Kapitel 75

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Wincent

Wir hatten einen schönen Nachmittag und Abend mit den Kids und nachdem die ins Bett gebracht waren, machten wir uns auf den Weg ins Studio. Wir hielten vorher noch im Supermarkt und richteten dann unseren Raum ein. „Die rasten alle schon völlig aus", hörte ich Emma sagen und kurz darauf hielt sie mir ihr Handy vor die Nase. Gefühlt jede Fanseite auf Instagram war live und unsere Markierungen sprengten alles. Die Vorfreude in mir wuchs ins Unermessliche. Während Kevin und ich uns um die Technik kümmerten, war Emma für die Snacks zuständig und verschwand in der Küche. Ich hörte sie nebenbei mit Fabi quatschen, der ihr wohl beim Kochen half. „Wann kriegt sie den Song?", fragte Kevin mich plötzlich. „Nicht hier und heute. Wenn wir alleine sind...und wenn wir nicht völlig betrunken sind", grinste ich. Obwohl Emma ja bei fast jeder Studiosession dabei war, hatten wir es dennoch geschafft den Song für sie aufzunehmen, ohne dass sie es mitkriegte. Es war sowas von Zeit für einen Lovesong für sie und seit mittlerweile Monaten schleppte ich den mit mir rum. Aber es gab bisher nicht den richtigen Moment; vielleicht würde der auch erst auf der Hochzeit sein, ich machte mir da keinen Stress. Aber Kevin wurde langsam ungeduldig, was sie zu unserem Meisterwerk sagte. „Ich lass es dich wissen, sobald ich es getan hab, okay?", zog ich ihn auf. Er war die Neugier in Person und dabei dachte ich immer, der Titel gehörte mir alleine. „Wenn du was getan hast?", hörte ich Emmas Stimme plötzlich hinter mir. Erwischt! „Dir n Kind gemacht", haute Kevin einfach so raus und ich hätte ihn am liebsten erwürgt. Natürlich wartete unser halbes Umfeld mittlerweile ungeduldig auf die freudige Nachricht, vor allem seitdem wir jetzt auch endlich einen Termin für die Hochzeit hatten. Entschuldigend sah ich zu Emma auf. Sie und ich waren die Einzigen, die um unsere Situation wussten und das sollte eigentlich so bleiben, aber bisher hatte uns auch noch niemand so offensichtlich darauf angesprochen. Ich wäre am liebsten abgetaucht. „Dann kann ich ihm nur Recht geben, er wird es dich wissen lassen...", meinte sie zu Kevin und lächelte mich sanft an.

Ich wusste nicht, ob ich ihrem Lächeln trauen konnte oder ob es sie innerlich wieder fast auffrass. Sie war den ganzen Tag umzingelt von den Kindern, die sie am liebsten gar nicht gehen lassen wollten. Und gerade wusste ich nicht, was in ihrem Kopf vorging. Ihr letzter Arzttermin war jetzt auch schon eine ganze Weile her. „Alles gut, Babe, ich komm klar", flüsterte Emma mir ins Ohr und gab mir einen Kuss auf die Wange, dann ließ sie uns wieder alleine. Erst nachdem ich immer noch nichts sagte, begriff Kevin wohl den Ernst des Themas. „Ey, ich wollte nicht...also wenn das nicht...", stammelte er, bis ich ihn unterbrach. „Schon gut, passt schon. Ist grad n bisschen schwierig, aber nicht unser Problem heute", versuchte ich möglichst überzeugend zu lächeln. Glücklicherweise stellte Kevin keine weiteren Nachfragen und wir verbrachten die letzten verbleibenden Stunden vor Mitternacht mit Essen, Trinken und Blödeln. Wir schauten immer mal wieder in den Livestreams der Fans vorbei und manchmal hatte ich das Gefühl sie interessierten sich mehr für Emma als für mich. „Wie war die Albumzeit für dich? Doch bestimmt anstrengend, oder?", wurde sie mal wieder gefragt. Anstrengend? Für sie? Hatte uns mal einer gefragt? Emma lachte. „Es war eine ziemlich intensive Zeit, würde ich sagen. Wenig Schlaf, viel hier im Studio...ein Wunder, dass ich den Weg nach Hause trotzdem gefunden hab", erzählte sie. „Für eure Beziehung auch?", wurde direkt die nächste Frage hinterher geschoben. Ich sah zu Emma und sie sah zu mir. Ihre Augen strahlten mich an, während sie meine Hand nahm. „Das auch, ja. Ich würde mal behaupten nach diesen Monaten wissen wir alles, aber auch wirklich alles, voneinander", lachte sie. „Und ich weiß mehr, als ich jemals erfahren wollte", klinkte sich Kevin ein und erntete direkt einen Knuff in die Seite von Emma. Wir erzählten noch ein bisschen von der Schreibphase, ohne zu viel von den Songs zu verraten, und Emma rutschte dabei immer weiter in den Hintergrund- aber ihr ging es gut da.

„Nur noch ne viertel Stunde", hörte ich Emma sagen, und verabschiedete mich damit aus dem Stream mit einer Fanseite. Wir gingen alle nochmal pinkeln, jeder schnappte sich ein Bier und was zum snacken und dann platzierten wir uns zu viert vor dem Rechner. Ich ging auf meiner eigenen Seite live und richtete die Listening Session ein. Natürlich lief wie immer nichts richtig gut rund, ich war nach wie vor kein Technik-Profi, aber irgendwann um kurz nach 12 hatte dann jeder sowohl Ton als auch Bild. „So, also dann, viel Spaß mit meinem dritten Album „Vielleicht irgendwann"", grinste ich in die Kamera und hielt dann mein Bier in die Runde zum Anstoßen. Kevin und ich lehnten uns ganz entspannt zurück und hörten einfach nur zu. Uns beiden fiel eine enorme Last von den Schultern, jetzt konnten wir nichts mehr tun. „Zwischenzeitlich dachte ich echt, ich muss dich umbringen", meinte Kevin, als wir bei dem letzten Song angekommen waren. Entschuldigend grinste ich ihn an. Ich musste zugeben, ich hätte es verstanden. Ich war einfach schon immer so perfektionistisch, ich war erst zufrieden, wenn alles zu hundert Prozent gepasst hat und so hatten wir natürlich bis zur eigentlichen Abgabe nicht alles geschafft. Trotz so viel Zeit im Studio und wenig Schlaf. „Es tut mir leid", meinte ich und prostete ihm zu, „jetzt hast du ja erstmal Ruhe..." „Hey, was, nein? Ich bin jetzt mal dran", klinkte sich Fabi ein und Kevin rollte nur mit den Augen. „Tja, Augen auf bei der Berufswahl", meldete sich Emma zu Wort und klopfte ihm auf die Schulter. Kurz hatte ich ein bisschen Mitleid, aber auch nur kurz- für mich war es schließlich auch so wenig Schlaf und mit der ganzen Singerei eigentlich noch anstrengender.

„Aber es ist großartig geworden, Jungs!", schwärmte Emma und hielt uns Biernachschub vor die Nasen. Absolut, klinkten sich die Fans im Livestream ein. Ich hätte noch stundenlang weiterlesen können, aber das hätte nie ein Ende genommen. „Also wir verabschieden uns dann mal", meinte ich, „und danke, Leute, echt. Ihr seid unfassbar krass! Danke für eure Unterstützung! Viel Spaß mit dem Album und feiert schön! Ohne Euch wär das alles niemals möglich gewesen". Wir zeigten alle nochmal ein Herz in die Kamera, dann schloss ich den Stream.

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