Kapitel 9

696 43 20
                                    

Lucas by MusicalGirl200

Gedankenverloren starrte ich aus dem offenen Fenster in Noahs Wohnung. Ich beobachtete durch mein geschärftes Sehen die Menschen auf den Straßen. Sie hatten keinen blassen Schimmer davon, was da draußen wirklich vor sich ging. Ich war neidisch auf sie, weil ich auch mal so gedacht hatte. Da war noch alles viel leichter gewesen. Doch jetzt wusste ich es leider besser. Was würde ich dafür geben, auch wieder so ahnungslos zu sein.

„Hey, ich habe hier schon mal was", riss mich Noah aus meiner Gedankenwelt. Ich löste mich von dem Fenster und kam zu Noah an seinen Computer. „Was hast du?", fragte ich ihn neugierig. Er klickte etwas mit seiner Maus umher und dann öffnete sich ein Foto. Das war sie, die Vampirin, die ich heute im Wald gesehen hatte. „Ist das das Vampirmädchen von heute?" Ich nickte. „Ja, das ist sie." Noah pfiff durch die Zähne. „Wow, sie sieht echt heiß aus. Du hast nie gesagt, dass Vampire so heiß aussehen können", entfuhr es Noah. Ich verdrehte die Augen und gab ihm einem leichten Klaps auf den Hinterkopf. „Au, das tut doch weh", beschwerte sich mein bester Freund und rieb sich seinen Hinterkopf. „Sie mag äußerlich vielleicht ganz gut aussehen, aber sie ist trotzdem ein Monster und Aussehen ist auch nicht alles", entgegnete ich.

Ich ließ nochmal meinen Blick über das Foto von ihr schweifen und betrachtete sie nochmal genauer. Sie war schlank und hatte eine unglaubliche blasse Haut, wie jeder Vampir. Ihr blondes, langes Haar mit den schwarzen Strähnen fiel ihr locker auf die Schultern und ihr grünen Augen lächelten in die Kamera. Wüsste man nicht, dass sie ein Vampir war, würde man sie einfach nur für ein attraktives Mädchen halten. Abgesehen davon, dass sie ein Vampir war, fand ich solche Ansichten nicht besonders toll. Es kam nicht immer auf das Aussehen an. Die inneren Werte waren viel wichtiger, doch bei einem Vampir war klar, dass sie nur gut aussahen und innerlich ein Killer waren. Also galt es bei ihnen nicht, dass die inneren Werte zählten.

„Sie ist Autorin offensichtlich", riss mich Noah wieder einmal aus meinen Gedanken. „Was?", fragte ich ganz verdattert nach. Er öffnete eine Datei auf seinem Computer und zeigte mir ein Dokument mit dem Namen „Meine Bücher". „Sie scheint Veronica Channing zu heißen, obwohl ich glaube, dass das ein Anonym ist, und sie hat die Ewige Verdammnis Trilogie, Secret Love Band 1, Geheime Sehnsüchte 1 und 2 als eBook rausgebracht und Love does not exist soll scheinbar auch bald noch kommen", erzählte mir Noah. Ein Vampir, der Bücher schrieb. Von so etwas hatte ich tatsächlich noch nie gehört.

Plötzlich hörte ich ein Brüllen und horchte auf. Mein Alpha rief sein Rudel zusammen. Es musste irgendetwas vorgefallen sein, dass er das tat. Noah sah mich ganz irritiert an. Mir war klar, dass er das eben nicht gehört hatte. Dieses Brüllen des Alphas konnten nur sein Rudel hören, egal wie weit entfernt man sich in der Stadt auch befand. „Alles klar bei dir?", frage Noah schließlich nach. Ich nickte und ging zu seinem Fenster. Ich musste schnellstmöglich aufbrechen. „Ja, alles gut. Ich muss nur zurück. Mein Alpha ruft mich", erklärte ich ihm. Noah wirkte immer noch sichtlich verwirrt. „Hä? Ich habe nichts gehört." Ich lachte leicht und streckte meinen Kopf kurz aus dem Fenster, um die Lage auszuchecken. Über die Dächer der Häuser könnte ich viel schneller wieder zurück zur alten Villa des Rudels kommen, also würde ich diesen Weg auch nehmen. Es war schon dunkel draußen, also würde mich auch nicht groß einer bemerken. Außerdem war ich als Werwolf gekonnt darin, leise und unauffällig zu handeln, außer mich machte jemand wütend.

„Du bist schließlich auch kein Werwolf Noah. Da kannst du es auch nicht hören. Kannst du mir die Sachen, wo du noch findest auf mein Smartphone schicken?", bat ich ihn. Noah nickte. „Klar mach ich. Aber du wirst du jetzt nicht allen Ernstes aus dem Fenster springen, oder? Du bist doch nicht Spider Man!" Ich konnte über Noahs Worte nur den Kopf schütteln. Er sah sich definitiv viel zu viele Filme an. „Bis dann Noah und danke", verabschiedete ich mich von ihm und verschwand auch schon durchs Fenster. Meine gelben Augen leuchteten und ich sprang zum nächsten Dach eines Hauses und landete gekonnt auf meinen Füßen. Ich grinste leicht und begann noch schneller zu laufen, damit ich genügend Schwung hatte. Irgendwelche Vorteile musste das Werwolfsdasein schließlich doch haben, oder?

Als ich bei der alten Villa ankam, hatte sich das gesamte Rudel, bestehend aus insgesamt zwölf Werwölfen, davon neun männlich und drei weiblich, bereits draußen vor dem Eingang versammelt. Pascal stand auf der Erhöhung durch die Treppen am Eingang der Villa und hatte einen äußerst ernsten Gesichtsausdruck. Ich hatte bereits jetzt schon im Gefühl, dass er nichts Gutes zu berichten hatte. Ich blieb im Hintergrund etwas abseits von dem restlichen Rudel. Auch wenn ich jetzt schon ein Jahr lang zu ihnen gehörte, hatte ich nicht groß mit irgendeinem von ihnen mich angefreundet. Der Einzige, mit dem ich mich einigermaßen verstand, war Pascal. Deshalb war ich im Rudel auch immer etwas der Außenseiter und bei Jace der Statsfeind Nummer eins. Aber für mich war das schon in Ordnung. Sie lebten mit Euphorie ihr Werwolfsdasein aus und das konnte ich einfach nicht mit ihnen teilen.

"Ich habe leider keine guten Neuigkeiten. Ich habe so eben von einem kleinerem Werwolfsrudel erfahren, dass Vampire immer mehr im Wald und auch in der Stadt ihr Unwesen treiben. Zuerst war ich davon ausgegangen, dass es vielleicht nur Einzelfälle gewesen waren, doch da hatte ich mich getäuscht. Dreißig Menschen und drei Werwölfe wurden in den letzten vier Tagen von Vampiren getötet und das sind bei weitem keine Einzelfälle mehr. Es ist an der Zeit zu handeln und den Vampiren zu zeigen, dass sie in Broken Hills nichts verloren haben. Deshalb bitte ich euch wachsam zu sein. Zeigt bei den elenden Blutsaugern keinerlei Gnade. Haltet eure Augen offen und beschützt die Menschen, euer Rudel und unseren Wald. Wir sind die Einzigen, die die Menschen in Broken Hills vor den Vampiren beschützen können. Zögert nicht lange und tötet den Vampir, der euren Weg kreuzt. Wir werden von selbst aus, ihnen nicht den Krieg erklären, aber sollten sie es tun, sind wir jederzeit bereit in den Krieg zu ziehen", hielt Pascal seine Ansprache, als unser Anführer.

Das Rudel jubbelte ihm zu, nur ich blieb still im Schatten versteckt. Ja, ich war auch dafür, dass die Vampire endgültig verschwinden sollten, aber ein Krieg war doch keine Lösung. Es musste doch bestimmt noch einen anderen Weg geben. Doch Pascal schien gar keinen anderen Weg zu wollen.

Spät abends wollte ich gerade ins Bett gehen, als meine Smartphone vibrierte. "Habe dir alles per E-Mail von der Festplatte geschickt. Das solltest du dir unbedingt ansehen", schrieb mir Noah. Sofort öffnete ich neugierig meine E-Mails und fand dort eine Datei mit dem Namen "Mein Tagebuch". Verwundert zog ich eine Augenbraue nach oben. Für was schrieb ein Vampir bitte ein Tagebuch? Listete sie da auf, wie sie ihren Opfern das Leben genommen hatte, oder was? Dieses Vampirmädchen verhielt sich verdammt seltsam. Vielleicht war das ja eine neue Masche, um ihre Opfern zu verwirren, obwohl das echt schräg klang. So einen Aufwand würde sich kein Vampir der Welt antun. Schließlich öffnete ich die Datei und begann neugierig zu lesen.

Cursed Beings - A supernatural loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt