Kapitel 3

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Fuck. Das ist das Einzige, was in meinem Kopf rumspringt. Nur dieses Wort. Entweder ich folge diesem Mann, meinem vielleicht Vater, oder ich riskiere, dass er seinen Worten Taten folgen lässt und mich anzeigt. Das heißt mindestens Sozialstunden, plus ich werde Teil des beschissenen Pflegesytsems von Kalifornien. „Wie heißt du?", frage ich ihn. Die zweite Information, die meine Mutter mir gab. „Robin. Robin Conners." Robin hieß er. „Was willst du mit mir?", frage ich ihn gepresst, aber nicht leise genug, dass es die Anderen nicht hören könnten. Bei den Worten wird sein Blick sanfter und seine Hand rutscht von meinem Arm, den ich schnell an meinen Körper führe. Ich halte Augenkontakt und suche in seinen Augen nach einer Antwort, einer Antwort auf meine Fragen und eine Lösung meiner Unsicherheit. „Ich will, dass du mir zuhörst. Dass du bei mir lebst. Mich kennen lernst und ich dich. Ich will mich um dich, meine Tochter, kümmern." Wieder ist da ganz kurz dieser Funken, dieser Funken der Hoffnung. Die Hoffnung, auf jemanden, der mich mögen könnte und sich um mich sorgen könnte.

Nein. „Wirklich?", frage ich reizend und lasse meine Schultern hängen. Er scheint erfreut über meinen plötzlichen Wandel und entspannt sich auch. „Wirklich." Ich lächle vorsichtig und reiche ihm meinen Rucksack, den er in die Arme schließt. Kurz halte ich Augenkontakt, dann trete ich dem Mann in die Eier und renne. Er hat meinen Rucksack weiter in seinen Händen und greift so nicht nach mir. „Haltet sie auf!"

So schnell wie ich nur kann, renne ich zum Ausgang und schaffe es tatsächlich raus. Ich überlege erst gar nicht wohin ich kann und renne einfach weiter. Das ist es was ich kann. Rennen. Ich bin schnell. Schnell und flink und so weiche ich jeden möglichen aus und renne weiter. Beim Rennen fliegen meine langen, braunen Haare nach hinten und der Wind bläst mir so sehr ins Gesicht, dass mir eine Träne aus dem Augenwinkel kommt. Vor mir taucht plötzlich ein kleiner Park auf. Perfekt. Ich springe über die erste Bank und verschwinde immer tiefer zwischen den Parkbesuchern, bis ich endlich zu einer U Bahn Station komme. Ich renne die Treppen so schnell runter, dass ich beinahe hinfliege, halte mich aber und schubse eine Frau beiseite, denn ich muss die Bahn kriegen, die grade mit offenen Türen da steht und auf mich wartet. „Ey!", fährt sie mich an, aber ich habe keine Zeit mich umzudrehen, nur für ein schnelles „Sorry". Die Knöpfe leuchten, das Piepen ertönt, die Türen beginnen sich zu schließen. Nein, das muss ich noch schaffen.

„Haltet das Mädchen auf!" Die Worte veranlassen meine Beine so schnell zu rennen, wie noch nie und dann springe ich in die Bahn. Die Türen schließen sich und eine Hand klatscht gegen die Glasscheibe. Robin steht da und starrt mich an. Ich winke ihm zu, dann startet die Bahn.

Ich vermeide den Kontakt mit der mit Bakterien verseuchten Stange in der Bahn und lehne mich stattdessen an die Türen der Bahn. Dann beginnt das Adrenalin zu schwinden und mein Gehirn zu funktionieren. Und mein rational denkendes Gehirn sagt mir. Du bist am Arsch, Lyra Green.

Nicht nur dass mein einziges Geld 200$ in meinem BH sind, auch meine Chancen sind gering. Wo soll ich hin? Ohne Geld. Ohne mein Insulin... Mist, wie konnte ich das vergessen. Ich schaue mich um, finde aber keine Uhr. „Wie viel Uhr ist es?", frage ich die nächste Person, neben mir, die aufs Handy starrt. „Fünf Uhr nachmittags.", antwortet mir der Junge gelangweilt. Okay, in ein paar Stunden muss ich die Spritze mit dem Insulin nehmen. Wenn ich nichts esse, bleiben mir erst noch ein paar Stunden ohne körperliche Beschwerden. Oder keine dramatischen. Aber noch immer... wo soll ich hin?

Er hat mich gefunden. Meine Arbeit und meine Wohnung und mehr habe ich nicht. Verzweifelt schlage ich die Hände vors Gesicht. Die Bahn nähert sich der nächsten Station und als meine Sicht frei wird, weiß ich, dass ich mir um das, was ich tun soll, keine Gedanken machen muss. Da stehen nämlich zwei Polizisten. Ich eile durch die volle Bahn ganz nach hinten und verstecke mich hinter einem großen Mann. Als die Türen sich öffnen strömen Passagiere raus und rein und zwei Polizisten kommen ebenfalls ins Gefährt. „Lyra Green!", sie rufen meinen Namen und suchen überall nach mir. Das Tuten ertönt, ein Polizist sieht mich beim Rausgehen und ruft wieder nach mir, doch schon bei meinem dritten Schritt außerhalb der Bahn werde ich erwischt. „Jetzt reicht es mit der Verfolgungsjagd.", schimpft der große Mann und zerrt mich zu den Treppen und diese hinauf. Als wir oben sind, wird sein Griff durch den eines Anderen, eines Mannes in einem schwarzen Anzug ersetzt, der die Autotür eines schwarzen Sportwagens öffnet und mich hineindrückt. „Lassen Sie mich, Sie Bastard!", schimpfe ich laut und er schnallt mich noch an, bevor er die Tür dumpf zu wirft. „Das ist verdammt nochmal Entführung!"
„Nicht wenn ich das Sorgerecht für dich habe.", kommt es vom Beifahrersitz gelassen. Ich stöhne genervt auf und als der Mann im Anzug einsteigt und den Wagen startet, versuche ich die Tür zu öffnen. „Es ist sinnlos, Kleines."

„Ich bin nicht ihre Kleine!" Ich probiere es noch einmal, aber er hat recht, da ist die Kindersicherung drin. „Oh mein Gott! Nicht Ihr Ernst! Haben Sie keine anderen Bastarde, die sie in Autos sperren können?" Er grunst belustigt auf. „Mein Sohn hat keine Lust mehr darauf, weißt du." Ich frage nicht nach. „Wohin bringen Sie mich?", frage ich gereizt. „Nach Hause."

„Dann fahren wir aber in die falsche Richtung, meine Wohnung ist im Osten." Er schnaubt wieder und ich höre, wie er sich etwas in ein Glas einschüttet. „Wir fliegen nach LA." Wieder fällt mir mein Mund auf. „Das Flugzeug wartet schon auf uns. Ist nur ein 40 Minuten Flug." Er trinkt einen Schluck. „Hörn Sie mal, ich habe keine Ahnung, was Sie von mir wollen oder warum Sie die Unterschrift meiner Mutter haben, aber ich werde nicht einfach mit Ihnen nach LA fliehen!" Mit jedem Wort werde ich ein Stück lauter. „Deine Mutter hat mir geschrieben, Lyra. Einen Brief und die Überschreibung des Sorgerechts. Einen Monat bevor sie verstarb. Sie schickte ihn erst in den zwei Wochen los, in denen sie krank war. Und die Tatsache, dass sie ihn an meine Firma schickte, war der Grund, dass ich ihn erst verspätet öffnete und von dir erfuhr. Da warst du schon nicht mehr in der Stadt, in der deine Mutter starb. Also suchte ich die letzten Monate nach dir. Sechs Monate. Und jetzt habe ich dich endlich gefunden, meine Tochter." Stille.

Ich lache auf. „Das ist ja nh ganz tolle Geschichte, mein Lieber.", spotte ich und schmeiße mich in meinen Sitz. „Ich verstehe das, Lyra, du bist überfordert. Du wirst mir glauben, wenn du den privaten Brief deiner Mutter siehst und ich dir alles genau erkläre."

„Haben Sie das nicht schon?"

„Erstens, nein, es gibt noch ein wenig mehr. Und zweitens, hör auf mich zu siezen ich bin dein Vater, nicht dein Anwalt." Ich schnaube auf. „Den hattest du aber auch dabei, nicht?"

„Hatte ich.", gibt er wieder leicht belustigt zu. Wir fahren und fahren und als wir langsamer werden, denke ich kurz, dass wir aussteigen würden, aber geschnitten, wir fahren in ein Flugzeug. „Wer bist du?", frage ich unglaubwürdig. „Robin Conners, dein Vater und Geschäftsführer von einer Automobilteilfirma." Die Klappe hinter uns schließt sich und es ist wie in einem Traum. Ich fahre in einem teuren Schlitten mit lila Innenbeleuchtung und eingebauter Bar in ein privates Flugzeug.

Das Spiel Mit Hass Und Liebe |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt