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Lilly war natürlich ganz meiner Meinung. Auch sie wusste nicht genau, was es zu bedeuten hatte, dass der schwarze Kasten abgenommen worden war. Aber sie war wie ich davon überzeugt, dass es vermutlich noch eine andere Kamera gab und ich zur Sicherheit alles tun sollte, was Vater von mir verlangen würde, um meinen neuen Vater gnädig zu stimmen, falls er kommen sollte.

Also hatte ich keine andere Wahl, als mich noch einmal selbst zu verletzen.

„Ich weiß nur nicht wie, Lilly", erklärte ich ihr mein Problem. „Sie haben mir wieder diese Handschuhe angezogen. Ich kann meine Hände nicht benutzen. Und ehrlich gesagt ... Lilly, ich bin so erschöpft, dass ich eigentlich auch nicht aufstehen kann. Es war alles zu viel heute. Alles, was passiert ist. Mein schlechtes Training, die vielen Türen, das Bild von meinem neuen Vater. Lilly, ich kann nicht mehr."

„Nein, das stimmt nicht!", widersprach sie mir. „Ich kenne dich. Und du kannst immer. Egal, wie schwer Vater dir zugesetzt hat, wenn er etwas von dir verlangt hat, bist du jedes Mal wieder aufgestanden. Das kannst du auch jetzt. Wir brauchen nur noch eine Idee, wie du dich bestrafen kannst."

Eine Träne lief mir über die Wange. Ich wollte mir wirklich nicht wehtun. Es war zu viel. Ich konnte mich doch kaum mehr bewegen! Denn was Lilly nicht wusste, war, dass die Menschen etwas mit mir gemacht hatten. Vorhin, als sie mir das Bild meines neuen Vaters gezeigt hatten. Ich hatte Panik bekommen, wirklich sehr große Angst, doch wenig später war ich ruhig geworden, ohne es zu wollen. So wie schon manchmal, seit ich hier bei diesen Menschen war. Das war nicht normal. Sie machten etwas mit mir, was mich noch müder machte. War das auch einer ihrer Versuche, mich daran zu hindern, meine Regeln zu befolgen? Wollten sie, dass ich immer müder wurde und irgendwann überhaupt nicht mehr aufstehen konnte? Mich gar nicht mehr bewegen konnte? Als hätten sie nicht nur meinen linken Arm gefesselt, sondern meinen ganzen Körper ans Bett gebunden.

Um ehrlich zu sein fühlte ich mich genau so. Als wäre ich festgebunden. Jede Bewegung war ein Kampf. Ich war überfordert von dem Gedanken, womöglich aufstehen zu müssen, um mir selbst wehzutun. In meinem Kopf drehte sich alles und ich wusste nicht, wie lange ich mich auf meinen Beinen würde halten können.

„Kannst du dich mit diesen Handschuhen selbst schlagen?", fragte Lilly schließlich.

Bedrückt schüttelte ich den Kopf. Nein, die Handschuhe waren so weich, damit konnte ich mir nicht wehtun. Ich würde mich zwar schlagen können, aber nicht so, dass es als Strafe zählte.

„Dann sehe ich nur eine Möglichkeit", seufzte Lilly und ich wusste, was sie sagen wollte. Es war nämlich auch die einzige Möglichkeit, die ich sah.

Ich musste aufstehen. Und dann musste ich meinen Kopf gegen eine harte Kante schlagen. Es war die einzige Bestrafung, die ich in meinem schlechten körperlichen Zustand leisten konnte.

„Aber ich will nicht, Lilly", wimmerte ich. „Ich will nicht. Ich kann nicht mehr."

Weitere Tränen liefen über mein Gesicht und Lilly sah mich mitfühlend an.

„Ich weiß", nickte sie und kam ein wenig näher. „Und ich verstehe dich. Aber du weißt selbst, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Vater wird noch viel schlimmere Dinge mit dir tun, wenn er erfährt, was du heute schon alles falsch gemacht hast. Und wir wollen unseren neuen Vater doch nicht gleich wütend machen, oder? Du musst es tun."

Mit einem unterdrückten Schluchzen nickte ich. Ich wusste, dass sie recht hatte, auch wenn ich es nicht wollte. Schon allein die Vorstellung an das, was mir bevorstand, ließ den Schwindel in meinem Kopf noch schlimmer werden.

Benommen atmete ich ein und aus und versuchte mich darauf zu konzentrieren, Kraft in meine Beine zu bekommen, um aufzustehen.

„Du schaffst das!", ermutigte Lilly mich. „Ich glaube an dich. Du kannst unseren neuen Vater glücklich machen."

Lost GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt