie zusammenbrach und ihren Gefühlen wahrscheinlich zum ersten Mal seit langem wieder vollkommen freien Lauf ließ.

Wir saßen noch die halbe Nacht auf meinem Bett ohne ein Wort zu sprechen. Ich hielt Summer fest bis sie irgendwann vom weinen völlig erschöpft einschlief. Eine Weile nach dem sie eingeschlafen war blieb ich noch mit ihr im Arm sitzen um sicher zu sein, dass sie wirklich eingeschlafen war. Dann hob ich sie vorsichtig hoch was mir dank ihres schmächtigen Körpers auch gelang, ich legte sie auf die linke Seite des Bettes, deckte sie vorsichtig mit der Tagesdecke die am Fußende meines Bettes lag zu, strich ihr die Haare aus dem Gesicht und löschte das Licht nachdem ich mir meinen Schlafanzug aus dem Schrank geholt hatte. Wenige Minuten später war ich umgezogen und bettfertig und legte mich auf die andere Seite des Bettes neben die kleine Schwester meines besten Freundes kuschelte mich an sie um ihr Sicherheit zu geben und zog die Decke die ich vorher schon über sie gelegt hatte nun auch über mich. Nach wenigen Augenblicken in denen ich Summers ruhigem und gleichmäßigen Atem gelauscht hatte, schlief ich auch endlich ein, in der Hoffnung nach diesem Tag ein wenig Ruhe zu finden, bevor ich morgen mit Summer würde weiter überlegen müssen wie ich sie aus diesem Alptraum befreien konnte.

Never let me drownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt