Kapitel 23

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Die Umgebung war kahl und farblos. Es war unglaublich kalt, obwohl ich warme Sachen trug. November war ein trister und hoffnungsloser Monat für mich. Vor mir war dieses grauenhafte Gebäude. Ich wollte da nicht rein, ich konnte es nicht, aber ich musste. Ich musste sie sehen! Meine Liebe lag alleine dort. Sie kämpfte, hingegen ich mich in Selbstmitleid stürzte. Ich hasse mich so sehr. „Ich will erstmal mit dir reden, Sugawara!" Ein blondes Mädchen tauchte neben mir auf und ich brauchte eine Sekunde um sie als Yuki zu identifizieren. Sie trug ihre Schuluniform, aber obendrüber noch ein Pullover. Es war nicht ihr Club Hoodie, denn auf ihrer linken Brust stand 'Tominaga K.'. Kohana kümmerte sich selbst dann um ihr Team, wenn sie im Krankenhaus war. Sie war so ein toller Mensch. Gestern war das Finale und gestern verschwand sie von der Bildfläche, aber ich durfte sie nicht besuchen gehen. Nur ihr Vater durfte bei ihr sein, während sie zahlreiche Tests durchlief. „Wieso?" Ich konnte mehr Worte nicht rausringen. Meine Kehle war trocken und meine Augen brannten. Ich musste die ganze Nacht heulen und vor Schmerz schreien. Es waren keine körperlichen Beschwerden, nur mein Geist litt. Ich konnte nicht glauben, dass sie im Krankenhaus lag. Ich fühlte mich so zurückgelassen. Ich wollte nur ihren Geruch wahrnehmen, ihre weiche Haut berühren und ihr schönes Lachen hören. Sie war meine Welt und diese drohte zu zerbrechen.

„Ich hab sie schon besucht und ich bitte dich, bring ihr lachen zurück. Bitte überfordere sie nicht, denn sie ist schon am Ende. Bitte Sugawara, ich will sie nicht verlieren. Das Team braucht sie! Ich brauche sie! Ich kenn sie nicht lange, aber sie ist meine beste Freundin geworden. Kohana darf nicht sterben. Ich will sie nicht verlieren!" Die Erstklässlerin weinte und ich merkte, wie ihre starke Fassade zusammenbrach. Yuki war am Ende auch nur ein ganz normales sechszehnjähriges Mädchen, welche in die grässliche Realität blickte. Yuki neckte und ärgerte zwar oft Kohana, aber der Schein trügt. Kohana hatte mir oft erzählt, wie toll Haira sei, aber ich konnte es nicht so ganz glauben. Aber nun sehe ich dieses kleine Mädchen, die um ihre Freundin weinte.

Ich nahm sie in den Arm. Wir brauchten beide diese Umarmung, denn wir beide hangen sehr an diesem Sonnenschein. Ihr Körper bebte und ich merkte, dass sie kurz vor dem Zusammenbruch stand. Keine Jugendliche sollte das erleben. Kohana sollte sowas nicht durchleben! Sie hatte es nicht verdient! Ich hasse das Schicksal, denn es nahm unseren Engel. Es nahm mir meine Liebe. Wieso nur du?! Wieso trifft es dich?! „Ich werde mein Bestes geben", sagte ich mit gebrochener Stimme. Das Mädchen drückte mich weg. „Zuerst fand ich dich nur kacke, aber Kohana liebt dich und sie braucht dich. Ich kann nicht so viel tun, aber du schon. Geh schon, du Idiot." Yuki versuchte irgendwie wieder stark zu sein, aber Tränen rollten über ihre Wangen und sie rannte weg. Sie war nur eine ganz normale Jugendliche, aber dennoch konnte sie sich zusammenraufen, um ihr beizustehen. Ich dachte sie ist nur ein aggressives und nerviges Mädchen, aber in den hässlichsten Seiten des Lebens lernt man neue Fassetten der Menschen kennen. Sie rannte von dem Ort weg, in dem ihre beste Freundin lag. Ich wollte auch nur noch fliehen, aber ich durfte sie nicht im Stich lassen. Sie hielt meine Hand, wenn ich Angst hatte und nun muss ich ihr die Angst nehmen.

Ich trat ein und sofort umhüllte mich der widerliche Geruch von Desinfektionsmittel. Ich hasse Krankenhäuser. Es war ein schrecklicher Ort, wo Leben und Tod nebeneinander wohnten. Die Zimmer waren monoton eingerichtet und nichts strahlte Geborgenheit aus. Die Wände waren meist kahl weiß. Selten hang irgendwo ein nichtssagendes Gemälde. Ich hasse es so abgrundtief! Sota erzählte mir, wo ich mich melden sollte, um zu ihr zu gelangen. Jeder Schritt war ein Kampf für sich. Ich lief wie betäubt durch die Gänge und versuchte den Blicken der kranken Leute zu entfliehen. Sota kam nicht, denn er war psychisch am Ende. Vor einigen Jahren verlor er seine Frau hier und nun lag sein einziges Kind am selben Ort. Ich wusste nicht, wie er sich fühlte, aber Elendig und zerstört würde es wahrscheinlich treffen. Ich sah am Anfang meines Lebens, wie er kämpfte um wieder normal zu leben und nun zerstörte wieder das Schicksal diesen Mann. Er verlor wirklich alles. Wie kann es ein Gott geben, der die Menschen, die man liebt, umbringt! In mir herrschte ein Sturm aus Trauer, Schmerz und Wut gegen mich selbst, weil ich nie etwas hinterfragt hatte. Ich wollte mich immer um jeden kümmern, aber am Ende konnte ich nicht mal meiner eignen Freundin helfen! Scheiße!

Die kleine, zerbrechliche BlumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt