Prolog

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Seine Augen ruhten auf dem schwarzhaarigen Setter der Karasuno-Oberschule. Er beobachtete jede einzelne seiner geschmeidigen Bewegungen. Er war fasziniert von seinem präzisen Zuspiel, liebte das Geräusch, wenn seine Fingerspitzen den Ball berührten und ihn Richtung Spiker schickten. Er war gefesselt von seinen blauen Augen, die vor Energie und Siegeswillen leuchteten. Beim Duschen schaute er immer gebannt auf die durchtrainierten Arme, den muskulösen Rücken, den definierten Bauch, auf welchem sich bereits ein leichtes Sixpack abzeichnete. Zu guter Letzt waren da noch die straffen Ober- und Unterschenkel, die seine Augen wie magisch anzogen. Tobio Kageyama hatte es geschafft, ihm in nur wenigen Tagen den Verstand zu rauben.

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Tobio spürte schon seit geraumer Zeit, dass ihm der andere Volleyballspieler unablässig mit den Augen folgte. In den ersten Tagen waren es nur vereinzelte Blicke. Er hatte sich nichts dabei gedacht. Warum auch? Hier beobachtete jeder jeden, um sich neue Tricks und Strategien abzuschauen, aber seit diesem einen Vorfall, hatte sich etwas geändert. Er bemerkte, dass die Blicke dieses einen Spielers ausschließlich nur noch ihm galten. Jede noch so kleine Bewegung wurde genauestens beobachtet. Verdammt, er konnte noch nicht einmal mehr duschen gehen, ohne die prüfenden Blicke des anderen in seinem Rücken zu spüren. Bei Gott, das Ganze war ihm mittlerweile ziemlich lästig geworden. Atsumu fragte ihn andauernd, ob mit ihm alles in Ordnung sei, da er begonnen hatte, sich ständig wie ein paranoider Vollpfosten umzudrehen. Er erfand immer irgendeine völlig sinnfreie Ausrede, um nicht erklären zu müssen, was der tatsächliche Grund für sein merkwürdiges Verhalten war. Es würde ihn nicht wundern, wenn Atsumu bereits an seinem gesunden Menschenverstand zweifeln täte.

Tobio wusste nicht, was er tun sollte. Sicher, er hätte seinen Beobachter einfach auf dessen seltsames Verhalten ansprechen können. Doch es waren genau zwei Dinge, die in davon abhielten. Erstens: Schob man mal dieses irritierende Gebaren des anderen beiseite, so verstanden sich die beiden ziemlich gut. Sie besaßen den gleichen Ehrgeiz und liebten Volleyball über alles. Außerdem spielten sie mittlerweile so gut zusammen, dass sich die anderen Spieler unsichere Blicke zuwarfen, wenn sie gegen die beiden antraten. Zweitens: Tja, der Grund war ziemlich einfach. Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt wissen wollte, was die Blicke des anderen zu bedeuten hatten.

Er erinnerte sich an den Moment zurück, der diese ganze skurrile Geschichte erst in Gang gesetzt hatte. Sie waren in unterschiedliche Teams eingeteilt und standen sich auf dem Feld gegenüber. Sein Team hatte Aufschlag. Es war kein besonders gelungener, weshalb es dem Gegner ein leichtes war, den Ball anzunehmen und präzise zum Zuspieler zu bringen. Dieser spielte den Ball weit nach oben, dicht ans Netz. Kageyama sah den weißhaarigen Jungen von hinten heranstürmen. Dieser stoppte kurz vor dem Netz, ging leicht in die Hocke und stieß sich mit einer ungeheuren Kraft vom Boden ab. Er sprang verdammt hoch und schmetterte den Ball mit einer flüssigen Bewegung auf die gegnerische Seite. Von überall um ihn herum kamen bewundernde und erstaunte Ausrufe. Für Kageyama war das jedoch nix besonderes, er wusste bereits von seinem zwergenhaften Partner Hinata, wozu auch kleine Spieler im Stande waren. Völlig unbeeindruckt drehte er sich um, ging auf seine Position zurück und wartete auf den gegnerischen Aufschlag. Dass das der Moment war, der Kageyama zum Hauptbetrachtungsgegenstand des Weißhaarigen machte, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst nach dem Trainingsspiel, als er gerade dabei war sich zu dehnen, sah er den Jungen aufgebracht auf sich zu stürmen. Er überschüttete Kageyama mit Fragen: Ob er ihn kenne? Ob er ihn schon mal habe spielen sehen? Warum er von seinem Angriff nicht überrascht war, wie es sonst alle waren, wenn sie ihn zum ersten Mal sahen? Kageyama erklärte ihm achselzuckend, dass diese Art des Angriffs für ihn nichts neues wäre, da er selbst jemand kleines in seinem Team hatte, der ebenfalls verdammt flink war und ziemlich hoch springen konnte. Nun, sein Gegenüber schien mit der Antwort nicht ganz zufrieden. Kageyama war das egal, er schnappte sich seine Flasche und verschwand in Richtung Duschraum.

Ab dem nächsten Tag sprachen sie öfter miteinander, spielten häufiger in einer Mannschaft und wurden ein verdammt gutes Team. Und Kageyama offenbar zu einem super interessanten Untersuchungsobjekt.

Nun saß er neben ihm. Korai Hoshiumi sah Tobio erwartungsvoll von der Seite an und wartete auf seine Antwort.

„Nun", setzte Kageyama nachdenklich an, „ein Volleyballtrainingscamp am Strand klingt ziemlich gut. Ich bin mir sicher, diese Idee würde in meinem Team wie eine Bombe einschlagen." Zufriedene Blicke wurden zwischen den Anwesenden ausgetauscht, Hoshiumi strahlte über das ganze Gesicht. Es war beschlossene Sache. Es würde einen vierwöchigen Ausflug in ein Volleyballtrainingscamp am Strand geben.

Er soll Mein seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt