Ewiges Leben

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Eine Kurzgeschichte von Jan Schratzberger

Mit einem Fluchen wischte er ein letztes Mal über die Klinge, bevor er den blutbesudelten Lappen wieder einsteckte. Verdammt. Er war spät dran. Mit einem letzten Blick auf die zwei leblosen Körper verließ er den schlammigen Hinterhof.
Das sollten alle gewesen sein.
Ausdruckslos hastete er an den grauen Häuserfronten vorbei, als plötzlich eine Wache um die Ecke bog. Sofort verlangsamten sich seine Schritte. Verdammt! War er zu laut gewesen? Das alles hatte zu lange gedauert. Zu spät! Die Stadtwache kam immer näher. Mit einem genervten Zischen legte er seine Hand an den Schwertgriff.
Dann eben noch einer...
„Lange nicht gesehen.", sagte er.
„Wie geht's den Kindern?"
Seine Mundwinkel zuckten bei dem falschen Lächeln, das er aufgesetzt hatte. Die Wache sah ihn verständnislos an. „Welche Kinder? Kennen wir un..."
Mit einem schnellen Hieb trennte er die Kehle des Ahnungslosen durch. Er wartete nicht, bis das verzweifelte Zucken des Sterbenden aufhörte. Mit einem Keuchen zog er den Körper in den nächsten Graben. Das musste gereicht haben, alle Wachen im Umkreis von zwei Meilen waren tot. Vorausgesetzt, seine Informanten hatten die Wahrheit gesagt. Wenn sie sich nicht schon wieder irrten. Unzuverlässige Idioten...Ohne eine Miene zu verziehen, machte er sich wieder auf den Weg. Fast wäre er an dem kleinen Tor vorbeigelaufen, das schon so mancher betreten, aber kaum jemand wieder verlassen hatte. Nach kurzem Überlegen klopfte er.
„He, hallo! Jemand da?"
Fast sofort öffnete sich eine kleine Holzklappe, und eine krächzende Männerstimme fuhr ihn an:
„Du bist zu spät, Lilith ist schon am Treffpunkt."
„Lilith?"
„Das kleine Mädchen, das dich angeheuert hat. Schnell jetzt, oder du bekommst nur die Hälfte!"
Mit einem lauten Krachen flog die Klappe wieder zu. Sie nannte sich jetzt also Lilith. Interessant...Mit einem letzten, nachdenklichen Blick schritt er los. Langsam hatte er genug vom ständigen Herumlaufen. Wie einer dieser Boten hetzte sie ihn durch die ganze Stadt. Warum ließ er sich immer wieder überreden? Verbittert biss er sich auf die Lippe. Er brauchte das Geld. Seine Alkoholsucht machte ihn gierig. Ein angedeutetes Grinsen umspielte seine Lippen. Das Geldproblem sollte bald gelöst sein. Als er ankam, erwartete ihn Lilith schon. Wütend starrte sie ihn an.
„Du bist zu spät, alter Mann! Schon wieder!"
Bestürzt riss er die Augen auf.
„Sie waren schon hier?"
Lilith schüttelte den lockigen Kopf. Erleichtert ließ er sich neben ihr ins Gebüsch. Schweigend starrten sie auf die Straße. Nach einigen Minuten überwand er sich:
„Bist du dir sicher, dass wir das tun sollten?"
Sie schnaubte verächtlich.
„Ja, still jetzt!"
Leises Hufgetrappel ertönte. Sofort fuhr seine rechte Hand zu seiner Klinge, während seine linke in den Beutel mit Schmierkohle fuhr. Er stöhnte leise, als die Droge sich über seine Finger im ganzen Körper ausbreitete. Lilith stieß ihn in die Seite.
„Hast du sie noch alle?"
Zu dem Hufgetrappel kam jetzt auch das Quietschen von Kutschenrädern. Er grunzte zufrieden. Wütend funkelte Lilith ihn an. Das Hufgetrappel war nur mehr ein paar Meter entfernt. Mit einem Seufzen zog er seine Hand aus dem Beutel und stürmte auf die Straße. Der erste der vier Soldaten wurde von seinem Hieb enthauptet, während sein Wurfmesser einen zweiten zu Boden streckte. Den dritten, offenbar ihren Anführer, traf es am schlimmsten. Ihm zertrümmerte er mit einem kräftigen Tritt eine Kniescheibe, ehe er ihm die Kehle eindrückte. Der letzte Soldat, noch ein halbes Kind, sah ihn entsetzt an. Mit einem schnellen Satz nach vorne war er bei ihm und mit einem sauberen Stich ins Herz war auch dieses Problem aus der Welt geschafft, bevor der Junge schreien konnte. Aus dieser Welt zumindest. Langsam richtete er sich auf, um in das erstaunte Gesicht von Lilith zu schauen.
„Passabel!", kicherte sie mit einem Blick auf den noch gurgelnden Anführer.
„Er wird an seinem eigenen Blut ersticken."
Dann zückte sie einen uralt aussehenden Dolch. Er wusste, was das bedeutete. Nervös fixierte er ihn mit seinen Augen.
„Wird es schnell gehen?"
Das Mädchen seufzte.
„Das tut es doch nie..."
Das Röcheln des sterbenden Anführers erlosch. Stille. Eine verängstigte Mädchenstimme drang zaghaft aus der Kutsche:
„Hallo?"
Bedrückt senkte er den Blick. Mitleidig sah ihm Lilith in die Augen.
„Denk daran, wenn ich erst den Körper der Prinzessin von Enimia übernommen habe, bekommst du mehr Gold als du tragen kannst."
Langsam wanderten seine Augen zur Kutsche. Er war im Begriff zu gehen, als ihm eine letzte Frage durch den Kopf ging. Nachdenklich runzelte er die Stirn.
„Warum nennst du dich jetzt Lilith? Nara gefiel mir besser."

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